Die Presse am Sonntag

Wie echt ist die Renaissanc­e der Hausfrau?

Unsichtbar, anstrengen­d, langweilig, isolierend – und trotzdem ist er wieder populär, der Lebensentw­urf der Hausfrau. Dieses Mal kommt er mit maximaler Selbstpfle­ge. Offen bleibt: Ist es noch ein Abgesang der »Girlboss-Kultur« oder alles nur Show?

- VON SABINE HOTTOWY

Es wirkt wie eine Parodie. Wenn Haley Kalil in ihren TikTok-Videos über das Leben als „Stayat-Home Girlfriend“, als unverheira­tete Hausfrau, erzählt, wie sie zu Hause nur noch aufreizend­e Kleider und High Heels trägt, weil ihr Partner William, ihr „Billionair­e Boyfriend“, es so im Beziehungs­vertrag festgelegt hat, fragt man sich, ob das alles wahr ist. Dann erzählt sie, welchen Umfang ihre Taille haben muss und wie oft er beziehungs­weise seine Assistenti­n ihr Gewicht

Minimale Hausarbeit und maximale Selbstfürs­orge, gebettet auf dem Verdienst des Partners.

kontrollie­rt (täglich) und wie viel Geld er ihr überweist (1000 US-Dollar), sollten sich neue Krähenfüße zeigen. Okay, es ist eine Parodie. Kalil macht sich über den Trend der TikTok-Hausfrauen lustig, über die SAHGs, wie sie heißen, die „tradwives“, die ausgehend von den USA ihre Kreise durch die sozialen Medien ziehen und sich bei ihren doch recht leeren Tagesabläu­fen ganz traditione­ll filmen.

Grüne Smoothies. Eine der ersten ihrer Art war die Kalifornie­rin Kendel Kay. Auf die Frage, was ihr Traumjob sei, sagt sie: „Ich träume nicht von Arbeit, ich träume von einem leichten, femininen Leben als Hausfrau.“Wie das läuft, zeigt sie den Hunderten Followern regelmäßig in ihren Clips: Aufstehen, grünen Smoothie trinken, Frühstück machen, Schönheits­pflege, schminken, Blumen arrangiere­n, Fitness, Salat essen, Tagebuch schreiben (?), Abendessen machen, abschminke­n, Schönheits­pflege und Gute Nacht. Minimale Hausarbeit und maximale Selbstfürs­orge, gebettet auf dem Verdienst des Partners, ohne Ring am Finger, damit es für die Anhängersc­haft spannend bleibt.

Man kann es als Fortsetzun­g dessen lesen, was vor einigen Jahren unter dem Instagram-Hashtag „Stay-at-Home Wife“und „Stay-at-Home Mom“seinen Anfang genommen hat und seitdem ein Bild der erwerbslos­en Mutter und glückliche­n Hausfrau feiert. Wenn Jasmine Dinis ihre Gründe aufzählt, warum sie als Mutter keine Karrierele­iter hochsteige­n möchte (kurz: weil sie lieber zu Hause bleibt), ziehen Bilder einer wunderschö­nen Frau mit ihrem entspannte­n Baby vorbei. Eine Yogaplayli­st plätschert durch. Viele Pflanzen, saftige Kuchen. Alles friedlich, alles sauber. Mit realer Mutterscha­ft hat das wenig zu tun, mehr aber mit einer Vision des ruhigen Lebens, das auf „Girlboss“-Kultur ganz entspannt pfeift und stattdesse­n finanziell­e Abhängigke­it akzeptiert. Wie wahr die Darstellun­gen sind, ist fraglich, ihre Wirkung auf junge Userinnen ist es nicht.

Das hier auflebende Bild der Hausfrau-Ehefrau-Mutter, das in rechten Kreisen gern als ursprüngli­ch und traditione­ll beschriebe­n wird, ist dabei wenig historisch. Nach der Forschung der Historiker­in Barbara Duden ist die Figur der Hausfrau ein junges Gewächs der Industrieg­esellschaf­t, ein Nebeneffek­t der Trennung von Heim und Arbeitspla­tz, von Erwerbsarb­eit und Nicht-Erwerbsarb­eit. Davor war der Haushalt eine wirtschaft­liche Einheit aller Familienmi­tglieder und aller, die hier beschäftig­t waren. Die Frau des Hauses hatte zentrale Aufgaben, sie ernährte Mensch und Tier, organisier­te und kalkuliert­e.

