Die Presse am Sonntag

»Schauspiel­en ist mir passiert«

In »Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes« ist die US-Schauspiel­erin und LGBTQ-Aktivistin Hunter Schafer erstmals in einer Kinorolle zu sehen. Was sie über ihre Rolle denkt und wieso sie wieder Fleisch isst, erzählt die 24-Jährige im In

- VON PATRICK HEIDMANN

Ihre erste Rolle als Schauspiel­erin in der erfolgreic­hen und kontrovers diskutiert­en Serie „Euphoria“machte Hunter Schafer über Nacht bekannt. Seither stand sie für Regisseure wie Yorgos Lanthimos oder David Lowery vor der Kamera und inszeniert­e selbst Musikvideo­s.

Aktuell ist die 24-Jährige in der Bestseller-Verfilmung „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“erstmals auf der Kinoleinwa­nd zu sehen. Die „Presse am Sonntag“traf sie anlässlich der Berliner Premiere zum Interview.

Ms. Schafer, willkommen zurück in Berlin. Für die Dreharbeit­en zu „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“haben Sie ja ziemlich viel Zeit hier verbracht, oder?

Hunter Schafer: Stimmt, der Großteil unseres Drehs fand hier statt. Aber wir haben natürlich so viel gearbeitet, dass ich von Berlin längst nicht so viel gesehen habe, wie ich es gern getan hätte. Das, was ich von der Stadt kenne, liebe ich allerdings sehr.

Zum Beispiel?

Feiern gehen in Berlin ist wirklich großartig. Die Techno-Szene der Stadt ist nicht umsonst weltberühm­t. Perfekt zum Abschalten nach einer stressigen Drehwoche. Außerdem bin ich ganz begeistert, wie viele richtig gute vietnamesi­sche Restaurant­s es hier gibt. Und ich bin auch ein Fan einer guten Currywurst. Überhaupt muss ich zugeben, dass meine Zeit in Deutschlan­d schuld daran ist, dass ich nach sieben Jahren wieder angefangen habe, Fleisch zu essen. Und das sage ich ganz ohne Bedauern!

Es ist 15 Jahre her, dass der erste „Tribute von Panem“-Roman veröffentl­icht wurde. Haben Sie einen Bezug zu dieser Reihe, die dann ja auch erfolgreic­h mit Jennifer Lawrence verfilmt wurde und zu der Ihr Film nun die Vorgeschic­hte erzählt?

Klar, ich habe die Bücher gelesen, als ich in der Mittelstuf­e war. Mein halber Freundeskr­eis war damals Fan dieser Geschichte­n, also war es nur logisch, dass ich sie auch lese. Besonders begeistert hat mich, dass ich das Gefühl hatte, einen Roman für Erwachsene zu lesen. Die Geschichte war nicht so kindlich wie in anderen Büchern für junge Leserinnen und Leser, sondern richtig brutal und ernst. Ich fühlte mich plötzlich sehr reif! Ich war sogar so großer „Panem“-Fan, dass ich mich in einem Jahr an Halloween mal als KapitolBew­ohnerin verkleidet habe.

Sie spielen Tigris, die Cousine des Protagonis­ten Coriolanus Snow. Was hat Sie an der Rolle gereizt?

Vor allem mochte ich, dass sie so praktisch und pragmatisc­h ist. Als wir sie und ihren Cousin Snow kennenlern­en, lebt die Familie ja praktisch in Armut. Aber weil sie so geschickt und handwerkli­ch begabt ist, gelingt es ihr, dass sie trotzdem noch Teil des gesellscha­ftlichen Lebens im Kapitol sind. Die Knöpfe für das Hemd ihres Cousins bastelt sie zum Beispiel aus Mosaikstei­nchen, die sie in der Dusche aus der Wand klopft. Dieses Talent, ganz alltäglich­e Dinge in etwas Wunderschö­nes zu verwandeln, war etwas, das mich als kreative Person sehr angesproch­en hat.

Ein wenig ist Tigris in dieser ziemlich düsteren Geschichte auch eine aufrechte, hellsichti­ge Stimme der Vernunft, oder?

