»Entfernen Sie insgesamt den Präsidenten«
Im kommenden Jahr stehen zwei Untersuchungsausschüsse bevor. Der türkise Fraktionsführer, Andreas Hanger, und sein blauer Counterpart Christian Hafenecker debattieren in einem Streitgespräch über ihre jeweiligen Anliegen und die Vorsitzführung.
Das kommende Jahr dürfte mit der EU-Wahl und der Nationalratswahl nicht nur ein „Superwahljahr“werden, sondern auch ein „Super-U-AusschussJahr“: SPÖ und FPÖ haben gemeinsam einen „Untersuchungsausschuss betreffend Zwei-Klassen-Verwaltung wegen Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder“verlangt. Dabei soll es um die Aufarbeitung der Cofag-Milliarden rund um die Corona-Hilfszahlungen sowie die Verbindungen von Investor René Benko in die Politik gehen. Die ÖVP startet als Gegenwehr einen U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“.
2024 werden wir zwei U-Ausschüsse haben. Viele Wähler denken sich: „Haben die Politiker nichts Besseres zu tun?“
Andreas Hanger: Das kann ich nachvollziehen. U-Ausschüsse werden als politische Schaubühne, als politisches Tribunal wahrgenommen. Das hat mit seriöser parlamentarischer Kontrollarbeit wenig zu tun. Darum wollten wir eine Reform im U-Ausschuss-Recht. Zu diesen Gesprächen ist es leider nie gekommen. Dass wir jetzt einen eigenen U-Ausschuss machen, liegt daran, dass sich die letzten beiden U-Ausschüsse, aus unserer Sicht verfassungswidrig, nur gegen ÖVP-geführte Ministerien gerichtet haben. Jetzt richten wir den Scheinwerfer auch auf SPÖ- und FPÖgeführte Ministerien.
Christian Hafenecker: Der U-Ausschuss, den wir mit der SPÖ einberufen haben, ist notwendig geworden, um Verdunkelungsgefahr zu verhindern – ob das jetzt beliebt ist oder nicht. Wir wissen, was die ÖVP macht, wenn sie es kann: Sie wirft die Schredder an. Gerade im Zusammenhang mit der Cofag, wo es um 19 Milliarden Steuergeld geht, wollen wir verhindern, dass es zur Vernichtung von Akten kommt. Mittlerweile gibt es auch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs, das klar zeigt, dass das Konstrukt der Cofag verfassungswidrig ist. Dazu kommt die Affäre Signa, der größte Wirtschaftsskandal der Zweiten Republik. Die ÖVP beruft allein einen U-Ausschuss ein, der einer Historikerkommission gleichkommt. Da sehe ich eine Beleidigtheit, wegen der die ÖVP das Instrument des U-Ausschusses missbraucht und sich auch gleich selbst mituntersucht.
Hat der Herr Hafenecker da einen Punkt? Immerhin war die ÖVP ja während all der Zeit auch in der Regierung.
Hanger: Der Kollege Hafenecker hat in seiner Wortmeldung jetzt alle seine Argumente schon auf den Tisch gelegt. Hafenecker: Aber – bei Weitem nicht. Hanger: Na gut, dann wird das ein längeres Gespräch. Die Cofag zu untersuchen ist ein parlamentarisches Recht, wir begrüßen das auch. Aber der Herr Hafenecker macht mit der SPÖ wieder einen großen technischen Fehler: Sie wollen ein paar wenige Unternehmen untersuchen, denen man ÖVP-Nähe unterstellt. Das gibt die Geschäftsordnung nicht her. Es ist nur legitim, dass wir auch SPÖ- und FPÖ-nahe Unternehmen untersuchen wollen. Natürlich kann man diskutieren, ob man die Förderrichtlinien besser hätte machen können, aber jede einzelne Auszahlung ist auf Basis von Richtlinien passiert, und jedes Unternehmen wurde dabei gleich behandelt. Gleichzeitig sehen wir aber, welche Felder sich bei der FPÖ auftun: Die Inseratenvergabe unter Kickl als Innenminister oder im Verkehrsministerium unter Norbert Hofer war etwa mehr als dubios.
