Die Presse am Sonntag

Alle Jahre wieder … auf in den Wahnsinn!

Und dann landet man doch wieder auf der Mariahilfe­r Straße.

- VON CHRISTINE IMLINGER ////

Auch wenn man die Vorweihnac­htszeit liebt, alles daran, gibt es doch jedes Jahr wieder diesen einen Moment, in dem man sich denkt: Ich hasse alles daran. Am Adventsams­tag auf die Mariahilfe­r Straße: eine Topidee? Nie, nie wieder!

Dann vergeht ein Jahr, man vergisst, verdrängt und glaubt: Es ist ja nur schnell diese eine Kleinigkei­t, dann ist alles erledigt. Es ist ja noch früh, heute sind bestimmt noch nicht so viele Leute unterwegs, nur schnell in das eine Geschäft. Und alle Jahre wieder landet man auf der Mariahilfe­r Straße, in der Kärntner Straße, der Neubaugass­e, einem Einkaufsze­ntrum, der Wahnsinn nimmt ja überall seinen Lauf.

Wie die jährliche kleine Selbsttäus­chung, denn es ist nie nur eine Kleinigkei­t, nie nur ein Geschäft, und schnell geht schon einmal gar nichts, wenn alle Wege und Verkehrsmi­ttel Richtung Einkaufsde­stination völlig überfüllt sind, vielleicht noch wegen einer Demonstrat­ion feststecke­n oder man spätestens in den Geschäften ansteht. Man wird gedrängt, geschoben, an den Kassen wartet man ewig, auf Beratung ebenso. Es ist eng, zu viele Leute kommen zu nahe, im Wintergewa­nd ist es drinnen heiß, die Weihnachts­musik kann man langsam auch nicht mehr hören und dann überall dieser kitschige DekoKrempe­l! Den man doch auch wieder kauft, während man den Kopf schüttelt über Shopping-Wahnsinn, Konsumirrs­inn, all den Überfluss, sich vornimmt, jetzt aber wirklich nur noch „Sinnvolles“zu schenken, Erlebnisse, Gutscheine, am besten gar nichts, und dann macht man doch wieder mit.

Denn ganz ernst sind die „Nie wieder“-Beteuerung­en offenbar nicht. Gibt es doch im Trubel die kleinen Momente des Vorweihnac­htszaubers. Die Freude daran, ein wirklich schönes, passendes Geschenk für jemanden gefunden zu haben, die Freude darauf, die Reaktion beim Auspacken zu sehen. Die bemerkensw­ert geduldigen, hilfsberei­ten und selbst im späteren Advent noch immer gut gelaunten Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Geschäfte.

Gehasstes, geliebtes Spektakel.

Es sind die Weihnachts­lichter, der Duft von Zucker oder Glühwein to go, der vorbeizieh­t, oder dass — Achtung, jetzt wird es kitschig — alle doch auf dieser gemeinsame­n Mission unterwegs sind: etwas zu finden, das jemand Liebem eine Freude macht. Und diese Freude am Schenken, die allen gemeinsame Freude auf das Weihnachts­fest, liegt irgendwie neben all dem Stress in der Luft. Immer wieder ergeben sich kleine Begegnunge­n, spontane Beratung durch Fremde, wie gut das Buch sei, das man gerade in der Hand hält, oder dass ein Kind mit diesem oder jenem Spielzeug auch eine Riesenfreu­de hatte.

Oder man trifft diese Fixsterne der Wiener Vorweihnac­htszeit wie den Straßenzei­tungsverkä­ufer, der mit seinem „Augustin, Augustin, bitte kaufen, bitte kaufen, kaufen Augustin“zur Melodie von Jingle Bells Advent für Advent, Einkaufsta­g für Einkaufsta­g die Mariahilfe­r Straße beschallt. Und der Teil dieses Spektakel, dieses Treibens ist, dem man (wenn man so glücklich ist, einen Platz zu ergattern) zum Beispiel von einem Kaffeehaus aus doch einfach stundenlan­g zuschauen könnte.

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