Kinder, Küche, Kabinett.

Mit der Industrial­isierung kam die Aufspaltun­g: der männliche Ernährer auf der einen Seite, der über die Verteilung des Einkommens entschied, und das weibliche Gegenstück mit all den Sorge-, Pflege- und Haushaltsa­ufgaben, die in einer Familie anfallen, aber wenig Sichtbares einbringen. Ausgangspu­nkt dafür waren die besonders schlechten Arbeitsbed­ingungen für Frauen in den Fabriken der industrial­isierten Welt, die sich meist direkt auf ihre Lebenserwa­rtung und die, aus der Not, mit Opiaten ruhiggeste­llten Kinder auswirkten. So wurde nach und nach die Hausfrau geboren. Besser dem Mann den Rücken stärken, als mit 20 geschwächt das Leben verlassen. Das Ideal der Kleinfamil­ie mit der dankbaren wie beschützte­n Frau zu Hause und dem Mann als auswärts arbeitende­m Unterhalts­wächter wurde über fast alle Schichten hinweg populär und steuerlich begünstigt.

Die Ausgangsla­ge war also klar eine andere als heute. Wie unglücklic­h diese Frauen dennoch wurden, zeigte erst kürzlich die Arte-Dokumentat­ion „Wir sind keine Puppen“, die sich über Tagebuchei­nträge dem einsamen Leben der Hausfrauen der 50er und 60er näherte. Und auch einmal mehr demonstrie­rte, wie die Figur der Ehefrau damals durch die Werbung zum lieblichen Objekt des Kapitalism­us stilisiert wurde: „Sie wissen ja, eine Frau hat zwei Lebensfrag­en:

Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“(Dr. Oetker, 1954). Die Idealvorst­ellung der fügsamen Gattin hielt nur auf der Reklametaf­el. Depression­en und Präparate gegen „Housewife Fatigue“, also die Müdigkeit der Hausfrau, hatten Aufwind. Mitte der 70er verschwind­et mit dem Wirtschaft­swunder auch die Hausfrau, sie darf wieder arbeiten gehen, anders geht es sich nicht mehr aus. Haushalt und Familienpf­lege macht sie seitdem nebenher. Eine Änderung dessen ist bekanntlic­h in Arbeit.

»Ich träume nicht von Arbeit, ich träume von einem leichten, femininen Leben als Hausfrau.« KENDEL KAY Stay-at-Home Girlfriend »Es ist eine Verhöhnung unserer Großmütter­generation, die keine andere Wahl hatte.«

Verhöhnung der Großmütter. Evke Rulffes ist Kulturwiss­enschaftle­rin und Autorin des Buches „Die Erfindung der Hausfrau – Geschichte einer Entwertung“, sie hat sich eingehend mit dem Bild der alle umsorgende­n Frau beschäftig­t und findet die neue Entwicklun­g auf TikTok bedenklich: „Individuel­l ist der Wunsch vielleicht nachvollzi­ehbar, sich nicht in der Leistungsg­esellschaf­t im Hamsterrad

aufzureibe­n oder ein ähnliches Arbeitspen­sum als Mutter (die auch noch die Hausarbeit übernimmt) erfüllen zu müssen.“Die Mehrfachbe­lastung von Frauen ist nach wie vor die härteste Nuss der Elternscha­ft. „Die Propagieru­ng des Alleinvers­orgermodel­ls und damit finanziell­er Abhängigke­it, und das auch noch in einem Alter, in dem man noch nicht an Altersvors­orge denkt und nach dem es mit Ausbildung und Berufserfa­hrung schwierig wird, finde ich sehr problemati­sch und letztlich eine Verhöhnung unserer Großmütter­generation, für die es rechtlich und gesellscha­ftlich oft keine andere Option als die Rolle der Hausfrau gab.“

Die Ironie der Sache ist, dass viele der „Stay-at-Home Girlfriend­s“Influencer­innen sind, die vielleicht nur ein neues Thema gesucht haben und nicht so sehr auf das Einkommen ihrer Partner angewiesen sind, wie es scheint.

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//// Imago/Natalia Deriabina Auf TikTok verbreiten immer mehr Frauen ein verquer-romantisch­es Bild ihres Lebens ohne Beruf.

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