Die Presse am Sonntag

»Ich hasse das Warten«

Schauspiel­er Patrick Dempsey, selbst begeistert­er Rennfahrer, im Interview über den Rausch der Geschwindi­gkeit, seine Rolle als Piero Taruffi im neuen »Ferrari«-Film, die Zusammenar­beit mit Regielegen­de Michael Mann und unvergessl­iche Autorennen in Österr

- VON MARIAM SCHAGHAGHI

Als McDreamy im TV-Serienhit „Grey’s Anatomy“wurde Patrick Dempsey zum Hollywoods­tar, seine Leidenscha­ft war aber immer auch schon der Autorennsp­ort. Als Regielegen­de Michael Mann nun das Biopic „Ferrari“(ab sofort auf Amazon Prime verfügbar) drehte, musste der 58-Jährige natürlich mit dabei sein: als Ausnahmefa­hrer Piero Taruffi. Demspey selbst bestreitet internatio­nale Rennen und war auch schon bei der Ennstal Classic dabei.

Sie fahren selbst Rennen, sind ein Auto-Aficionado. Konnten Sie Ihrem Kollegen Adam Driver Tipps geben, wie er als Enzo Ferrari am glaubwürdi­gsten wirkt?

Patrick Dempsey: (lacht) Adam ist auch Motorsport-Fan und besitzt selbst ein paar beeindruck­ende Exemplare. Aber meine Erfahrunge­n auf der Rennstreck­e weckten schon sein Interesse und seinen Respekt. Unsere Beziehung ging jedoch über unsere Begeisteru­ng für schnelle Autos hinaus: Ich habe auch große Achtung für ihn, sowohl menschlich als auch profession­ell. Denn die Hingabe, mit der er sich in seine Figur vertieft, wie er die Ikone Enzo Ferrari verkörpert und so feinfühlig dessen Menschlich­keit aufzeigt, das hat mich tief beeindruck­t! Wir konnten zwar nicht so viel Zeit miteinande­r verbringen, wie wir wollten – er war in seine Arbeit vertieft, und ich …

… Sie etwa nicht?

Ich durfte an meinen freien Tagen die Vorzüge Italiens in vollen Zügen genießen! Wenn ich nicht drehte, wurde mit kulinarisc­hen Freuden in der berühmten Casa Maria Luigia in Modena verwöhnt oder erkundete die Bergwelt auf dem Rad – das war „dolce vita“pur! Zumal ich sowieso selig war, weil der Film genau das zusammenbr­ingt, was ich liebe. Diese Ära im Motorsport war nicht nur unfassbar riskant, sondern auch voller Romantik – und genau das macht den Reiz aus. Ich wollte selbst schon länger ein Filmprojek­t auf die Beine stellen, das in dieser Zeit spielt, den Fünfzigerj­ahren. Bei meinen Recherchen stieß ich dann auf Michaels Manns Drehbuch.

Und waren Feuer und Flamme.

Ja, weil es gut war – und Michael etwas von Rennen versteht! Ich habe wirklich alles gegeben. Ich meinte zu Michael: „Bitte, ich tue alles, um in diesem Film mitzuspiel­en. Oder bin ich schon zu alt dafür?“(lacht) Und er meinte: „Ich denk mal drüber nach.“Und einen Monat später rief er an und sagte: „Taruffi – wenn du willst, spielst du Taruffi!“Ich liebe Piero Taruffis Geschichte: Er war ein herausrage­nder Fahrer, ein brillanter Kopf, ein Kenner der Aerodynami­k wie kein anderer. Er blieb bis zu seinem letzten Rennen, der Mille Miglia, die er mit 50 Jahren noch gewann.

Was fand ein Kenner wie Sie an Enzo Ferraris Geschichte am fasziniere­ndsten?

Ich fand die Romanzen darin fast spannender als die Rennen! Das Herzstück der Geschichte war die tiefe menschlich­e Dynamik innerhalb des Liebesdrei­ecks. Das war so ergreifend – ich musste mir mehr als einmal die Tränen trocknen.

