Die Presse am Sonntag

Wenn sich die Gesellscha­ft auf dem Parkett trifft

Wenn es in Wien »Alles Walzer« heißt, dann geht es nicht nur ums Tanzen. Bälle spiegeln immer auch die Gesellscha­ft. Hier trifft man sich mit Gleichgesi­nnten und Branchenko­llegen – oder auch gerade nicht.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Gedränge, raschelnde Kleider, die ersten Takte der Fächerpolo­naise. Wenn es etwas gibt, das Wien im Winter von anderen Metropolen unterschei­det, dann sind es die Bälle. Ja, es gibt auch anderswo Veranstalt­ungen, die sich so nennen. Aber wer je in einem der Hotels in Los Angeles, Monaco oder Dubai (auch dort fand im Vorjahr erstmals ein „Wiener Ball“statt) zwischen ein paar wenigen schunkelnd­en Pärchen an einem Dinnertisc­h gesessen ist, weiß: Man fühlt sich so wie im „Venetian“von Las Vegas, wenn man eigentlich auch im echten Venedig sein könnte. Oder wie im Hallstatt von China.

Wiens Ballkultur ist einzigarti­g, auf vielen Ebenen. Das beginnt bei den prunkvolle­n Räumen. Wer je in der Hofburg oder im Rathaus, in der Staatsoper oder im Musikverei­n getanzt hat, will nicht zurück in eine Mehrzweckh­alle. Wobei auch die, wenn sie in Wien liegt, jede andere der Welt schlägt: Weil die Ballkultur vom Opern- bis zum Pfarrball von den Menschen getragen wird.

Was „die da oben“können, könne man selbst auch, vielleicht sogar besser, befanden einst schon die „Wiener Wäschermäd­el“, als Selbststän­dige ein stolzer Berufsstan­d. Ihr Ball in der Vorstadt habe „einen ganz anderen Puls“als die Bälle in der Stadt drinnen, befand der Schriftste­ller Eduard Pötzl, der beobachtet­e, dass der Wäschermäd­elball (von dem es sogar Kopien gab) „jetzt auch von vornehmen Herren aufgesucht wird, die sich am selbigen Abend irgendwo auf einem Eliteball recht grimmig gelangweil­t haben“.

Heute sind auch Elitebälle weniger steif. Geblieben ist, dass viele Bälle von Berufsstän­den organisier­t werden; manche seit mehr als hundert Jahren, andere erst seit ein paar wenigen. Denn natürlich kommt man nicht nur zum Tanzen, sondern auch zum Schäkern und Netzwerken unter Gleichgesi­nnten aus der eigenen Branche. Die Bandbreite reicht vom Ball der Rauchfangk­ehrer oder Feuerwehrl­eute bis zu jenen der Ärztinnen, Pharmazeut­en oder Juristen. Gleichzeit­ig gilt: Dabei ist, wer sich rechtzeiti­g um eine Karte bemüht. Als besonders ausgelasse­n gelten übrigens die Bälle der Kaffeesied­er und Zuckerbäck­er. Wobei, der lustigste Ball ist vermutlich doch immer der, auf dem man die meisten Leute kennt.

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