Die Leiden der jungen Königinnen
Drei faszinierende, eng miteinander verwobene Lebensläufe aus der Zeit der Renaissance: Katharina von Medici, ihre Tochter Elisabeth von Valois, die schottische Königin Maria Stuart und der Preis der Macht für Frauen im 16. Jahrhundert.
Wie sollten kaum dem Kindesalter entwachsene vierzehnjährige Frauen im 16. Jahrhundert wissen, ob sie schwanger waren? Zumal wenn ihr Körper nicht ihnen allein gehörte, sondern als Eigentum der Familie oder gar einer ganzen Nation betrachtet wurde, wie das bei zukünftigen oder regierenden Königinnen der Fall war? Zum Thema Sex waren sie von der Mutter in aller Eile vor der Verheiratung aufgeklärt worden, doch der Zyklus war altersbedingt oft sehr unregelmäßig, und so tasteten sie ihren Körper ab, beobachteten das Wachstum der Brüste und hofften, dass ihr Unterleib endlich seine Geheimnisse preisgeben würde. Denn je höher ihr Rang war, desto mehr wurden sie von der Öffentlichkeit beobachtet, Hofdamen inspizierten die Bettwäsche, notierten, wann der Ehemann das gemeinsame Schlaflager besuchte und verbreiteten Gerüchte. Erst wenn die Bewegungen des Fötus registriert werden konnten, war Gewissheit. Die Qualen der Geburt schienen dann erträglicher als die des langen Wartens.
Nicht alle dieser blutjungen Frauen verkrafteten den Rollenwechsel ohne psychische und physische Schäden. Bis zur Hochzeit hatte man sie vor den Gefahren, die von Männern ausgingen, gewarnt, sie hatten ihren untadeligen Ruf zu wahren: „Dulde keine Berührung eines Mannes, ganz gleich, wer er ist.“Liebe galt als die hinterlistigste aller Leidenschaften. Der Körper konnte einen in Versuchung führen. Doch mit der Hochzeit musste sich alles ändern: Nun waren sie ihrem Ehemann zu tadellosem und absolutem Gehorsam verpflichtet. Das wurde eher erwartet als Liebe. Der Mann hatte in der Ehe ein Anrecht auf Sex, das Einverständnis der Frau und ihre Befriedigung spielten keine Rolle.
Unfruchtbarkeit. Eine lange Zeit der Unfruchtbarkeit bedeutete für eine Königin ein körperliches Defizit, einen unerträglichen Druck durch die höfische Umgebung und quälende Behandlungsrituale der Ärzteschaft. Es war ihre Pflicht, Kinder zur Welt zu bringen, und ein Unglück, wenn sie versagte, denn das bedeutete, die Herrschaft der Dynastie zu untergraben. Unfruchtbarer Frauen entledigte man sich an Europas Höfen sehr schnell.
Bei den Frauen der Familie Medici sprach man generell von „später Empfängnis“. Zehn Jahre lang, von 1533 bis 1543, machte das Katharina von Medici, die Schwiegertochter des französischen Königs Franz I., mit. Sie war aus politischen Gründen, um Frankreichs Macht auf Italien auszudehnen, verheiratet worden. Ihr Mann, der Thronfolger Heinrich, war ganz im Bann einer Mätresse. Auch wenn die Kinderlosigkeit des Paares schlicht und ergreifend darin bestehen konnte, dass sie es nicht oft genug versuchten, braute sich dennoch ein Sturm über ihr zusammen, Scheidungsgerüchte gingen um. Mit der Geburt eines Sohnes 1544 bekam sie eine neue Identität, als Mutter des zukünftigen Königs.
Damit begann bis zur Menopause der unendliche Kreislauf von Empfängnis und Schwangerschaft, Wehen, Entbindung, Wochenbett und Regeneration, Vorfreude und Unwohlsein, Schmerz und Erleichterung. Doch Katharina sollte über die unfruchtbaren Jahre nie ganz hinwegkommen, die Demütigung, die damit einhergegangen war, war unauslöschlich – auch wenn sie später noch zehnmal gebar.
Derselbe Vorgang wiederholte sich bei ihrer Tochter Elisabeth. Als sie, um das französisch-spanische Bündnis zu festigen, an den 32-jährigen habsburgischen Regenten von Spanien, Philipp II., verheiratet wurde, war noch gar nicht sicher, dass sie die Pubertät erreicht hatte. Monatelang lebte sie in dem Glauben, dass der junge Prinz Don Carlos ihr Mann werden würde. Die Nachricht, dass sie seinen Vater heiraten sollte, mag sie verunsichert haben, doch die Ehre war größer. Auch sie blieb wie ihre Mutter lang unfruchtbar. Der deutlich ältere König hatte möglicherweise lange Zeit zu viel Zartgefühl, um sich dem kränklichen Kind in seinem Bett sexuell zu nähern.
„Es waren die Töchter, die Familien zusammenbrachten. Sie waren es auch, mit deren Hilfe Imperien geschaffen
Es geht um Herrscherinnen, die eine politische Rolle gespielt haben, aber auch um ihr Frausein.
wurden“, liest man in dem neuen Buch der amerikanischen Historikerin Leah Redmond Chang. Es ist ein fundiertes und sehr berührendes Werk über das Frausein im Renaissancezeitalter, am Beispiel einer sorgfältig verwobenen Erzählung über drei Königinnen: Katharina von Medici, Elisabeth von Valois, ihre nach Spanien verheiratete Tochter, sowie die betörend schöne Maria Stuart, die bereits als Baby zur Königin von Schottland gekrönt wurde und ihre Kindheit sowie Jugendjahre am französischen Hof unter Katharinas Fittichen verbrachte.
