»Frauen und Mädchen sind eher in Gefahr, im Netz beschimpft zu werden«
Hasskommentare, Beleidigungen oder Drohungen: Frauen werden häufig Opfer von Gewalt in sozialen Netzwerken. Umso wichtiger sei, sich gegenseitig – auch virtuell – zu unterstützen.
In sozialen Netzwerken sinkt die Hemmschwelle, andere Personen (gruppen) zu beleidigen, sie zu degradieren oder sogar zu bedrohen. Besonders Frauen sind davon betroffen, weiß die pädagogische Leiterin bei Safer Internet, Barbara Buchegger. In ihrer Funktion beschäftigt sie sich primär mit Jugendlichen. „Wenn ich mit jungen Frauen über Gewalt im Netz spreche, zeigt sich, dass sie keinen Unterschied zwischen offline und online machen. Die Wertigkeit ist ident. Oft können sie nicht einmal mehr rekonstruieren, ob ein Gespräch virtuell oder in der Realität stattgefunden hat.“
Auch deshalb sei es notwendig, für Solidarität im Netz einzustehen, betont sie. „Dafür gibt es viele positive Beispiele, vor allem unter Frauen. Sie finden sich in Interessensgruppen wieder, die – teilweise klischeehaft – Themen wie Handarbeit, Rezepte oder regionale Grätzltouren aufgreifen. Hier wird Lob, Unterstützung und Bewunderung gelebt“, sagt sie. Der Vorteil liege auch an der Reichweite. So sei es nicht ungewöhnlich, Bilder vom selbstgemachten
Schal einer Fremden zu teilen, „einfach nur, um auf ihre Leistung aufmerksam zu machen“. Selbiges gelte, wenn Veranstaltungen von Frauen, eine Botschaft oder eine Inspiration verbreitet werden. Doch diese ideologisch fundierte Unterstützung, aus Prinzip für andere Frauen ein- und aufzustehen, sei zuletzt gesunken. „In den 1970er-Jahren, als ich aufgewachsen bin, war das gang und gäbe. Mittlerweile scheint es leider aus der Mode gekommen zu sein.“
Diesem Eindruck liegen auch konkrete Zahlen zugrunde. So wurden 92 Prozent der Männer und 90 Prozent der Frauen in der Altersgruppe zwischen 18 und 35 Jahren bereits mehrfach Zeugen digitaler Gewalt. Jede zweite Person sei sogar schon persönlich von digitaler Gewalt betroffen gewesen. Über alle Altersgruppen hinweg waren knapp 30 Prozent der Männer und 27,5 Prozent der Frauen betroffen. Somit sei digitale Gewalt nicht nur zur Realität, sondern zur Normalität geworden, wie eine EUweite Umfrage von Hate Aid und The Landecker Digital Justice Movement zeigt. „Frauen und Mädchen, die sich im Netz äußern, sind eher in Gefahr, beschimpft und heruntergemacht zu werden. Deshalb trauen sie sich in Folge oft nicht mehr, öffentlich zu kommunizieren – oder eben: zu kommentieren. Männer sind davon seltener betroffen“, so Buchegger.
Zudem erleben sogenannte „Expose Me“-Seiten einen Aufschwung: Profile, die nur angelegt werden, um sich über andere – vor allem junge Mädchen – lustig zu machen, diese zur Schau zu stellen oder selbst private Fotos zu veröffentlichen. „Dabei handelt es sich um Cybermobbing. Wir bemerken hier aber eine starke Bereitschaft, primär unter Freunden, dagegen aufzutreten. Die wenigsten beschweren sich direkt auf dem Profil, aus Angst, selbst bloßgestellt zu werden. Sie melden sich beim Lehrpersonal und wenden sich an die Eltern der Betroffenen.“Diese Unterstützung brauche es jedoch nicht nur vom engsten Freundeskreis, sondern auch von Außenstehenden.
Deshalb wünscht sich die Expertin mehr Verantwortungsbewusstsein dafür, als Zusehender das Wort zu ergreifen und entsprechend der Situation zu handeln, im Netz wie auch im privaten und öffentlichen Leben – von Männer wie auch (unter) Frauen.