Rechtsaußen, wer ist dort?
Division Feuerkrieg, Identitäre, alte Neonazis, neue Reichsbürger, Vernetzungstreffen, okkupierte Corona- oder Bauernproteste: Wie ein Lager zersplittert und sich formiert. Eine
Die extreme Rechte zeigt Präsenz: Am Donnerstag haben Identitäre in Wien ein Treffen abgehalten. Geladen: Rechtsextremist Götz Kubitschek, AfD-EUKandidat Maximilian Krah. Kritiker sahen die Köpfe des Treffens in Potsdam am Werk und riefen zum Protest. Als dann am Freitag Tausende gegen Rechtsextremismus auf die Straße gingen, störten Rechtsextreme die Veranstaltung. Sie sollen am Dach eines Gebäudes nahe des Parlamentes Pyrotechnik gezündet und ein Banner entrollt haben. Es gab drei Anzeigen.
Rechtsextreme fallen auch sonst vermehrt auf: In Wien wurde jüngst ein 20-Jähriger festgenommen, der im Umfeld der „Feuerkrieg Division“online Anschlagpläne diskutiert haben soll. Ein anderer wurde wegen Wiederbetätigung festgenommen. Wer sind diese neuen und alten Rechten?
Die Feuerkrieg Division ist bzw. war eine Chatgruppe, von der laut Behörden rechtsterroristische Gefahr ausgehe. „Die Gruppe in der Form dürfte sich aufgelöst haben, eventuell wurden Mitglieder von der Atomwaffen Division, dem US-Vorbild, absorbiert, das ist unklar. Klar ist: Derartige Akteure sind hochgradig aufgerüstet, von ihnen geht die höchste Gefahr aus, Anschläge oder Gewalttaten zu verüben“, sagt TerrorExperte Nicolas Stockhammer.
So radikalisiert sind wenige: „In Österreich gibt es sicher Personen anzahlmäßig im niedrigen bis mittleren zweistelligen Bereich, von denen eine mögliche Anschlagsgefahr ausgeht. Gewaltbereit sind definitiv weit mehr“, sagt Stockhammer. Aber: „Wenn man sich die Gesamtwetterlage ansieht, zeigt sich eine hohe Aktivität, auch an den vermehrten Waffenfunden der letzten Jahre. Die Szenen sind stark vernetzt, auch international. Aber sie sind auch sehr heterogen. Einerseits die ,traditionellen‘ Neonazis, andererseits die Neue Rechte, die in die Mitte die Gesellschaft kommen wollen. Aber man muss verstehen, das Identitäre, der ideologische
Kosmos der Neuen Rechten, ist die Grundlage für aktuelle extremistische Gewaltausprägungen: das ,Siege‘-Narrativ, The Great Replacement, The Great Reset (siehe Infobox), darauf beziehen sich Rechtsterroristen. Ich vergleiche die Identitären bei Rechtsextremen in Bezug auf ihre subversiven Taktiken und Ziele mit den Muslimbrüdern bei Islamisten: ideologische Durchlauferhitzer“, sagt Stockhammer.
Fragmentiert ist auch die Führungsstruktur. Die Bewegung sieht eine gewisse Führungslosigkeit als Stärke, mit der man sich weniger angreifbar machen will. Zugleich gebe es „Epigonen, wie den norwegischen Terroristen Breivik, die verehrt werden.“
Neonazis wie Gottfried Küssel haben indes an Bedeutung verloren. Viele Führungspersonen sind tot, Gerd Honsik etwa. „Der Einfluss ist heute sehr beschränkt“, sagt Bernhard Weidinger, Rechtsextremismus-Experte im DÖW, dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. „Die alte Garde hat ihre Strahlkraft verloren, ihre Zeit ist abgelaufen“, so Stockhammer.
Überklebte Hakenkreuze. Die Identitären treten anders auf als die konspirativen Neonazis, sie laden zu Veranstaltungen, wollen fotografiert werden. Während Corona ist aber auch Küssel wieder öffentlich aufgetreten. Die großen Demos wollten viele nutzen: Alte Verschwörungsmythen, Feindbilder und SystemKritik wurden mit Coronathemen vermengt, Neonazis, Identitäre, Staatsverweigerer fanden zusammen.
Heute sind Demos kleiner. Etwa eine der Identitären 2023, zu der auch Neonazis kamen. „Die sehen da eine Chance, auf Gegendemonstranten zu treffen. Die Identitären haben ein Problem: Sie freuen sich, wenn sie einmal mehr sind als nur 50. Aber sie wollen die
Punze als Rechtsextreme vermeiden. Sie sind dann mit Gaffa-Band durchgegangen und haben die Neonazis Tattoos oder Aufdrucke überkleben lassen“, sagt Weidinger. Die Differenzen sind groß. „Alt-Neonazis sehen Identitäre als Spendenkeiler. Sie sehen auch die FPÖ nur als Systempartei“, so Weidinger.
Man müsse Neonazis und den Rest trennen. Den Rest müsse man „als gemeinsame Unternehmung sehen, was seit Kickl auch die FPÖ einschließt. Es schließt Identitäre ein, aktivistische Gruppen, aber auch sogenannte ‚Alternativmedien‘. Sie begreifen sich als Bewegung, in der man arbeitsteilig vorgeht, sich nicht abgrenzt“, so Weidinger. Aber die Ziele sind verschieden: Die Identitären gehen legalistisch vor, wollen Veränderungen innerhalb des Systems, etwa, dass eine FPÖ-Regierung ihre Ideen umsetzt. Neonazis oder Rechtsterroristen träumen vom Tag X, dem Umsturz, einem Ende der Demokratie. Das eint sie mit sogenannten Reichsbürgern.
»Wenn man sich die Gesamtwetterlage ansieht, zeigt sich eine hohe Aktivität.«
Was ist nun die größte Gefahr? „Ich sehe Gefahr in der zunehmenden Radikalisierung, es gibt immer wieder Anschlagpläne. Aber das hat nicht die Kraft, unsere Demokratie zu destabilisieren. Die größte Bedrohung geht von Einzeltätern aus. Es kann aber sein, dass sie von Gruppen angeleitet sind“, sagt Stockhammer. „Massiv im Kommen“sieht er die Delegitimierer: also Staatsverweigerer wie die Reichsbürger.
Seit die große Mobilisierung der Coronaproteste vorbei ist, suchen Rechtsextreme neue, ähnliche Möglichkeiten.
In Deutschland wurden etwa die sogenannten Bauernproteste okkupiert. Droht hier eine neue Bewegung? „Für Rechtsextreme ist genau das die Hoffnung: Ein gemeinsames Feindbild, die Regierung. Ideologen, die kein Interesse an den Themen der Bauern haben, versuchen das mit den eigenen Kernbotschaften aufzuladen und hoffen, dass es letztlich zu einer Bewegung gegen ,Multikulti‘, gegen den ,Great Reset‘ wird“, sagt Weidinger.