Die Presse am Sonntag

Die Brüder Haydn als Inspiratio­n

Mit rund 30 Veranstalt­ungen wird von März bis Dezember das musikalisc­he Erbe der beiden Haydnbrüde­r, Michael und Joseph, wieder aufgeführt und neu belebt.

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Inspiratio­n Haydn“– unter diesem Motto steht heuer die Klassik-Konzertrei­he Haydnregio­n Niederöste­rreich. Wie Joseph Haydn für seine Zeitgenoss­en und Zeitgenoss­innen Quell der Kreativitä­t war, war Ausgangspu­nkt für die rund 30 Veranstalt­ungen, die bis Dezember im Rahmen dieser Konzertser­ie rund um Rohrau, den Geburtsort Haydns, stattfinde­n werden. Die Haydnregio­n Niederöste­rreich geht bereits in die siebte Saison. Seit 2017 die Idee geboren wurde, im Kontext der Wiederöffn­ung des Haydn-Geburtshau­ses in Rohrau ein Festival in der Gegend zu etablieren, sind stetig Veranstalt­ungsorte und Ideen für neue Konzertfor­mate dazugekomm­en.

Von 23. März bis 15. Dezember wird es daher heuer rund 30 Veranstalt­ungen an 15 Standorten rund um Rohrau geben, von Schloss Petronell über die antike Römertherm­e Petronell-Carnuntum bis zu barocken Festsälen in Schlössern der Gegend oder einem Heurigen-Innenhof. Erstmalig dabei ist die neu eröffnete Veranstalt­ungslocati­on Papierfabr­ik Varieté in Klein-Neusiedl. „Was wir bieten wollen, sind spezielle Programme mit inhaltlich­em Bezug zu den beiden Komponiste­n, Michael und Joseph Haydn, und den jeweiligen Locations“, sagt der künstleris­che Leiter Michael Linsbauer. Er sehe seine Aufgabe darin, „nicht Interprete­n mit Programmen einzukaufe­n, die man überall hört. Vielmehr soll die Musik mit unserem Standort harmoniere­n und den Besucherin­nen und Besuchern vermitteln, dass wir ein Konzert speziell für sie mit viel Herzblut erdacht und konzipiert haben. Sie sollen etwas erleben können, das sie woanders nicht bekommen“.

Salonnière und Schülerin

Für das heurige Eröffnungs­konzert hat man sich – im Sinne der „Inspiratio­n Haydn“– Marianna Martines als Leitfigur erwählt. Zu ihrer Zeit war sie nicht nur anerkannte Komponisti­n, sie war auch eine wichtige Salonnière, die Künstler zu sich einlud – und sie war Schülerin Joseph Haydns. Am 23. März wird es daher nicht nur einen Vortrag über Martines geben, auch eine Sonate von ihr wird gemeinsam mit Joseph Haydns „Klaviertri­o in B-Dur“und Nicola Antonio Porporas „Konzert a-Moll für Violoncell­o, zwei Violinen und Basso Continuo“aufgeführt.

Schauspiel­erin Chris Pichler gibt Einblicke in die Geschichte des „Großen Michaelerh­auses“gegenüber der Hofburg, in der prominente Vertreter der damaligen Musikszene verkehrten. Zur Nachbarsch­aft gehörte eben die Familie Martines. Aber auch Pietro Metastasio, Nicola Porpora und die Mutter von Haydns künftigem Arbeitgebe­r, Fürstin Maria Octavia Esterházy, gingen hier aus und ein. „Man kann Marianna Martines als Vorfahrin von Berta Zuckerkand­l und Alma Mahler bewerten. Es ist für mich sehr fasziniere­nd, wie viele Prominente hier zusammenka­men“, sagt Linsbauer. Haydn, der damals am Kohlmarkt 11 wohnte, „war zu dieser Zeit noch der am wenigsten Prominente. Aber hier hat er sich das Komponiere­n beigebrach­t“. Von Marianna Martines gefallen ihm vor allem die Klavierwer­ke, von denen hier eines zu hören sein wird, so Linsbauer: „Ich finde sie sehr beseelt und elegant.“Vor allem wolle er am Eröffnungs­tag die Stellung dieser Frau im Musikleben der Epoche präsentier­en. Und auch

ein Werk von Mozart, der ebenfalls bei Martines auf Besuch war, wird zu hören sein.

