Im Bann der arabischen Künstlerinnen
Von politischen Konflikten war hier fast nichts zu spüren: Bei ungetrübter Hochstimmung ging die Abu Dhabi Art zu Ende. Das Interesse an der Kunstmesse war heuer größer als je zuvor. Sie bringt auch abseits der Messezentrums Kunst in die Wüstenstadt.
Zartrosa, mit betörendem Duft, ist die Damaszener Rosa eine ältesten bekannten Rosenarten. In Syrien gehört sie zum kulturellen Erbe des Landes. Aber seit 2011 herrschen in Syrien kriegsähnliche Zustände, was nicht nur das Land in Chaos und die Bevölkerung in Not stürzt, sondern auch diese Rosen bedroht: Durch die Verwüstungen verlieren sie ihren Lebensraum. Dieses traurige Faktum greift die kurdische Künstlerin Fatma Bucak in ihrer „Damascus Rose“-Serie auf, wenn sie „I do smell war“unter die in der blutroten Fläche verblassende Blüte schreibt. Zu sehen ist das Werk am Stand der Istanbuler
Im Fokus steht die Kunst der Region: Kaum ein wichtiger Sammler des Nahen Ostens fehlt hier.
Galerie Pi Artworks bei der Abu Dhabi Art. Es ist eines der wenigen Werke mit politischem Hintergrund, die Unruhen der Region sind sonst auf der Messe am Arabischen Golf kaum zu spüren. Seit 2020 besteht das AbrahamAbkommen zwischen den Emiraten und Israel, statt Konflikten und Kritik soll Toleranz gegenüber dem Nachbarland vorherrschen – auch in dieser schweren Zeit. Zwar eröffnete im Nachbaremirat Dubai gerade im Galerienviertel Alserkal Avenue die große Ausstellung „On this Land“mit 100 Werken palästinensischer Künstler. Aber auf der Messe in Abu Dhabi sind solche Solidaritätszeichen kaum zu finden.
Wandteppiche überall. Stattdessen herrscht ungetrübte Hochstimmung in dem Kulturzentrum Manaret al-Saadiyat vor. Denn an dieser 15. Ausgabe nimmt heuer die Rekordzahl von 92 Galerien aus 31 Ländern teil. Sie setzen einen klaren Fokus auf die Kunst der Region – und das zieht mehr Besucher an als je zuvor. Kaum ein wichtiger Sammler des Nahen Ostens fehlt, vor allem die regionalen Galerien verzeichneten hohes Interesse. Denn die Messe fungiert auch als Ort, um sich über den Stand der aktuellen Kunst zu informieren – und der steht hier deutlich im Zeichen von Künstlerinnen. In der Sektion für Emerging Artists thematisiert Almaha Jaralla die „Petro-Moderne“mit Fotografien alter lokaler 1970er-Jahre-Architekturen, dazu beeindruckende, düstere, mit Öl gemalte Landschaften. Latifa Saeed konstruiert faszinierende Apparate zum Phänomen der „Dust Devils“, Minitornados in der Wüste.
Ein Besuchermagnet ist die Sektion „Arabische Künstlerinnen“mit zwölf Galerien, darunter auch die Wiener Galerie Krinzinger mit den malerisch überarbeiteten Fotografien von Radhika Khimji. Gleich verkauft waren einige von Aliaa Elgreadys farbenfrohen Wandobjekten aus Textilien (Gallery Misr, Kario) – wie überhaupt tapisserieähnliche Werke hier ein erstaunliches Comeback feiern. Bei 14.000 Euro beginnen die Preise für die wie Tafelbilder angelegten Wandteppiche von Nino Kipshidze. Es sind Stillleben, Landschaften, auf Samt genäht, was den Bildern eine dramatische Schwere gibt.
Die 1958 geborene Künstlerin wird von der Baia Galerie vertreten, die zum Länderschwerpunkt Georgien gehört – und einen krassen Kontrast zu den oft bonbonfarbenen, verspielten Werken im Schwerpunkt Hongkong bildet.
Brandneu ist die inhaltlich unklare Sektion „Nachhaltigkeit“. Auf Nachfrage blickt manche Galerie etwas ratlos. Andere wie Galerie Ko aus Nigeria erklären den Fokus über die verwendeten Materialien: Die Werke der 1970 in Nigeria geborenen Künstlerin Marcia Kure bestehen aus gefundenen, schwarz eingefärbten Leinwänden und „thematisieren Handelsrouten“, Verkaufspreis: 46.500 US-Dollar. Auch Adiskidan Ambaye am Stand von Addis Fine Art aus London arbeitet mit gefundenem Material, ihre abstrakten Holzskulpturen bestehen aus bis zu sechzig Einzelstücken. THK Gallery aus Cape Town zeigt Abdus Salaams Skulptur „Melting Point“mit fünf scheinbar ineinander schmelzenden Steinen. Die Bilder rundherum zeigen „Natur in abstrakten Formen“– und waren bei Preisen unter 10.000 Euro schnell reserviert.
Überhaupt konnten schon am ersten Tag viele Verkäufe gemeldet werden. Ein Projektentwickler aus den Emiraten etwa kaufte großzügig junge Talente für sein „Hausmuseum“ein, wie er beim Eröffnungsdinner an langen Tafeln im Wüstensand der frisch aufgeschütteten Lulu-Insel stolz erzählte. Die Tische standen am Ende eines faszinierenden, interaktiven Kunstparcours von Rafael Lozano-Hemmer mit acht Stationen, darunter die im Sand tanzenden Buchstaben eines Gedichts oder eine riesige Leinwand, die unsere Bewegungen in Daniel-Richter-ähnliche Bilder verwandelt. Sein „Translation Island“gehört zum Projekt „Manar Abu Dhabi“: Bis 30. Jänner sind in Abu Dhabi an der Uferstraße, im Wasser und auf Inseln 22 Lichtwerke installiert, die die Kunst in die Stadt tragen. „Manar“heißt „erleuchtet“, das Projekt soll jährlich weitergeführt werden. Und ergänzt perfekt die bestehenden Kunstveranstaltungen von der Messe bis zu den Museen.
Das Eröffnungsdinner fand an langen Tafeln im Sand einer frisch aufgeschütteten Insel statt.