»Schauspielen ist mir passiert«
In »Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes« ist die US-Schauspielerin und LGBTQ-Aktivistin Hunter Schafer erstmals in einer Kinorolle zu sehen. Was sie über ihre Rolle denkt und wieso sie wieder Fleisch isst, erzählt die 24-Jährige im In
Ihre erste Rolle als Schauspielerin in der erfolgreichen und kontrovers diskutierten Serie „Euphoria“machte Hunter Schafer über Nacht bekannt. Seither stand sie für Regisseure wie Yorgos Lanthimos oder David Lowery vor der Kamera und inszenierte selbst Musikvideos.
Aktuell ist die 24-Jährige in der Bestseller-Verfilmung „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“erstmals auf der Kinoleinwand zu sehen. Die „Presse am Sonntag“traf sie anlässlich der Berliner Premiere zum Interview.
Ms. Schafer, willkommen zurück in Berlin. Für die Dreharbeiten zu „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“haben Sie ja ziemlich viel Zeit hier verbracht, oder?
Hunter Schafer: Stimmt, der Großteil unseres Drehs fand hier statt. Aber wir haben natürlich so viel gearbeitet, dass ich von Berlin längst nicht so viel gesehen habe, wie ich es gern getan hätte. Das, was ich von der Stadt kenne, liebe ich allerdings sehr.
Zum Beispiel?
Feiern gehen in Berlin ist wirklich großartig. Die Techno-Szene der Stadt ist nicht umsonst weltberühmt. Perfekt zum Abschalten nach einer stressigen Drehwoche. Außerdem bin ich ganz begeistert, wie viele richtig gute vietnamesische Restaurants es hier gibt. Und ich bin auch ein Fan einer guten Currywurst. Überhaupt muss ich zugeben, dass meine Zeit in Deutschland schuld daran ist, dass ich nach sieben Jahren wieder angefangen habe, Fleisch zu essen. Und das sage ich ganz ohne Bedauern!
Es ist 15 Jahre her, dass der erste „Tribute von Panem“-Roman veröffentlicht wurde. Haben Sie einen Bezug zu dieser Reihe, die dann ja auch erfolgreich mit Jennifer Lawrence verfilmt wurde und zu der Ihr Film nun die Vorgeschichte erzählt?
Klar, ich habe die Bücher gelesen, als ich in der Mittelstufe war. Mein halber Freundeskreis war damals Fan dieser Geschichten, also war es nur logisch, dass ich sie auch lese. Besonders begeistert hat mich, dass ich das Gefühl hatte, einen Roman für Erwachsene zu lesen. Die Geschichte war nicht so kindlich wie in anderen Büchern für junge Leserinnen und Leser, sondern richtig brutal und ernst. Ich fühlte mich plötzlich sehr reif! Ich war sogar so großer „Panem“-Fan, dass ich mich in einem Jahr an Halloween mal als KapitolBewohnerin verkleidet habe.
Sie spielen Tigris, die Cousine des Protagonisten Coriolanus Snow. Was hat Sie an der Rolle gereizt?
Vor allem mochte ich, dass sie so praktisch und pragmatisch ist. Als wir sie und ihren Cousin Snow kennenlernen, lebt die Familie ja praktisch in Armut. Aber weil sie so geschickt und handwerklich begabt ist, gelingt es ihr, dass sie trotzdem noch Teil des gesellschaftlichen Lebens im Kapitol sind. Die Knöpfe für das Hemd ihres Cousins bastelt sie zum Beispiel aus Mosaiksteinchen, die sie in der Dusche aus der Wand klopft. Dieses Talent, ganz alltägliche Dinge in etwas Wunderschönes zu verwandeln, war etwas, das mich als kreative Person sehr angesprochen hat.
Ein wenig ist Tigris in dieser ziemlich düsteren Geschichte auch eine aufrechte, hellsichtige Stimme der Vernunft, oder?
Ja, und sie sieht sehr klar, was um sie herum geschieht. Dass sie trotz all der Tragik und Not in ihrem Leben nie in Hoffnungslosigkeit verfällt, hat mich beim Lesen des Drehbuchs sehr berührt. Das bewundere ich sehr an Menschen, auch im echten Leben.
Dass auch „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“keine leichtfüßige Teenie-Angelegenheit ist, versteht sich von selbst. Wie würden Sie die Themen umreißen, um die es in dieser Dystopie wirklich geht?
Im Fokus steht sicherlich die Frage nach der menschlichen Natur: Sind wir alle von Grund auf gut oder doch böse? Diese Frage stelle ich mir selbst auch oft, nicht zuletzt, wenn ich mir angucke, was überall auf der Welt gerade so passiert. Selbstsucht oder Selbstlosigkeit – was liegt uns Menschen näher? Und wo liegen wirklich die Wurzeln unserer Moralvorstellungen? Über solche Dinge könnte ich mir ewig Gedanken machen.
Zu Silvester feiern Sie Ihren 25. Geburtstag, Ihr erster Schauspiel-Job in der Serie „Euphoria“ist noch keine fünf Jahre her. Wann haben Sie diesen Beruf eigentlich für sich entdeckt?
Eigentlich habe ich mich nie bewusst für diesen Beruf entschieden. Nach der Schule habe ich ja zunächst vor allem als Model gearbeitet, und die Schauspielerei ist mir dann eher zufällig passiert, um es mal so auszudrücken. Und das ist auch noch immer so. Vor der Kamera zu stehen und zu spielen ist die schönste Erfahrung, die ich bislang machen durfte. Aber darf ich mich überhaupt Schauspielerin nennen, wenn ich in diese Kunst nur so reingestolpert bin? Bis heute hatte ich jedenfalls noch nicht diesen Moment, an dem ich beschlossen habe: Das ist es jetzt, diesen Job will ich bis an mein Lebensende machen. Wenn es aber doch so kommt, hätte ich rein gar nichts dagegen. Denn von morgens bis abends so zu tun als ob und in andere Welten abtauchen zu dürfen und dafür auch noch bezahlt zu werden – das liebe ich als künstlerisch veranlagter Mensch wirklich sehr.
Nicht zuletzt „Euphoria“brachte Ihnen dann auch sehr schnell eine große Popularität ein. Fühlen Sie sich damit wohl?
Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Aber ich brauchte eine Weile, bis ich damit wirklich klargekommen bin. Ich musste erst einmal verstehen, was es bedeutet, wenn andere Menschen plötzlich wissen, wer ich bin. Es ist gar nicht so sehr, dass sich dadurch mein Leben an sich verändert hat. Ich selbst fühlte mich kaum anders als vorher, aber die Welt sah mich nun eben mit anderen Augen. Sich damit zu arrangieren, geht nicht von heute auf morgen. Inzwischen kann ich das aber auch sehr genießen.
Auch die Tatsache, dass Sie als Trans-Schauspielerin natürlich innerhalb der LGBTQCommunity ein echtes Vorbild sind?
Anfangs hatte ich davor wirklich ein bisschen Angst. Denn wie soll ich ein Vorbild für andere sein, wenn ich selbst immer noch damit beschäftigt damit bin, meine Persönlichkeit zu formen und herauszufinden, was ich vom Leben will? Mit der Zeit habe ich mich aber an den Gedanken gewöhnt. Auch weil mir bewusst wurde, wie bedeutsam es für mich als Schülerin gewesen wäre, jemanden wie mich in der Öffentlichkeit zu sehen. Das ist schon etwas sehr Besonderes, das ich auch nicht auf die leichte Schulter nehme.