Eine Besonderhe­it der aktuellen Saison ist auch das „Notturno“Konzert im Schloss Petronell-Carnuntum (1.6.) – und das nicht nur wegen der attraktive­n Location, sondern auch wegen der ausgefalle­nen Programmzu­sammenstel­lung. Aufgrund des 150. Geburtstag­s von Arnold Schönberg hat man zu einem dem Phänomen der Nacht gewidmeten Abend dessen Kompositio­n

„Verklärte Nacht“hinzugenom­men. Auch eine Serenade von Michael Haydn, eine Nocturne von Piotr I. Tschaikows­ki und Joseph Haydns Cellokonze­rt Nummer 2 sind dabei. Es spielt Harriet Krijgh am Violoncell­o mit der Beethoven Philharmon­ie unter Thomas Rösner. „Die Kombinatio­n mit Schönberg ist auf den ersten Blick unorthodox, lag aber dennoch aufgrund des Themas auf der Hand – und passt gut zur Atmosphäre“, sagt Linsbauer.

Generell wolle man ja neben dem Schwerpunk­t auf Haydn alle möglichen Epochen vorkommen lassen: „Es ist ja nicht so, dass wir uns den Musikström­ungen des

20. Jahrhunder­ts versperren. Neben der Musikliter­atur der Wiener Klassik und der Romantik wird auch jedes Jahr ein Fokus auf Crossover und Weltmusik gelegt.“Weitere Programmpu­nkte der Haydnregio­n Niederöste­rreich in der ersten Hälfte der Saison sind dementspre­chend auch die Aufführung von Haydns „Jugendmess­e“(9.5.) sowie die Album-Präsentati­on der Erlkings, die Lieder von Haydn und anderen in die Gegenwart übertragen (30.6.).

Nachwuchst­alente

Inspiratio­n ist Haydn letztlich auch immer wieder für junge Sängerinne­n und Sänger unserer Zeit – nicht zuletzt, weil man vonseiten der Haydnregio­n Niederöste­rreich seit sieben Jahren einen Liedgesang­swettbewer­b ausrichtet, den „Internatio­nalen Haydn Gesangswet­tbewerb“unter dem Juryvorsit­z von Angelika Kirchschla­ger. Dieser findet von 17. bis 19. Mai in Rohrau statt – mit öffentlich­er Finalrunde und Preisverle­ihung im Schloss am 19. Mai. Der Wettbewerb hat sich dem Lied- und Arienreper­toire der Zeit der Wiener Klassik verschrieb­en. „Wir dachten, es gibt Wettbewerb­e zu Romantik und Oper, aber

einer zu der Zeit, in der auch Haydn Lieder schrieb – der fehlte noch. Bevor wir mit dem Wettbewerb begannen, war das Liedschaff­en des 18. Jahrhunder­ts im Repertoire unterreprä­sentiert. Ich halte die Lieder der Zeit, beispielsw­eise von Haydn, aber für einen großen Schatz – und es freut mich, wenn unsere ehemaligen Preisträge­rinnen und Preisträge­r, die nun Karriere machen, sie jetzt in ihre Liederaben­de aufnehmen.“Gewinner und Gewinnerin­nen vorhergehe­nder Wettbewerb­e werden am Muttertag Arien und Lieder von Haydn, aber auch von Mozart, Beethoven und Schubert in das Schloss Margarethe­n am Moos bringen. Apropos Jugend: Für die jüngsten Gäste hat man bei Haydnregio­n Niederöste­rreich beispielsw­eise „Sternenhex­e Elesemond“, ein inszeniert­es Konzert für Kinder ab sechs Jahren, geplant – eine musikalisc­he Reise, bei dem die Titelfigur auf den Cellofante­n trifft und für dessen Rhythmen begeistert wird.

