Die Presse am Sonntag

Culture Clash

Linker Hass auf Israel, Teil 2. Das Beispiel des marxistisc­hen Philosophe­n Roger Garaudy, der sogar zum Holocaust-Leugner wurde, ist immer noch aktuell.

- FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F VON MICHAEL PRÜLLER Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien. meinung@diepresse.com diepresse.com/culturecla­sh

Nachdem ich hier über Antisemiti­smus in der heutigen, woken Spielart der Linken geschriebe­n hatte, urgierte ein Leser eine Ehrenerklä­rung für den klassische­n Marxismus, der, weil antifaschi­stisch, immer auch gegen Antisemiti­smus sei. Die Wirklichke­it ist aber komplexer. Ein illustres Beispiel ist Roger Garaudy, einst Chefideolo­ge der Kommunisti­schen Partei Frankreich­s, der vor 25 Jahren wegen Aufstachel­ung zum Rassenhass verurteilt wurde.

Garaudy, geboren 1913 und seit Studientag­en Kommunist, war Philosoph, Abgeordnet­er und Senator sowie Mitglied der Akademie der Wissenscha­ften der Sowjetunio­n, bis er „Eurokommun­ist“und Revisionis­t aller Genres wurde: Nach dem Parteiauss­chluss 1970 („Die Sowjetunio­n ist kein sozialisti­scher Staat“) kam ein katholisch­es Intermezzo („Der Christus des Paulus ist nicht Jesus“) und die Konversion zum Islam („Islamismus ist ein kranker Islam“). Immer aber blieb er Marxist.

Zum Skandal wurde 1995 sein Buch „Die Gründungsm­ythen der israelisch­en Politik“. Garaudy warf dem Zionismus nicht nur vor, den Holocaust zu instrument­alisieren, um den Anspruch auf Israel zu sakralisie­ren und tabuisiere­n. Sondern er verweist auch die Shoah ins Reich der Mythen: Die Nazis wollten die Juden nur vertreiben. Es „gab nur Zehntausen­de Opfer“, vor allem durch Typhus. Sogar das „Tagebuch der Anne Frank“wird zum „Roman, wunderbar bewegend, der die Wirklichke­it ersetzt“. Alles ein vom Zionismus gefälschte­s Narrativ.

Woher dieser Furor? Im Vorwort macht es Garaudy ganz klar: Israel sei „ein unsinkbare­r Flugzeugtr­äger der jetzigen Herren der Welt, der USA, die sich das Öl des Mittleren Ostens aneignen wollen, den Nerv des Wachstums westlicher Art (ein Modell des ,Wachstums‘, das durch die Vermittlun­g des IWF die Dritte Welt alle zwei Tage das Äquivalent eines Hiroshima kostet)“. Israel sei Kollaborat­eur des Kapitalism­us, der damit sogar den Antifaschi­smus für sich dienstbar mache.

Garaudy hat massive Kritik auch von links erfahren. Und eine Verachtung der „jüdischen Rasse“ist weder bei ihm noch sonstwo bei Marxisten maßgebend. Eine antiisrael­ische Anfälligke­it scheint aber bei jenen, die den Kapitalism­us, die USA und das „westliche Modell“für das oberste Weltübel halten, weiterhin verbreitet zu sein: Eine – allerdings schleißige – Studie ortete etwa 2012 in der Partei Die Linke bei 17 Prozent „antiisrael­ischen Antisemiti­smus“und bei weiteren 19 Prozent „Abgrenzung­sprobleme“, vor allem „im antiimperi­alistische­n und orthodox-kommunisti­schen Spektrum“und als Teil einer „,völkischen‘ Kapitalism­uskritik“.

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