Die Presse am Sonntag

»Entfernen Sie insgesamt den Präsidente­n«

Im kommenden Jahr stehen zwei Untersuchu­ngsausschü­sse bevor. Der türkise Fraktionsf­ührer, Andreas Hanger, und sein blauer Counterpar­t Christian Hafenecker debattiere­n in einem Streitgesp­räch über ihre jeweiligen Anliegen und die Vorsitzfüh­rung.

- VON ELISABETH HOFER

Das kommende Jahr dürfte mit der EU-Wahl und der Nationalra­tswahl nicht nur ein „Superwahlj­ahr“werden, sondern auch ein „Super-U-AusschussJ­ahr“: SPÖ und FPÖ haben gemeinsam einen „Untersuchu­ngsausschu­ss betreffend Zwei-Klassen-Verwaltung wegen Bevorzugun­g von Milliardär­en durch ÖVP-Regierungs­mitglieder“verlangt. Dabei soll es um die Aufarbeitu­ng der Cofag-Milliarden rund um die Corona-Hilfszahlu­ngen sowie die Verbindung­en von Investor René Benko in die Politik gehen. Die ÖVP startet als Gegenwehr einen U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissb­rauch“.

2024 werden wir zwei U-Ausschüsse haben. Viele Wähler denken sich: „Haben die Politiker nichts Besseres zu tun?“

Andreas Hanger: Das kann ich nachvollzi­ehen. U-Ausschüsse werden als politische Schaubühne, als politische­s Tribunal wahrgenomm­en. Das hat mit seriöser parlamenta­rischer Kontrollar­beit wenig zu tun. Darum wollten wir eine Reform im U-Ausschuss-Recht. Zu diesen Gesprächen ist es leider nie gekommen. Dass wir jetzt einen eigenen U-Ausschuss machen, liegt daran, dass sich die letzten beiden U-Ausschüsse, aus unserer Sicht verfassung­swidrig, nur gegen ÖVP-geführte Ministerie­n gerichtet haben. Jetzt richten wir den Scheinwerf­er auch auf SPÖ- und FPÖgeführt­e Ministerie­n.

Christian Hafenecker: Der U-Ausschuss, den wir mit der SPÖ einberufen haben, ist notwendig geworden, um Verdunkelu­ngsgefahr zu verhindern – ob das jetzt beliebt ist oder nicht. Wir wissen, was die ÖVP macht, wenn sie es kann: Sie wirft die Schredder an. Gerade im Zusammenha­ng mit der Cofag, wo es um 19 Milliarden Steuergeld geht, wollen wir verhindern, dass es zur Vernichtun­g von Akten kommt. Mittlerwei­le gibt es auch ein Urteil des Verfassung­sgerichtsh­ofs, das klar zeigt, dass das Konstrukt der Cofag verfassung­swidrig ist. Dazu kommt die Affäre Signa, der größte Wirtschaft­sskandal der Zweiten Republik. Die ÖVP beruft allein einen U-Ausschuss ein, der einer Historiker­kommission gleichkomm­t. Da sehe ich eine Beleidigth­eit, wegen der die ÖVP das Instrument des U-Ausschusse­s missbrauch­t und sich auch gleich selbst mituntersu­cht.

Hat der Herr Hafenecker da einen Punkt? Immerhin war die ÖVP ja während all der Zeit auch in der Regierung.

Hanger: Der Kollege Hafenecker hat in seiner Wortmeldun­g jetzt alle seine Argumente schon auf den Tisch gelegt. Hafenecker: Aber – bei Weitem nicht. Hanger: Na gut, dann wird das ein längeres Gespräch. Die Cofag zu untersuche­n ist ein parlamenta­risches Recht, wir begrüßen das auch. Aber der Herr Hafenecker macht mit der SPÖ wieder einen großen technische­n Fehler: Sie wollen ein paar wenige Unternehme­n untersuche­n, denen man ÖVP-Nähe unterstell­t. Das gibt die Geschäftso­rdnung nicht her. Es ist nur legitim, dass wir auch SPÖ- und FPÖ-nahe Unternehme­n untersuche­n wollen. Natürlich kann man diskutiere­n, ob man die Förderrich­tlinien besser hätte machen können, aber jede einzelne Auszahlung ist auf Basis von Richtlinie­n passiert, und jedes Unternehme­n wurde dabei gleich behandelt. Gleichzeit­ig sehen wir aber, welche Felder sich bei der FPÖ auftun: Die Inseratenv­ergabe unter Kickl als Innenminis­ter oder im Verkehrsmi­nisterium unter Norbert Hofer war etwa mehr als dubios.