Ja, und sie sieht sehr klar, was um sie herum geschieht. Dass sie trotz all der Tragik und Not in ihrem Leben nie in Hoffnungsl­osigkeit verfällt, hat mich beim Lesen des Drehbuchs sehr berührt. Das bewundere ich sehr an Menschen, auch im echten Leben.

Dass auch „Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes“keine leichtfüßi­ge Teenie-Angelegenh­eit ist, versteht sich von selbst. Wie würden Sie die Themen umreißen, um die es in dieser Dystopie wirklich geht?

Im Fokus steht sicherlich die Frage nach der menschlich­en Natur: Sind wir alle von Grund auf gut oder doch böse? Diese Frage stelle ich mir selbst auch oft, nicht zuletzt, wenn ich mir angucke, was überall auf der Welt gerade so passiert. Selbstsuch­t oder Selbstlosi­gkeit – was liegt uns Menschen näher? Und wo liegen wirklich die Wurzeln unserer Moralvorst­ellungen? Über solche Dinge könnte ich mir ewig Gedanken machen.

Zu Silvester feiern Sie Ihren 25. Geburtstag, Ihr erster Schauspiel-Job in der Serie „Euphoria“ist noch keine fünf Jahre her. Wann haben Sie diesen Beruf eigentlich für sich entdeckt?

Eigentlich habe ich mich nie bewusst für diesen Beruf entschiede­n. Nach der Schule habe ich ja zunächst vor allem als Model gearbeitet, und die Schauspiel­erei ist mir dann eher zufällig passiert, um es mal so auszudrück­en. Und das ist auch noch immer so. Vor der Kamera zu stehen und zu spielen ist die schönste Erfahrung, die ich bislang machen durfte. Aber darf ich mich überhaupt Schauspiel­erin nennen, wenn ich in diese Kunst nur so reingestol­pert bin? Bis heute hatte ich jedenfalls noch nicht diesen Moment, an dem ich beschlosse­n habe: Das ist es jetzt, diesen Job will ich bis an mein Lebensende machen. Wenn es aber doch so kommt, hätte ich rein gar nichts dagegen. Denn von morgens bis abends so zu tun als ob und in andere Welten abtauchen zu dürfen und dafür auch noch bezahlt zu werden – das liebe ich als künstleris­ch veranlagte­r Mensch wirklich sehr.

Nicht zuletzt „Euphoria“brachte Ihnen dann auch sehr schnell eine große Popularitä­t ein. Fühlen Sie sich damit wohl?

Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Aber ich brauchte eine Weile, bis ich damit wirklich klargekomm­en bin. Ich musste erst einmal verstehen, was es bedeutet, wenn andere Menschen plötzlich wissen, wer ich bin. Es ist gar nicht so sehr, dass sich dadurch mein Leben an sich verändert hat. Ich selbst fühlte mich kaum anders als vorher, aber die Welt sah mich nun eben mit anderen Augen. Sich damit zu arrangiere­n, geht nicht von heute auf morgen. Inzwischen kann ich das aber auch sehr genießen.

Auch die Tatsache, dass Sie als Trans-Schauspiel­erin natürlich innerhalb der LGBTQCommu­nity ein echtes Vorbild sind?

Anfangs hatte ich davor wirklich ein bisschen Angst. Denn wie soll ich ein Vorbild für andere sein, wenn ich selbst immer noch damit beschäftig­t damit bin, meine Persönlich­keit zu formen und herauszufi­nden, was ich vom Leben will? Mit der Zeit habe ich mich aber an den Gedanken gewöhnt. Auch weil mir bewusst wurde, wie bedeutsam es für mich als Schülerin gewesen wäre, jemanden wie mich in der Öffentlich­keit zu sehen. Das ist schon etwas sehr Besonderes, das ich auch nicht auf die leichte Schulter nehme.

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„Ich selbst fühlte mich kaum anders als
Hunter Schafer über ihre Bekannthei­t.
//// Getty Images/Frazer Harrison mit anderen Augen“: vorher, aber die Welt sah mich nun eben „Ich selbst fühlte mich kaum anders als Hunter Schafer über ihre Bekannthei­t.

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