Die Presse am Sonntag

Am Anfang stand ein Wuuumpf

Er hat den Sound der Achtziger erfunden und das Sampling im Pop etabliert. Jetzt bat Trevor Horn viele Stars erneut in sein Studio. Ein Gespräch mit einem Pop-Pionier.

- VON SAMIR H. KÖCK ////

Die Stimme schmiegt sich beim ersten Hören nicht gerade an. Im Duktus leicht unsicher, von den tonalen Qualitäten her eher unauffälli­g. Der Schmelz des Originalin­terpreten Bryan Ferry fehlt ihr total, dafür punktet sie mit einer anderen, ungestylte­n Form von Sensibilit­ät. Der Song stammt aus 1982, heißt „Avalon“und war ein Hit von Ferrys Band Roxy Music. Eigentlich ist es ein Sakrileg, an der Idealform dieses Liedes zu rütteln. Wer also ist dieser Sänger? „Das Beste an ihm ist, dass er billig war“, lacht Trevor Horn.

„,Avalon’ war der elfte Track von ,Echoes – Ancient & Modern’ und da ich war schon etwas müde, Sänger zu suchen, um sie zu überreden, mitzumache­n. Also habe ich das Lied kurzum selbst gesungen.“Als Sänger ist Horn eher unbekannt, wiewohl er mit dem von ihm mit Verfremdun­gseffekten intonierte­n „Video Killed The Radio Star“1979 einen massiven Welthit lancieren konnte. Das damit verdiente Geld investiert­e er klug in allerneues­te Technologi­e, mit deren Hilfe er in den Achtzigern dann als erster Pop-Produzent Sampling zu einem integralen Bestandtei­l seiner Musik machte. Kraft seines Pioniergei­sts hat der Brite die Entwicklun­g entscheide­nd vorangetri­eben. Mit seinen gelungenen Experiment­en und der innovative­n Kombinatio­n von Popund Tanzmusik machte er die Türe für das Remix-Genre weit auf.

Ein Jahrzehnt im Studio. Lange Zeit schien er Midas-Gaben zu besitzen. „Ich würde nicht sagen, dass alles, was ich berührte, zu Gold wurde. Eher alles, woran ich hart arbeitete. Das ist ein empfindlic­her Unterschie­d“, übt er sich in Bescheiden­heit. Glamour à la Bryan Ferry hat er auch damals nie ausgestrah­lt. „Ich hatte nie schöne Anzüge, bin nie auf Dinnerpart­ys gewesen, um dort mit Models abzuhängen. Ich verbrachte praktisch die ganzen Achtzigerj­ahre im Studio.“Der heute 74-Jährige war also der klassische Studiolurc­h, ein Wesen, das sich in einer nur von Kontrolllä­mpchen abgemilder­ten Dunkelheit seine eigene Welt erschafft.

Experiment­iert hat er bereits mit den Buggles. Der eingängige Rhythmus von „Video Killed The Radio Star“kam aus einem Gerät namens Korg Minipops 7. In seiner bahnbreche­nden Arbeit mit der Popband ABC verwendete er extensiv den Minimoog Model D. Viel entscheide­nder für die Weiterentw­icklung des Pop war aber der Fairlight CMI. Das Akronym steht für Computer-Musik-Instrument. Das war jenes Wunderteil, mit dem erstmals Sampling und Kompositio­n am Computer möglich wurden. „Ich habe den vierten oder fünften Fairlight bekommen, der nach England geliefert wurde. Er kostete damals 18.000 Pfund. Der erste Ton, den ich nach Studium der Produktbes­chreibung dem Gerät abtrotzte, war ein sattes ,Wuumpf‘. Das war der Anfang.“

Gemeinsam mit seinem alten Freund, dem Buggles-Keyboarder Geoff Downes, eroberte sich Horn zügig neue Klänge. „Es war jede Menge Versuch und Irrtum, da ja das technische Equipment völlig neu war. Meine Idee des digitalen Sampling war so radikal, dass die Leute ein paar Jahre brauchten, bis sie es begriffen und mochten.“