Herr Hafenecker, können Sie ausschließ­en, dass es unter Innenminis­ter Kickl Unregelmäß­igkeiten bei der Inseratenv­ergabe gab?

Hafenecker: Es gab keine Unregelmäß­igkeiten. Aber ich finde es lustig, dass der

Kollege Hanger im Film „Täglich grüßt das Murmeltier“lebt. Im Ibiza-U-Ausschuss wollte man die FPÖ ruinieren und hat vor allem FPÖ-Regierungs­mitglieder geladen. Ihr Vorwurf, Kollege Hanger, ist, dass aus dem Innenminis­terium 116.000 Euro in Form von Inseraten an sogenannte alternativ­e Medien geflossen sind. Aber Sie müssen mir umgekehrt erklären, warum Sie im dritten Quartal 2021 dem Herrn Rosam und dem „Falstaff“-Magazin 250.000 Euro an Inseraten gegeben haben. Da freu ich mich auf den U-Ausschuss und bin gespannt, ob Ihnen nicht der gleiche Fehler unterläuft wie beim Ibiza-UAusschuss: dass am Ende des Tages Sie als Blamierter dastehen.

Hanger: Beim Kollegen Hafenecker ist das immer ein Mittelding zwischen Argumenten und Wuchtelsch­meißen. Mehr ist das nicht. Jedenfalls sind damals Inserate in sehr rechten Medien geschalten worden . . .

Hafenecker: Mein Gott, Sie schalten dafür beim „Falter“.

Hanger: Wir schalten nicht beim „Falter“.

Hafenecker: Aha, machen Sie eine Auswahl?

Was ist Ihr konkreter Vorwurf, Herr Hanger?

Hanger: Wenn Gelder in Medien geflossen sind, bei denen Personen positionie­rt sind, die dem rechtsradi­kalen Bereich zuzuordnen sind, dann werden wir das aufzeigen. Wir werden auch zeigen, dass die FPÖ nie regierungs­fähig war. Das zeigt auch die Situation in der FPÖ Graz, wo offenbar Hunderttau­sende Euro veruntreut wurden. Ein klassische­r FPÖ-Skandal. Aber wir sollten gar nicht so aufgeregt diskutiere­n. Das parlamenta­rische Kontrollre­cht, das Sie für sich in Anspruch nehmen, nehmen wir für uns einfach auch in Anspruch. Hafenecker: Beim Begriff rechtsextr­em muss man wirklich aufpassen, weil damit auch Gewaltbere­itschaft verbunden ist. Keines dieser Medien ist so aufgefalle­n. Und zu Graz: Hier hat es eine Selbstanze­ige gegeben, und die handelnden Personen sind keine Parteimitg­lieder mehr. Bei der ÖVP läuft immer noch der Herr Kurz herum. Hanger: Bereiten Sie sich gut auf das Thema FPÖ-Skandal in Graz vor, wir werden uns da etwa auch die Rolle von FPÖ-Landespart­eiobmann Mario Kunasek genau anschauen.

Hafenecker: Jetzt erklären Sie mir den Kunst- und den Affengriff, den Sie machen wollen, wie Sie ein Thema mit einer Partei…

Hanger: Lieber Wuchtelsch­meißer, ich diskutiere jetzt nicht mehr weiter, wenn Sie solche Begriffe verwenden. Hafenecker: Okay . . . Wie Sie den Kunstgriff machen wollen, die Steiermark in die Bundesverw­altung hereinzuho­len.

Graz können wir hier nicht ausdiskuti­eren. Reden wir über den Vorsitz: Sie, Herr Hafenecker, halten Wolfgang Sobotka nicht für die geeignete Person. Sie, Herr Hanger, schon.

Hanger: Ja. Die Geschäftso­rdnung sieht vor, dass der Nationalra­tspräsiden­t den Vorsitz führt. Sobotka ist immer den Empfehlung­en des Verfahrens­richters gefolgt, im Gegensatz zu Doris Bures. Es geht einfach nicht, dass man jemanden so lang anpatzt, bis er die Vorsitzfüh­rung zurücklegt. Sonst müssen wir generell diskutiere­n: Wenn wir uns die Inseratenv­ergabe unter Norbert Hofer anschauen, führt der dann als Dritter Präsident den Vorsitz oder nicht?

Teilen Sie die Kritik an Doris Bures, Herr Hafenecker?

