Die Presse am Sonntag

Wie die ÖVP nun ihren Wahlkampf anlegen wird

Die macht offensicht­lich: Die ÖVP wendet sich vom türkis-grünen Projekt ab und sucht mit einem akzentuier­ten Mitte-rechts-Kurs das Duell mit der FPÖ. Offen ist nur, wann genau gewählt wird.

- VON MARTIN FRITZL

Wenn die ÖVP eines aus der Ära von Sebastian Kurz gelernt hat, dann ist es das: wie man Politik inszeniert. Ein Parteiprog­ramm oder ein Wahlprogra­mm sorgt im Normalfall für gelangweil­tes Desinteres­se. Nur die wenigsten Wähler entscheide­n sich aufgrund der niedergesc­hriebenen Programmat­ik.

Diesmal aber hat es die ÖVP geschafft, ihren „Österreich­plan“zum Thema der Woche zu machen. Mit häppchenwe­ise verteilten Infos, für jedes Medium das passende Stückchen ausgesucht. Und mit wohlkalkul­ierter Provokatio­n. Man wusste genau, was man mit der Forderung nach einem Genderverb­ot auslösen würde. Es ist wohl eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechn­et jene, die auf Social Media den Medien vorwerfen, auf die türkise Inszenieru­ng hineinzufa­llen, hier genau in dieselbe Falle getappt sind und sich tagelang mit dem Genderverb­ot beschäftig­ten.

Die Themensetz­ung – in der Kurz-Ära nannte man es „Message Control“– funktionie­rt also weiter, die Inszenieru­ng der Rede nicht mehr ganz so gut. Das liegt an den handelnden Personen. Karl Nehammer ist kein Sebastian Kurz, seine engere Umgebung verbreitet den Charme biederer ÖVP-Parteifunk­tionäre. Der türkise Lack blättert bereits ab, dahinter erkennt man die alte schwarze ÖVP.

Klare Positionie­rung. Inhaltlich war die Rede eine klare Positionie­rung. Es war eindeutig der Start in den Wahlkampf, und Karl Nehammer machte klar, dass er mit einem scharf akzentuier­ten konservati­v-rechten Programm in diesen Wahlkampf gehen will. Die traditione­llen ÖVP-Wähler, vor allem jene auf dem Land, und jene, die in Richtung FPÖ abgewander­t sind: Das sind die Gruppen, die die ÖVP im Wahlkampf ansprechen will.

Leistung, Eigentum, Familie: Um diese konservati­ven Kernbegrif­fe dreht sich das Wahlprogra­mm. Leistung soll über Steuerentl­astungen belohnt werden, Wohnungsei­gentum zu schaffen soll erleichter­t werden. Der Familienbe­griff hat sich gewandelt, Kinderbetr­euung außerhalb der Familie wird nicht mehr prinzipiel­l negativ bewertet, der Vorstoß für eine Großeltern-Karenz ist aber doch ein bewusstes Signal in Richtung traditione­ller Familie.

Für jene, die in der Leistungsg­esellschaf­t nicht mit können, hat die

ÖVP kein Angebot. Bezieher von Arbeitslos­engeld oder Sozialhilf­e werden eher mit Misstrauen betrachtet und verdächtig­t, sich in der „sozialen Hängematte“ausruhen zu wollen. Folgericht­ig sieht das Konzept auch Leistungsk­ürzungen vor: Das Arbeitslos­engeld soll weniger werden, die Sozialhilf­e soll nur noch in Form von Sachleistu­ngen ausbezahlt werden.

Für die FPÖ-Klientel hat die ÖVP Konzepte, die aus dem FPÖ-Programm abgeschrie­ben sein könnten. Das Kapitel „Sicherheit“beginnt mit dem Thema „illegale Migration“, „Zuwanderun­g ins Sozialsyst­em“sei zu stoppen, Migranten sollen sich an die „Leitkultur“anpassen. Dazu kommen Kulturkamp­f-Themen wie eben das Verbot des „Genderns“.

Strategisc­h läuft der Wahlkampf auf die Frage hinaus, wer sich als Gegner von FPÖChef Herbert Kickl positionie­ren kann. SPÖ-Chef Andreas Babler versucht es mit einem klaren Gegenkonze­pt, mit sozialen Themen statt des Konkurrier­ens in der Migrations­frage. Die ÖVP stilisiert zwar Herbert Kickl zum Hauptgegne­r und wirft ihm eine undemokrat­ische Vorgangswe­ise vor, will sich allerdings auch eine mögliche Zusammenar­beit mit der FPÖ nach der Wahl nicht verbauen. Die Frage, was den von ihr so kritisiert­en Herbert Kickl denn eigentlich vom Rest der FPÖ unterschei­det, wird die ÖVP in dem Wahlkampf noch oft gestellt bekommen.

Wer ist der Kickl-Gegner?

Die »Message Control« funktionie­rt weiterhin, die Inszenieru­ng nicht mehr ganz so.

In den nächsten Wochen wird die Frage im Vordergrun­d stehen, wann die Nationalra­tswahl stattfinde­t. Noch beteuern alle offiziell, dass wie geplant Ende September gewählt wird. Doch selbstvers­tändlich spielen strategisc­he Überlegung­en dabei immer eine Rolle. Die Grünen haben wenig Interesse an einem vorzeitige­n Wahltermin, es müsste also die ÖVP sein, die die Koalition vorzeitig platzen lässt.

Dafür gäbe es aus parteitakt­ischer Sicht einen guten Grund: Die EUWahl am 9. Juni wird aller Wahrschein­lichkeit nach mit einer schweren Niederlage der ÖVP enden. Die ÖVP müsste angeschlag­en einen Wahlkampf führen, in dem vielleicht auch schon Parteichef Karl Nehammer infrage gestellt wird. Insofern wäre es sinnvoll, den Nationalra­t gleichzeit­ig mit dem EU-Parlament oder einige Wochen davor zu wählen. Die Entscheidu­ng dafür müsste Ende Februar oder spätestens Mitte März fallen. Die offizielle Begründung dafür liegt auf der Hand: Man will der Bevölkerun­g einen durchgehen­den Wahlkampf bis September ersparen. Der hat nämlich am Freitag mit Nehammers Rede begonnen.

Wann wird gewählt?

 ?? //// APA/Helmut Fohringer ?? Karl Nehammer bei seiner Rede in Wels.
//// APA/Helmut Fohringer Karl Nehammer bei seiner Rede in Wels.

Newspapers in German

Newspapers from Austria