Die Zweistaaten-Illusion
Die USA haben eine große Nahost-Vision: Dem Ende des Gaza-Kriegs sollen eine israelisch-palästinensische Zweistaaten-Lösung und ein Deal mit Saudiarabien folgen. Doch sie wissen nicht, wie sie von A nach B kommen.
Wenn es noch eine Ordnungsmacht im Nahen Osten gibt, dann sind es die USA. Die Amerikaner sind unter Präsident Joe Biden in die Retro-Rolle des Weltpolizisten geschlüpft und versuchen unter großem Einsatz, einen Flächenbrand in der Region zu verhindern. Sie setzen dabei auf Abschreckung und zähe Diplomatie. Ihre Solidarität mit Israel nach dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober erfolgt nicht kritiklos. Sie unterstützen zwar den Krieg gegen die Terrororganisation im Gazastreifen, mahnen aber immer dringlicher den Schutz palästinensischer Zivilisten und eine Exit-Strategie ein.
Die Amerikaner haben eine Vision für den Nahen Osten, wie Außenminister Antony Blinken beim Weltwirtschaftsforum in Davos durchblicken ließ: Gamechanger soll nach dem Vorbild der Abraham-Abkommen, die Israel mit den Vereinten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko geschlossen hat, ein diplomatischer Durchbruch mit Saudiarabien sein. Die Verhandlungen
darüber waren vor dem 7. Oktober weit gediehen. Und in Davos bekundete der smarte saudische Außenminister, Prinz Faisal, weiterhin Interesse an einer Normalisierung der Beziehungen mit Israel. Voraussetzung dafür sei jedoch die Lösung der Palästinenser-Frage.
Dreischritt. Der Plan der Amerikaner sieht einen Dreischritt vor: Dem Ende des GazaKriegs soll eine Wiederaufnahme israelischpalästinensischer Verhandlungen über eine Zweistaaten-Lösung folgen, die dann in einen Regionaldeal samt neuem Handelskorridor bis Indien mündet.
Auf dem Reißbrett nimmt sich das USFriedenskonzept schlüssig aus. Die Realität ist deutlich komplizierter. Die Amerikaner haben zwar ein Ziel, doch keinen blassen Schimmer, wie sie von A nach B kommen. Niemand weiß derzeit, wie und wann der Gaza-Krieg enden kann. Vom Ziel, die Hamas auszulöschen, ist Israel trotz aller Zerstörung weit entfernt. Und selbst wenn die Hamas gestürzt werden kann, bleibt offen, wer danach die Verantwortung in Gaza übernehmen soll. Eine multinationale arabischwestliche Blauhelm-Truppe existiert bisher nur in der Fantasie. Und die ebenso schwache wie korrupte palästinensische Autonomiebehörde wird sich hüten, auf den Bajonetten der Israelis nach Gaza zurückzukehren.
Ohne Sicherheitsgarantien wird keine Regierung in Jerusalem, egal welcher Couleur, der Errichtung eines palästinensischen Staates zustimmen, erst recht nicht nach dem Trauma vom 7. Oktober. Die bittere Lehre aus dem Gaza-Rückzug 2005 lautet für die Israelis, dass der Dank Raketen und Terror waren. Und selbst wenn sie – in einer Post-Netanjahu-Ära – verhandeln wollen, fehlt ein durchsetzungsstarker Partner auf palästinensischer Seite. Die Autonomiebehörde müsste sich davor erneuern.
Das diplomatische Engagement der USA verdient Respekt. Und bisher hatte auch niemand eine bessere Friedensidee als eine Zweistaaten-Lösung. Doch derzeit ist sie noch eine Zweistaaten-Illusion.
» Ohne Sicherheitsgarantien wird Israel einem palästinensischen Staat nicht zustimmen. «
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