Herr Hafenecker, können Sie ausschließen, dass es unter Innenminister Kickl Unregelmäßigkeiten bei der Inseratenvergabe gab?
Hafenecker: Es gab keine Unregelmäßigkeiten. Aber ich finde es lustig, dass der
Kollege Hanger im Film „Täglich grüßt das Murmeltier“lebt. Im Ibiza-U-Ausschuss wollte man die FPÖ ruinieren und hat vor allem FPÖ-Regierungsmitglieder geladen. Ihr Vorwurf, Kollege Hanger, ist, dass aus dem Innenministerium 116.000 Euro in Form von Inseraten an sogenannte alternative Medien geflossen sind. Aber Sie müssen mir umgekehrt erklären, warum Sie im dritten Quartal 2021 dem Herrn Rosam und dem „Falstaff“-Magazin 250.000 Euro an Inseraten gegeben haben. Da freu ich mich auf den U-Ausschuss und bin gespannt, ob Ihnen nicht der gleiche Fehler unterläuft wie beim Ibiza-UAusschuss: dass am Ende des Tages Sie als Blamierter dastehen.
Hanger: Beim Kollegen Hafenecker ist das immer ein Mittelding zwischen Argumenten und Wuchtelschmeißen. Mehr ist das nicht. Jedenfalls sind damals Inserate in sehr rechten Medien geschalten worden . . .
Hafenecker: Mein Gott, Sie schalten dafür beim „Falter“.
Hanger: Wir schalten nicht beim „Falter“.
Hafenecker: Aha, machen Sie eine Auswahl?
Was ist Ihr konkreter Vorwurf, Herr Hanger?
Hanger: Wenn Gelder in Medien geflossen sind, bei denen Personen positioniert sind, die dem rechtsradikalen Bereich zuzuordnen sind, dann werden wir das aufzeigen. Wir werden auch zeigen, dass die FPÖ nie regierungsfähig war. Das zeigt auch die Situation in der FPÖ Graz, wo offenbar Hunderttausende Euro veruntreut wurden. Ein klassischer FPÖ-Skandal. Aber wir sollten gar nicht so aufgeregt diskutieren. Das parlamentarische Kontrollrecht, das Sie für sich in Anspruch nehmen, nehmen wir für uns einfach auch in Anspruch. Hafenecker: Beim Begriff rechtsextrem muss man wirklich aufpassen, weil damit auch Gewaltbereitschaft verbunden ist. Keines dieser Medien ist so aufgefallen. Und zu Graz: Hier hat es eine Selbstanzeige gegeben, und die handelnden Personen sind keine Parteimitglieder mehr. Bei der ÖVP läuft immer noch der Herr Kurz herum. Hanger: Bereiten Sie sich gut auf das Thema FPÖ-Skandal in Graz vor, wir werden uns da etwa auch die Rolle von FPÖ-Landesparteiobmann Mario Kunasek genau anschauen.
Hafenecker: Jetzt erklären Sie mir den Kunst- und den Affengriff, den Sie machen wollen, wie Sie ein Thema mit einer Partei…
Hanger: Lieber Wuchtelschmeißer, ich diskutiere jetzt nicht mehr weiter, wenn Sie solche Begriffe verwenden. Hafenecker: Okay . . . Wie Sie den Kunstgriff machen wollen, die Steiermark in die Bundesverwaltung hereinzuholen.
Graz können wir hier nicht ausdiskutieren. Reden wir über den Vorsitz: Sie, Herr Hafenecker, halten Wolfgang Sobotka nicht für die geeignete Person. Sie, Herr Hanger, schon.
Hanger: Ja. Die Geschäftsordnung sieht vor, dass der Nationalratspräsident den Vorsitz führt. Sobotka ist immer den Empfehlungen des Verfahrensrichters gefolgt, im Gegensatz zu Doris Bures. Es geht einfach nicht, dass man jemanden so lang anpatzt, bis er die Vorsitzführung zurücklegt. Sonst müssen wir generell diskutieren: Wenn wir uns die Inseratenvergabe unter Norbert Hofer anschauen, führt der dann als Dritter Präsident den Vorsitz oder nicht?