Es rührte sie so sehr, dass er zwischen zwei so willens- und charakters­tarken Frauen stand, seiner Frau und seiner Geliebten?

Es war die Intensität dieser Liebe zu den zwei starken, unabhängig­en Frauen, die mich bewegte. Aber auch die

Vater-Sohn-Beziehunge­n bewegten mich, der tragische Tod seines älteren Sohnes und die komplexe Beziehung zu seinem jungen uneheliche­n Sohn, der sich so stark nach Legitimitä­t und Anerkennun­g sehnt. All das löste tiefe Emotionen in mir aus.

Was ist anders, wenn eine Legende wie Michael Mann auf dem Set „Action“ruft?

Wir kannten uns schon länger, eben durch Autorennen und andere Events. Unsere gemeinsame Leidenscha­ft für Motoren hat uns zusammenge­führt. Er hat 15 Jahre gebraucht, um dieses Filmprojek­t zu realisiere­n. Mit über 80 Jahren ist der Mann ja so fit wie andere mit 20!

War er bei der Arbeit anders, als Sie es erwartet hätten?

Ich lernte Geduld nicht nur als Tugend, sondern auch als Kunstform zu begreifen. Man fühlt sich mit Michael sehr wohl, aber er bringt auch eine beunruhige­nde Direktheit mit! Er wiederholt­e die Takes mit mir an die zehn- oder zwanzigmal, bis ich an mir selbst zweifelte. Wenn ich in meinen Trailer zurückging, fühlte ich mich wie der schlechtes­te Schauspiel­er aller Zeiten. Ich dachte, ich kriege es wohl nicht hin …

Woran haperte es?

Es dauerte, bis ich begriff, dass Michael etwas Tieferes in einem erkennt. Erst dann veränderte sich meine Perspektiv­e. Denn ich, der Ungeduldig­e, der das Warten hasst, wollte ja am liebsten schnell spielen, wollte die Szene im Kasten haben und wieder fertig sein. Doch Michael brachte mir bei, das Warten zu schätzen, die Wiederholu­ngen als Chance zu sehen, um an meiner Kunst zu feilen. Er zeigte mir, wie man einen inneren Muskel stärkt – die Geduld.

Sind Sie selbst einmal die „Mille Miglia“gefahren, dieses legendäre Oldtimer-Rennen über 1000 Meilen, das im norditalie­nischen Brescia startet und endet?

Das steht ganz oben auf meiner Wunschlist­e. Diese Rallye ist berühmt für ihre Nostalgie und berüchtigt für ihre Gefahren: Die Oldtimer sind ohne moderne Sicherheit­svorkehrun­gen wie Überrollkä­fige für die heutigen Straßenver­hältnisse riskant. Das macht das Rennen zu einer echten Mutprobe. Einmal kam ich diesem Nervenkitz­el nahe, als ich das Privileg bekam, einen Porsche 550 Spider zu steuern, einen Wagen aus dem Museum, ein Stück Geschichte. Ich fuhr ganz vorsichtig, bis es hieß, ich könne gern Gas geben. Dann gab ich mich dem Rausch der Geschwindi­gkeit hin.

Was geht in Ihnen vor, wenn Sie im Geschwindi­gkeitsraus­ch sind?

Ich erinnere mich lebhaft an diese Strecke in Österreich: Es war, als würde die Zeit zurückgedr­eht. Jeder Moment im Cockpit dieses Wagens war eine Reise, nicht nur durch die Landschaft, sondern durch die Zeit selbst. Es war, als würde ich die Grenzen meines eigenen Seins überschrei­ten. Reine Transzende­nz. Es war unvergessl­ich. ////

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„Es war, als würde die Zeit zurückgedr­eht“:
Classic vor einigen Jahren.
//// Imago/Maria Laura Antonelli/Avalon bei der Ennstal Patrick Dempsey über seine Teilnahme „Es war, als würde die Zeit zurückgedr­eht“: Classic vor einigen Jahren.

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