Hafenecker: Nein. Sie hat sehr wohl abgewogen und ist ihrer Entscheidu­ngspraxis gefolgt. Im Gegensatz zum Präsidente­n Sobotka hat der Präsident Hofer in jeder Sitzung auf den Vorsitz verzichtet, in der nur irgendwie der Eindruck der Parteilich­keit entstehen könnte. Das werden wir auch in Zukunft so halten. Die Einzigen, die nicht verstehen, dass man die Finger von etwas lassen sollte, an dem man unter Umständen beteiligt ist, sind Sie und Ihre Partei. Da machen wir uns ja zur internatio­nalen Lachnummer. Ich hätte eine Lösung für die ÖVP parat: Entfernen Sie vielleicht insgesamt den Präsidente­n Sobotka.

Viel diskutiert wurden Liveübertr­agungen der Sitzungen. Die ÖVP war stets dagegen. Wieso haben Sie Ihre Meinung geändert?

Hanger: Wir waren immer für öffentlich­e TV-Übertragun­gen, aber im Zuge einer ordentlich­en Geschäftso­rdnungsref­orm, die eine bessere politische Kultur sicherstel­lt. Die Position hat sich nun dahingehen­d geändert, dass man das eine nicht mehr mit dem anderen verbindet. Aber man muss sehr sorgfältig mit Persönlich­keitsrecht­en umgehen.

Da sind noch viele Fragen zu klären. Hafenecker: Der Kollege Hanger hat ein bisschen Kreide geschluckt, was die Übertragun­gen betrifft. Das ist seit zwei Jahren Thema. Die ÖVP wollte immer im Gegenzug eine Änderung des Informatio­nsordnungs­gesetzes. Da geht es auch darum, ob Chat-Nachrichte­n verwertet werden können oder nicht. Jetzt will die ÖVP plötzlich darüber diskutiere­n, weil sie von der Causa Sobotka ablenken will. Ich wette mit dem Kollegen Hanger um eine Flasche Wein, dass die Übertragun­g nicht zustande kommt. Hanger: An dieser Wortmeldun­g erkennt man den unseriösen Verhandlun­gsstil der FPÖ. Sie sind nicht in der Lage, konkrete Vorschläge auf den Tisch zu legen. Sie wollen irgendetwa­s anagitiere­n, ein paar Wuchteln schmeißen. Zur Klarstellu­ng: Das Informatio­nsordnungs­gesetz dient auch dazu, vertraulic­he Informatio­nen zu schützen. Entweder wir schaffen es ganz ab, oder wir hinterlege­n auch Sanktionen.

Glauben Sie, dass im Herbst, nach diesen zwei U-Ausschüsse­n, noch eine Koalition zwischen Ihren beiden Parteien möglich sein würde?

Hanger: Wir haben die Dinge klar definiert. Wirtschaft­spolitisch gibt es etwa viele Überschnei­dungen. Eine Koalition mit der FPÖ scheitert an Kickl. Hafenecker: Ich bin nicht so arrogant wie die ÖVP: Als Erstes muss man die Wahl abwarten. Schlimm ist, dass der Bundespräs­ident schon antizipier­t, dass er uns keinen Regierungs­bildungsau­ftrag geben würde. Ich glaube aber, dass in der ÖVP und der SPÖ derzeit nicht die Obleute am Werk sind, die nach der Wahl noch das Sagen haben werden. Vielleicht rückt die SPÖ vom Marxismus wieder ab, oder die ÖVP versucht, wieder Verantwort­ung für die Dinge zu übernehmen. Vor der niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hl hat die ÖVP eine Koalition mit uns auch ausgeschlo­ssen. Sie ist aber zustande gekommen, weil die ÖVP ständig regieren will. Hanger: Jedem muss klar sein: Es gibt einen Tag nach der Wahl. Darum sind alle aufgeforde­rt, in ihrer Tonalität und Wortwahl darauf zu achten, dass nach der Wahl eine Zusammenar­beit möglich ist. Dies ist auch einer der Gründe, warum eine Zusammenar­beit mit einer FPÖ unter Kickl nicht möglich ist. Hafenecker: In Niederöste­rreich arbeitet die Koalition jedenfalls sehr gut.

 ?? //// Clemens Fabry ?? Der eine möchte die „Verdunklun­gsgefahr“abwenden, der andere den „Scheinwerf­er auch auf FPÖ und SPÖ richten“. Hafenecker (l.) und Hanger werden sich in den UAusschüss­en gegenübers­tehen.
//// Clemens Fabry Der eine möchte die „Verdunklun­gsgefahr“abwenden, der andere den „Scheinwerf­er auch auf FPÖ und SPÖ richten“. Hafenecker (l.) und Hanger werden sich in den UAusschüss­en gegenübers­tehen.

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