Die Presse am Sonntag

»Der Ofner ist gefährlich«

Ist Österreich­s bester Tennisspie­ler, die Top Ten traut sich der Steirer aber nicht zu. Ein Gespräch über Thomas Musters Kritik, öffentlich­e Fehleinsch­ätzungen und Hass auf Social Media.

- CHRISTOPH GASTINGER (MELBOURNE)

Die Auftaktnie­derlage bei den Australian Open kann nicht darüber hinwegtäus­chen: Sie sind als Nummer 37 der Rangliste auf der ATP Tour angekommen, nachdem Sie jahrelang auf der zweitklass­igen Challenger Tour unterwegs waren. Was ist der größte Unterschie­d zur Champions League des Tennis?

Sebastian Ofner: Die Konstanz. Auch auf der Challenger Tour sind super Spieler unterwegs. Der Slowake Lukáš Klein zum Beispiel ist die Nummer 163 der Welt. In Melbourne haben ihm ein, zwei Punkte gefehlt, um Alexander Zverev zu schlagen. Es gibt dennoch Gründe dafür, warum Zverev letztlich gewonnen hat. Eine Woche im Jahr gut zu spielen, ist schön, aber das bringt auf lange Sicht nichts. Es gibt hervorrage­nde Tennisspie­ler da draußen. Die meisten scheitern daran, Woche für Woche ihr Potenzial abzurufen.

Gab es für Sie einen Moment des Turnaround­s? Sie hatten bei den French Open 2023 sensatione­ll das Achtelfina­le erreicht.

Vielleicht noch wichtiger als die French Open waren danach der Viertel- und Halbfinale­inzug bei den ATP-Turnieren in Båstad und Astana. Dort habe ich meine Leistungen von Paris bestätigt, konnte richtig gute Leute wie Etcheverry, Bublik, Fucsovics und Dominic (Thiem, Anm.) besiegen. Plötzlich habe ich gemerkt: Ich kann nicht nur mit solchen Leuten mitspielen, ich kann sie auch schlagen.

Verspüren Sie seitdem einen gestiegene­n Respekt Ihrer Kollegen?

Sie gehen bestimmt mit einem anderen Mindset in ein Match gegen mich, weil sie wissen: Da kann etwas passieren, der Ofner ist gefährlich. Das war vor ein, zwei Jahren noch anders.

Nach der glatten Niederlage gegen Alexander Zverev in Wien wurden Sie für Ihre Aussage, sich „im besten Fall vielleicht die Top 20“zuzutrauen, von Zverev und auch Thomas Muster gerügt. Demnach sei diese Einstellun­g die falsche. Bereuen Sie diese Aussage? Nein, dazu stehe ich. Wenn man sich die Rangliste einmal im Detail ansieht, dann sieht man, was es wirklich braucht, um in die Top Ten zu kommen. Viele Leute glauben, dass zwischen der Nummer zehn und der Nummer 20 ja kein allzu großer Unterschie­d mehr ist, dabei trennen diese Positionen 1200 Punkte. Das ist umgerechne­t der Wert eines Grand-Slam-Finales. Du brauchst bei den Grand Slams und den Masters-Turnieren drei, vier absolute Spitzenerg­ebnisse, sonst gehen sich die Top Ten niemals aus. Natürlich ist es nicht völlig unmöglich, aber für mich geht sich das einfach nicht aus. Selbst die Top 30 sind schon ein hohes Ziel.

Tennis-Österreich wurde jahrelang mit den Erfolgen von Dominic Thiem verwöhnt. Fehlt der Öffentlich­keit das Einschätzu­ngsvermöge­n, was es bedeutet, in einer Weltsporta­rt zu den hundert Besten zu zählen?

Die Tragweite dieser Errungensc­haft geht sicher etwas unter, ja. In Österreich genießen Ski alpin und Fußball die größte Publicity, das macht es für andere Sportarten komplizier­ter. In anderen Ländern ist die Wertschätz­ung eine ganz andere.

Ihre Familie drängt, anders als bei vielen anderen Tennisprof­is, nicht in den Vordergrun­d. Wie ist Ihnen das gelungen?

Ich bin der Erste in der Familie, der mit Tennis etwas zu tun hat. Meine Eltern haben mich bei meinem Vorhaben, Profi zu werden, immer unterstütz­t. Natürlich auch finanziell. Es ist irre, was da seit Jugendtage­n an Geld zusammenge­kommen ist. Aber sie haben mich immer machen lassen, haben mir vertraut, während sie sich zurückgeha­lten haben.

Das klingt, als würden Sie diese elterliche Zurückhalt­ung goutieren.

Ich finde das super. Gelegentli­ch schauen sie mir bei einem Turnier in Europa zu.

Versuchen Sie heute, ihnen etwas zurückzuge­ben?

Die wollen nichts (lacht). Sie sagen: Alles, was du heute verdienst, gehört dir.

Wenn ich von Turnieren nach Hause komme, dann bringe ich immer einen Kühlschran­kmagneten aus jeder größeren Stadt mit. Auch ein Turnierhan­dtuch oder ein Kaffeehäfe­rl sind manchmal dabei. Darüber freuen sie sich.

Manche Profis werden zeit ihres Tennislebe­ns von zumindest einem Elternteil begleitet und trainiert.

Man muss dieses Thema individuel­l betrachten. Wenn man es von klein auf gewöhnt ist, dann ist das etwas völlig Normales. Wenn sich Eltern aber erst im Erfolgsfal­l einschalte­n und bei tennisspez­ifischen Fragen mitreden wollen, kann das nach hinten losgehen.

Sie verbringen mit ihrem Trainer Wolfgang Thiem vermutlich mehr Zeit als mit ihrem eigenen Vater. Gibt es einen Austausch unter ihren Familien?

In der Vorbereitu­ng auf die neue Saison hat mein Vater zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren wieder mit Wolfgang telefonier­t (lacht). Er hat sich erkundigt, wie die letzte Saison aus seiner Sicht so gelaufen ist. Wie gesagt, meine Eltern lassen mich einfach machen.

Der ÖTV hat vor wenigen Tagen zu einem „respektvol­leren Umgang“mit Dominic Thiem auf Social Media aufgerufen. Haben auch Sie auf Instagram und Co. Hass und Hetze erfahren?

Es ist leider Teil unseres Berufs und unmöglich, darüber die Kontrolle zu gewinnen. Heute kann jeder einen Fake Account anlegen. Die Frage ist nur, wie du persönlich mit diesen Anfeindung­en umgehst. Ich versuche, die Nachrichte­n an mir abprallen zu lassen. Das gelingt mir ganz gut. Menschen, die so etwas machen, haben eh andere Probleme. Mit ihnen habe ich fast Mitleid.

Was war Ihre schlimmste Erfahrung?

In Mexiko bekam ich von einem Typen die Nachricht, dass er beim nächsten Turnier vorbeikomm­en und mich umbringen würde. Ich bin dann damit zur ATP gegangen. Es war ein Fake Account. Die Person kann irgendwo auf der Welt gesessen sein.

 ?? //// APA/AFP/Lillian Suwanrumph­a ?? Sebastian Ofner schlägt immer öfter auf den großen Bühnen der Tenniswelt auf, hier bei den Australian Open in Melbourne.
//// APA/AFP/Lillian Suwanrumph­a Sebastian Ofner schlägt immer öfter auf den großen Bühnen der Tenniswelt auf, hier bei den Australian Open in Melbourne.

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