Die Autorin nützt eine große Zahl von Briefen, Aufzeichnungen, diplomatischen Depeschen, Botschafterberichten sowie Notizbüchern, um die Frauen hinter den Königinnen zu porträtieren.
Die Autorin bietet eine faszinierende Annäherung an das Königtum des 16. Jahrhunderts. Der Zeitraum erstreckt sich über 40 Jahre des 16. Jahrhunderts, von Katharinas Abreise aus Italien bis hin zur Einkerkerung von Maria Stuart in englischen Gefängnissen. Die Historikerin verlässt dabei die männliche Perspektive für die Zeit, wie wir sie kennen, die Zeit des Habsburgers
Karl V., des französischen Renaissancefürsten Franz I. und des TudorKönigs Heinrich VIII. Jeder von ihnen tat sein Bestes, um die anderen auf dem Schlachtfeld und bei Hofe zu übertrumpfen.
Frausein. Derart überhöhte Männlichkeit ist in diesem Buch nicht das Thema. Es geht um Herrscherinnen, die eine politische Rolle gespielt haben, aber auch um ihr Frausein, ihre Sorgen von der Pubertät bis zu ihrer Mutterschaft, ihre Loyalität und intimsten Ängsten, auch ihre Fehler und Schwächen. Sie zogen kaum erwachsen in fremde Länder, legten Ehegelübde ab, wohl wissend, dass sie ihre Heimat und Familien vielleicht niemals wiedersehen würden. Schwangerschaft und Geburt setzten ihnen allen körperlich zu, die Last dynastischer Ehen hinterließ ihre Spuren.
Es sind Frauen, die in Reichtum und Privilegien hineingeboren wurden und keine andere Wahl hatten, als sich den politischen Heirats- und Gebärwünschen zu fügen. „Ihre Körper, die über die Grenzen hinweg weitergegeben wurden, wurden zu symbolischem Kapital“, liest man, „für Frieden, Bündnisse, Reichtum oder Reiche.“Sie spielten in der Öffentlichkeit die Rollen, die man von ihnen als Königinnen erwartete.
Maria Stuart war die selbstbewusst und souverän regierende Monarchin, die uneingeschränkt über ihr schottisches Königreich herrschen wollte und der der rebellische heimische Adel das Leben zur Hölle machte. Dann war Elisabeth als Königsgemahlin in Spanien, die ihren Titel allein ihrer Heirat zu verdanken hatte und nach einem kurzen Leben mit unzähligen, mysteriösen Krankheiten im Alter von 22 Jahren starb. Sie ist ein Beispiel für eine eher durchschnittliche Frau, die in eine Rolle gedrängt wurde, für die man schnell die nötige Begabung entwickeln musste, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Und zu guter Letzt Katharina von Medici, eine der größten politischen Begabungen und beeindruckendsten Frauen im damaligen Europa, die als Königinwitwe und Mutter minderjähriger Könige die Fäden im Frankreich der Hugenottenkriege zog. Sie regierte das Land in allen Aspekten – außer auf dem Papier. Die drei lebten also in einem von politischen und religiösen Konflikten zerrissenen Europa in einer Ära weiblicher Herrschaft, wie es sie bis dahin nicht gegeben hatte.
Freundschaft. Ihre beste Zeit hatten die drei Frauen, als sie zehn Jahre lang gemeinsam am französischen Hof lebten. Sie waren nicht nur durch Blutsverwandtschaft und Heirat miteinander verbunden, sondern auch durch Freundschaft und Zuneigung. Doch der plötzliche Tod von Katharinas Gemahl, Heinrich II., durch einen Turnierunfall erwies sich als tragisches Ende dieses Jahrzehnts. Zwei Mädchen im Teenageralter und eine Frau im mittleren Alter waren in Trauer und Sorge vereint. Sie wurden in neue Rollen gedrängt, ihre Wege trennten sich, sie mussten sich alle drei neu erfinden.
Die drei lebten in einem von Konflikten zerrissenen Europa in einer Ära weiblicher Herrschaft.
Elisabeth verließ 1559 als Fastnoch-Kind die Heimat, um den spanischen König zu heiraten. Katharina graute es davor, ihre Tochter wegzuschicken. 1561 kehrte Maria in ihr schottisches Königreich zurück, führte unglücklich verlaufende Ehen und verbrachte schließlich als kämpferische Witwe ihr halbes Leben in der Gefangenschaft. Eine Gegnerin hatte sie unterschätzt: die englische Tudor-Königin Elizabeth I., deren Thron sie anstrebte. Doch diese war ihr an Intelligenz überlegen. Lediglich Katharina blieb in Frankreich, sie trug für den Rest ihres Lebens nachttiefschwarze Witwenkleidung und übernahm de facto die Regierungsgeschäfte.
Freundschaften und Familienbande wurden lockerer, für alle drei blieb jedoch Frankreich der Sehnsuchtsort. Katharina, die sich von der jungen Königin zur übermächtigen Mutterfigur gewandelt hat, ist in dem Buch die ganze Zeit hindurch präsent.
Changs historische Studie über drei Frauen, die in einer von Männern dominierten Welt an die Spitze gerückt sind, ist eine hochinteressante und auch emotional bewegende Lektüre mit vielen faszinierenden Details. Sie verbindet gekonnt das Persönliche mit den großen politischen Strömungen der Zeit: Eine Empfehlung.