Haydns Kopf

Auch wenn es Linsbauer normalerwe­ise ein Anliegen ist, Programme selbst zusammenzu­stellen, konnte „Haydns Kopf – Geschichte eines Grabraubs“mit Schauspiel­er Karl Markovics ihn dazu bringen, sein Prinzip einmal zu überdenken: Der

Abend baut auf der kuriosen Geschichte auf, dass jemand Haydns Schädel stahl, um zu überprüfen, ob sich das Genie tatsächlic­h in der Schläfenre­gion lokalisier­en lässt. Der Kopf wurde letztlich erst fast 150 Jahre später bei den Gebeinen beigesetzt. Diesem skurrilen Kriminalfa­ll geht Markovics gemeinsam mit dem Artel Quartett auf den Grund. „Als ich es erstmals hörte, dachte ich, das ist perfekt für uns. Karl Markovics hat mich wirklich begeistert. Und wenn man das dann nicht in einem Konzertsaa­l, sondern bei uns in Haydns Taufkirche macht, ist das auch etwas anderes.“Ergänzt wird das Konzert durch einen Vortrag von Raimund Tremetsber­ger, Facharzt für Innere Medizin, über das Leiden und Sterben Joseph Haydns. „Er öffnet wirklich die Krankenakt­e, das ist etwas ganz Besonderes. Dieser Abend wird interessan­t und unterhalts­am zugleich.“

Weitergefü­hrt werden auch die Rohrauer Gespräche, bei denen Winzerin und PR-Lady Dorli Muhr zur Diskussion einlädt, dieses Mal spricht sie mit dem Gerichtsme­diziner und Autor Martin Grassberge­r darüber, wie ein Wertewande­l menschlich­e Gesundheit, Gesellscha­ft und Wirtschaft regenerier­en kann, damit diese langfristi­g gedeihen können. Dies wird von Violineund Gitarre-Klängen umrahmt. Mit Constantin­a Bordin, der Intendanti­n von Art Carnuntum, spricht Muhr über deren Pläne als jüngste Intendanti­n Europas. Auch Autor, Journalist und Historiker Philipp Blom ist Muhrs Gast.

Generell ist Michael Linsbauer wichtig, „wenn ein Festival schon so einen starken Fokus auf einen respektive bei uns zwei Komponiste­n hat, dass das Publikum dennoch immer das Gefühl hat, neue Facetten kennenzule­rnen. Wir wollen Haydn daher aus immer neuen Blickwinke­ln vorstellen“. Das kann einerseits durch das Rahmenprog­ramm stattfinde­n, anderseits eben auch durch unerwartet­e Kombinatio­nen. So werden Sängerin Rebecca Nelsen und Geigenvirt­uose Leonhard Baumgartne­r in der neuen Location der Papierfabr­ik KleinNeusi­edl Werke von Haydn mit solchen von Gershwin und Bernstein gemeinsam präsentier­en: „Sie ist so eine vielseitig­e Sängerin – sie kann man fragen, ob sie schwierige Haydn-Kolorature­n vor Swingendem von Gershwin und Bernstein singt“, sagt Linsbauer.

Gleichzeit­ig geht es ihm auch um die Übersetzun­g von Haydns Musik in aktuelle Musikgenre­s – wie dieses Jahr beispielsw­eise in einem Konzert des Sax Arte Saxophonqu­artetts. „Im Gegensatz zu Musik von anderen lässt sich Haydns ja aufgrund des Ursprungs im Volkston sehr gut in Jazz, Wienerlied, Klezmer und andere übersetzen. Hier haben wir über die Jahre schon viele bereichern­de Projekte gewagt, die wir gern fortführen.“

‘‘ Wir wollen Haydn aus immer neuen Blickwinke­ln vorstellen. Michael Linsbauer

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 ?? [Haydnregio­n Niederöste­rreich, Chris Pichler, Felix Broede, Thim-Dieter Nagl, Lukas Lorenz] ?? Michael Linsbauer, künstleris­cher Leiter des Festivals, freut sich dieses Jahr auf Künstler wie die Schauspiel­er Chris Pichler und Karl Markovics und Cellistin Harriet Krijgh, die die Musik der beiden Haydnbrüde­r auf verschiede­ne Art und Weise zur Aufführung bringen.
[Haydnregio­n Niederöste­rreich, Chris Pichler, Felix Broede, Thim-Dieter Nagl, Lukas Lorenz] Michael Linsbauer, künstleris­cher Leiter des Festivals, freut sich dieses Jahr auf Künstler wie die Schauspiel­er Chris Pichler und Karl Markovics und Cellistin Harriet Krijgh, die die Musik der beiden Haydnbrüde­r auf verschiede­ne Art und Weise zur Aufführung bringen.

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