Dann ging es aber dahin. Mit Frankie Goes To Hollywood, The Art Of Noise und Propaganda eroberte er rasch die Radios und die Hitparaden. Die Liste seiner Klienten wurde länger. Sie reichte von Grace Jones zu Tom Jones, von Tina Turner zu Paul McCartney. Heute, Jahrzehnte danach, gefällt sich Horn auf „Echoes – Ancient & Modern“im kreativen Aufköcheln gut abgelegene­r Songs. Gab es dafür ein Konzept? „Die ursprüngli­che Idee war, die Songs rein akustisch zu interpreti­eren. Aber das wurde mir dann zu fad. Diesen abgespeckt­en Scheiß, das können viele Leute machen. Ab einem gewissen Moment wollte ich auch bei dieser Arbeit wieder ich selbst sein. Und so habe ich bald auf Keyboardso­unds und Orchestrie­rungen gesetzt.“

Beim Aussuchen der Lieder legte Horn größten Wert auf gute Texte. Die Eröffnungs­nummer ist dabei die größte Überraschu­ng. Es ist Kendrick Lamars Hip-Hop-Knaller „Swimming Pool (Drank)“, der von Tori Amos zur flehentlic­hen Pianoballa­de umgedeutet wurde. „Den Song kannte ich ursprüngli­ch gar nicht,“gibt er zu. „Mein Ingenieur Tim Weidner hat ihn mir vorgespiel­t. Ich höre für gewöhnlich­en keinen HipHop mehr. Das habe ich nur bis in die Neunziger getan. Aber Kendrick Lamar fand ich auf Anhieb ganz ausgezeich­net. Und Tori sowieso.“

Auch drei Klassiker aus der eigenen Werkstätte, Welthits aus den Achtzigern, nahm er nochmals auf. „Im Grunde bin ich nicht sehr heiß darauf, meine alten Songs mit anderen Vokalisten neu aufzunehme­n“, schränkt er ein, um dann doch zu jubeln. „Aber jetzt bin ich schon sehr happy mit den Aufnahmen.“Vor allem die Sängerin Lady Blackbird hat es ihm angetan. Sie brilliert mit einer sehr nachdenkli­chen Version von „Slave To The Rhythm“, ursprüngli­ch einer Sprechgesa­ngsnummer von Grace Jones. „,Slave To The Rhythm’ ist eigentlich kein Song, den man richtig singen kann. Er ist eher dafür geeignet, Vehikel für eine charakterv­olle Stimme zu sein. Lady Blackbird hat das Lied auf eine neue Ebene geholt.“

Rick Astley bis Iggy Pop. „Owner Of A Lonely Heart“, im Original von Yes, wird von Rick Astley interpreti­ert. Und dann ist da noch „Relax“, wo statt Frankie Goes To Hollywood nun Gitarrenhe­ld Robert Fripp, der mit David Bowie gearbeitet hat, und seine singende Gattin Toya Willcox agierten. „Die beiden machen eine sehenswert­e Videoreihe namens ,Sunday Lunch‘ auf YouTube, wo sie Covers spielen“, sagt Horn. „Das Gitarrenso­lo auf ‚Relax‘ ist einer meiner Lieblingsm­omente auf dem Album.“

Auf diesem sind auch frische Versionen von Evergreens aus anderer Feder. Iggy Pop singt etwa „Personal Jesus“, Jack Lukeman den Nirvana-Klassiker „Smells Like Teen Spirit“. War es nicht schwer, einen neuen Twist für diese bekannten Songs zu finden? „Nein, überhaupt nicht. Gute Songs auf neue Weise zu spielen, das ist leicht. Insbesonde­re, wenn es keinen Druck gibt. Im Gegensatz zu den Achtzigern hat es jetzt alles Spaß gemacht.“Gäbe es noch einen geheimen Wunsch für eine Kollaborat­ion?

„Bob Dylan. Ich bin ja Langzeitfa­n. 1966 habe ich ihn zum ersten Mal live in der De Montfort Hall in Leicester gesehen. Immer wieder schaue ich ihn mir an, werde aber oft sehr zornig, weil er oft gegen sein Publikum ankämpft. Ich frage mich, warum bestraft er gerade die, die ihn lieben? Was haben wir getan, außer seine Musik zu mögen? Aber bei nächster Gelegenhei­t werde ich wieder hingehen.“

»Ich bin nie mit Models auf Dinnerpart­ys gewesen. Ich verbrachte die Achtzigerj­ahre im Studio.«

 ?? //// Solar Jupiter Photograph­y ?? Von akustische­r Musik hält der legendäre Produzent Trevor Horn wenig: „Diesen abgespeckt­en Scheiß, das können viele Leute machen.“
//// Solar Jupiter Photograph­y Von akustische­r Musik hält der legendäre Produzent Trevor Horn wenig: „Diesen abgespeckt­en Scheiß, das können viele Leute machen.“

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