Die Presse am Sonntag

Digital Detox ist für viele eine bedrohlich­e Vorstellun­g

Seit es Smartphone­s gibt, gibt es das Bedürfnis nach einer Pause davon. Wirklich abschalten will aber kaum jemand. Digital-Detox-Expertin Monika hat dennoch ein paar Tipps, wie man die Bildschirm­zeit reduziert und die Überforder­ung zumindest reduziert.

- VON KARIN SCHUH

Eigentlich wäre es ganz einfach. Man drückt einen Knopf und Ruhe ist. Nur, dass das kaum jemand schafft. Was, wenn doch eine wichtige Nachricht eintrudelt, wenn ich schnell etwas nachschaue­n muss oder wenn gar jemand anruft. Es fällt uns gar nicht so leicht, das Smartphone zu ignorieren.

„Die Frage nach einem bewussten Umgang mit Medien gab es schon vor dem Smartphone, früher ging es ums Fernsehen oder auch das Radio. Aber mit dem Smartphone ist die Art der Mediennutz­ung explodiert“, sagt Monika Schmiderer. Sie ist Autorin mehrerer Fachbücher zum Thema Digital Detox und Achtsamkei­t. Früher hat sie auch Digital-Detox-Kurse abgehalten, heute macht sie das nicht mehr. Schlicht, weil die Nachfrage danach nicht mehr da ist.

Wobei, ganz so stimmt das nicht: Unternehme­n buchen sie nach wie vor, um Kurse oder Vorträge zu halten, weil sie um die negativen Auswirkung­en wie Fehleranfä­lligkeit wissen.

Dass Privatpers­onen wegen Digital Detox zu ihr kommen würden, sei aber nicht (mehr) der Fall. Wenn, dann werde diese Frage in allgemeine­n Achtsamkei­tsseminare­n behandelt. „Die Hürde ist riesengroß. Die Vorstellun­g, einen Tag lang offline zu sein, ist für viele bedrohlich und unvorstell­bar.“Den meisten Menschen sei einfach nicht bewusst, dass sie an einem zu viel an Bildschirm­zeit leiden. „Dann werden der Chef, die Kinder oder die Menschen im Alltag dafür verantwort­lich gemacht, dass man gestresst ist, aber nicht die Mediennutz­ung. Wir schreiben das Leid, das uns die Mediennutz­ung zufügt, nicht der Mediennutz­ung zu.“

Eine digitale Abstinenz sei für viele Menschen gar nicht erstrebens­wert. Statt von Digital Detox sei deshalb eher von digitaler Balance oder digitaler Resilienz die Rede. Um seine Mediennutz­ung zu ändern, braucht es aber zuerst eine bewusste und ehrliche Selbstbeob­achtung: Also, wann greife ich zum Handy und warum – etwa aus Langeweile oder Einsamkeit – und was könnte man stattdesse­n machen. Vielen fällt das nicht leicht, wir neigen auch dazu, unseren eigenen Medienkons­um zu verharmlos­en.

Zwei-Stunden-Regel. Wer die Bildschirm­zeit reduzieren will, kann etwa die Zwei-Stunden-Regel berücksich­tigen: In der ersten Stunde nach dem Aufstehen und der letzten vor dem Schlafenge­hen ist das Handy tabu. „Für viele Menschen ist das völlig unerreichb­ar, das war vor sechs oder sieben Jahren noch anders.“Schmidinge­r rät auch dazu, „einen Gang höher zu schalten“, also zu telefonier­en, statt Nachrichte­n zu schreiben, oder sich zu treffen statt zu telefonier­en. Auch nicht benötigte Push-Nachrichte­n zu deaktivier­en, hilft. Es macht einen Unterschie­d, ob man das Smartphone aus eigenem Antrieb in die Hand nimmt oder weil es mich dazu auffordert. Und: Das Handy außer Sichtweite geben.

Zur digitalen Resilienz gehört der gesunde Umgang damit, etwa auf sozialen Medien nur jenen Menschen zu folgen, die mir guttun und mich nicht deprimiere­n. All das hilft, die Überforder­ung, die ein zu viel an Mediennutz­ung bringen kann, einzudämme­n. „Es lohnt sich, einen Schritt in Richtung digitale Balance zu gehen. Jede kleine Änderung ist ein großer Gewinn.“

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