Teilen Sie die Kritik an Doris Bures, Herr Hafenecker?
Hafenecker: Nein. Sie hat sehr wohl abgewogen und ist ihrer Entscheidungspraxis gefolgt. Im Gegensatz zum Präsidenten Sobotka hat der Präsident Hofer in jeder Sitzung auf den Vorsitz verzichtet, in der nur irgendwie der Eindruck der Parteilichkeit entstehen könnte. Das werden wir auch in Zukunft so halten. Die Einzigen, die nicht verstehen, dass man die Finger von etwas lassen sollte, an dem man unter Umständen beteiligt ist, sind Sie und Ihre Partei. Da machen wir uns ja zur internationalen Lachnummer. Ich hätte eine Lösung für die ÖVP parat: Entfernen Sie vielleicht insgesamt den Präsidenten Sobotka.
Viel diskutiert wurden Liveübertragungen der Sitzungen. Die ÖVP war stets dagegen. Wieso haben Sie Ihre Meinung geändert?
Hanger: Wir waren immer für öffentliche TV-Übertragungen, aber im Zuge einer ordentlichen Geschäftsordnungsreform, die eine bessere politische Kultur sicherstellt. Die Position hat sich nun dahingehend geändert, dass man das eine nicht mehr mit dem anderen verbindet. Aber man muss sehr sorgfältig mit Persönlichkeitsrechten umgehen.
Da sind noch viele Fragen zu klären. Hafenecker: Der Kollege Hanger hat ein bisschen Kreide geschluckt, was die Übertragungen betrifft. Das ist seit zwei Jahren Thema. Die ÖVP wollte immer im Gegenzug eine Änderung des Informationsordnungsgesetzes. Da geht es auch darum, ob Chat-Nachrichten verwertet werden können oder nicht. Jetzt will die ÖVP plötzlich darüber diskutieren, weil sie von der Causa Sobotka ablenken will. Ich wette mit dem Kollegen Hanger um eine Flasche Wein, dass die Übertragung nicht zustande kommt. Hanger: An dieser Wortmeldung erkennt man den unseriösen Verhandlungsstil der FPÖ. Sie sind nicht in der Lage, konkrete Vorschläge auf den Tisch zu legen. Sie wollen irgendetwas anagitieren, ein paar Wuchteln schmeißen. Zur Klarstellung: Das Informationsordnungsgesetz dient auch dazu, vertrauliche Informationen zu schützen. Entweder wir schaffen es ganz ab, oder wir hinterlegen auch Sanktionen.
Glauben Sie, dass im Herbst, nach diesen zwei U-Ausschüssen, noch eine Koalition zwischen Ihren beiden Parteien möglich sein würde?
Hanger: Wir haben die Dinge klar definiert. Wirtschaftspolitisch gibt es etwa viele Überschneidungen. Eine Koalition mit der FPÖ scheitert an Kickl. Hafenecker: Ich bin nicht so arrogant wie die ÖVP: Als Erstes muss man die Wahl abwarten. Schlimm ist, dass der Bundespräsident schon antizipiert, dass er uns keinen Regierungsbildungsauftrag geben würde. Ich glaube aber, dass in der ÖVP und der SPÖ derzeit nicht die Obleute am Werk sind, die nach der Wahl noch das Sagen haben werden. Vielleicht rückt die SPÖ vom Marxismus wieder ab, oder die ÖVP versucht, wieder Verantwortung für die Dinge zu übernehmen. Vor der niederösterreichischen Landtagswahl hat die ÖVP eine Koalition mit uns auch ausgeschlossen. Sie ist aber zustande gekommen, weil die ÖVP ständig regieren will. Hanger: Jedem muss klar sein: Es gibt einen Tag nach der Wahl. Darum sind alle aufgefordert, in ihrer Tonalität und Wortwahl darauf zu achten, dass nach der Wahl eine Zusammenarbeit möglich ist. Dies ist auch einer der Gründe, warum eine Zusammenarbeit mit einer FPÖ unter Kickl nicht möglich ist. Hafenecker: In Niederösterreich arbeitet die Koalition jedenfalls sehr gut.