Verbrennt Wien Steuergeld?
Mit der Initiative »Stolz auf Wien« wollte die Stadt Traditionsbetrieben durch die Coronazeit helfen. Nun sind mehrere von diesen insolvent – trotz »stolzer« Hilfen.
Kaum eine Woche, ja, kaum ein Tag, vergeht derzeit, ohne dass eine prominente Insolvenz bekannt wird. Diese Woche war es unter anderem Robertos American Bar, jener prominente Innenstadtbetrieb mit drei Bars, bei dem die Insolvenz viele überrascht hat.
Denn lang lief alles sehr gut. Seit Eröffnung der ersten Robertos Bar 2014 war man Teil des großen Wiener BarBooms dieser Jahre, 2018 folgte Standort zwei. 2021 sollte zu den Bars am Bauernmarkt und in der Jasomirgottstraße eine dritte beim Neuen Markt dazukommen. Aber das Investment war hoch, während die Umsätze – zumindest in der benötigten Höhe – seit Corona ausblieben. Anfang der Woche wurde Insolvenz beantragt.
Die betrifft nun über die Beteiligungsgesellschaft Stolz auf Wien auch die Stadt Wien. Bei dieser – kurz SAW genannt und gegründet, um Unternehmen durch die Coronazeit zu retten – hatten sich die Barbetreiber Roberto und Alexandra Pavlović-Hariwijadi schon 2022 um ein Investment bemüht, um einen Engpass auszugleichen.
Die Insolvenz konnte das wie in vielen Fällen nicht abwenden. Die Liste der Betriebe, die trotz SAW-Engagement Insolvenz anmelden mussten, ist mittlerweile lang: darunter etwa die Lokale von Habibi & Hawara, das Café Ritter, das Restaurant Berger & Lohn, die Bäckerei Gragger & Cie oder das Restaurant Arezu. Ebenfalls trotz SAW-Beteiligung insolvent: Pörner Anlagenbau, Breddy’s (Kleidungshandel) oder Kyddo (Kinder-Onlineshop).
Hat die Stadt hier Steuergeld verbrannt, indem es in Firmen gesteckt wurde, die nicht zu retten waren?
Barbara Forsthuber und Helmut
Richter widersprechen dem. Die beiden führen die Geschäfte der SAW-Gesellschaft. Und für sie war etwa die Insolvenz von Robertos nicht absehbar. „2022 hatte Roberto ein Liquiditätsproblem wegen der hohen Investitionen, aber das Ergebnis war tipptopp“, sagt Richter. Er betont, dass Robertos wie alle von einer Wirtschaftskanzlei geprüft wurde und man erst danach und nach Zustimmung des Beirates einstieg.
Und sie betonen, dass im Fall Roberto kein Steuergeld investiert wurde. Während die Stadt bei SAW I noch direkt (mit anderen Investoren, etwa der Wirtschaftskammer) eingestiegen ist, wurden die Mittel für die auf die Gastronomie zugeschnittene SAW II „zu 100 Prozent von privaten Investoren“bereitgestellt: etwa von Banken, einer Versicherung, Privatstiftung oder der Wirtschaftskammer. Die öffentliche Hand sei nicht geschädigt worden, sagt Barbara Forsthuber.
Geheime Summen. Wer aber wie viel Geld bekam, das bleibt geheim. Und das ist einer der Kritikpinkte: „Ein Problem war von Anfang an Intransparenz: Vom Beschluss, wer Geld bekommt, bis hin zu den Summen, wie viel Geld an wen ging, gab es kaum Informationen“, kritisiert etwa der Klubobmann der Wiener ÖVP, Markus Wölbitsch.
Auch warum die Stadt etwa in einen Mineralölhändler investierte, während es offiziell Ziel war, Traditionsbetriebe zu retten, warf Fragen auf.
Richter argumentiert, es sei vertraglich vereinbart, dass keine Summen genannt werden, schließlich ließe das unerwünschte Rückschlüsse auf den Unternehmenswert zu. Nur so viel: Der Topf für SAW II wurde mit zunächst drei Millionen Euro bestückt, später wurde auf vier Millionen aufgestockt. Die Summe wurde zu 90 Prozent ausgeschöpft. Bei SAW I wurden 21 Mio. Euro (von 38 Mio. Euro im Topf) ausgeschöpft. In Summe hat sich die Gesellschaft so (mit bis zu 20 Prozent) an 50 Unternehmen beteiligt. Bei 30 davon über SAW I, bei 20 über SAW II.
Die Stadt ist damit bei etwa zwei Drittel der Betriebe eingestiegen, die sich darum bemüht haben. Erwartet hatte man, dass sich viel mehr bewerben. Aus dem Grund hatte man die Aktion auf „Wiener Traditionsbetriebe“beschränkt. Weil bei denen der Bedarf aber offenbar gar nicht so groß war, konnte man auch bei anderen, weniger identitätsstiftenden Betrieben einsteigen. Zumindest zehn der 50 Betriebe haben in der Zwischenzeit nun jedenfalls Insolvenz angemeldet (werden aber teils fortgeführt).
Ist die Initiative damit gescheitert? „Es war klar, dass Geld in Insolvenzen verloren geht. Aber wir sind davon ausgegangen, dass es in Summe zurückkommt. Dass sich Verluste ausgleichen, indem Investments in andere im Wert steigen“, sagt Richter. Das wird sich nicht ausgehen. Die Lage hat sich verändert. Auf Corona folgten Krieg und Inflation, viele Betriebe sind nie aus der Krise gekommen. Andere, bei denen es gut läuft, kaufen Anteile zurück.
Pleiten waren eingerechnet. Dass auf eine Krise die nächste folgt, hatte niemand einkalkuliert.
Eigentlich sollte das investierte Geld zurückkommen. Das wird sich nicht mehr ausgehen.
In Summe gingen laut Forsthuber und Richter durch Insolvenzen bisher 1,5 bis zwei Millionen Euro an öffentlichem Geld verloren. Wie es weitergehen wird, dazu geben sie keine Prognosen mehr ab. „Die Situation ist schwer einschätzbar. Auch bei Roberto etwa war die Insolvenz bis vor einem halben Jahr nicht absehbar“, sagt Forsthuber.
Weitere Investments wird es nicht geben. Das hieß es auch vorigen Herbst, dann wurde im Dezember die Unterstützung für den Brandstätter Verlag publik. Nun soll es das aber gewesen sein. Bis 2028 soll die Aktion auslaufen, bis dahin sollen Betriebe Anteile zurückkaufen. Bis dahin verschaffe man sich mittels Kontrollrechten Einblick, weitere Insolvenzen sind aber nicht ausgeschlossen. „Es gibt keinen Anlassfall, wo das ansteht. Aber so, wie die Lage ist, kann man nichts ausschließen“, so Richter.