Wann kommt das Laborfleisch?
Der erste In-vitro-Burger kostete vor zehn Jahren 300.000 Euro. Bis 2030 könnte Fleisch aus Zellkultur preislich mit echtem Fleisch konkurrieren. In zwei Ländern ist Laborfleisch schon zugelassen, ein drittes folgt demnächst. Auch in europäischen Ländern
Für die einen ist es die Zukunft, für die anderen die ultimative Kampfansage – und Italien hat schon präventiv ein Verbot erlassen. Es geht um Laborfleisch, auch Fleisch aus Zellkultur, kultiviertes Fleisch oder In-vitro-Fleisch genannt.
Doch wo steht man hier überhaupt? Wie viele Unternehmen arbeiten an kultiviertem Fleisch? Und wann kommt das bei uns auf den Markt – wenn überhaupt? „Vor 2026 nicht“, sagt Ivo Rzegotta vom Good Food Institute (GFI), einer Organisation, die Alternativen zu tierischen Produkten fördert. Eher deutlich später: Denn alleine der Zulassungsprozess eines solchen neuartigen Produkts dauert in der EU mindestens 18 Monate. Und es ist noch kein einziger Antrag offiziell eingereicht. In der Schweiz und in Großbritannien könnte es früher so weit sein: Dort hat das israelische Unternehmen Aleph Farms im Sommer eine Art Steak zur Zulassung angemeldet. In Israel steht man laut Rzegotta kurz davor, das Gesundheitsministerium hat sein Okay bereits gegeben, es fehlen nur noch Details. „Da wird es innerhalb der nächsten Wochen dazu kommen, dass das zugelassen wird.“
Im Menü von Sterne-Köchin. In den USA wurde vergangenes Jahr kultiviertes Hühnerfleisch der kalifornischen Unternehmen Good Meat und Upside Foods für den Verzehr freigegeben. Das erste Land der Welt, in dem Laborfleisch auf den Teller durfte, war aber Singapur im Jahr 2020. Auch dort handelte es sich um Hühnerfleisch, konkret um Chicken Nuggets von Eat Just, der Mutterfirma von Good Meat. Die liegen dort allerdings auch nicht im Supermarktregal, sondern werden in einzelnen Restaurants angeboten. Ähnlich wie in den USA, wo zunächst etwa DreiSterne-Köchin Dominique Crenn – die seit 2018 kein Fleisch mehr auf der Karte hatte – das kultivierte Huhn einige Monate lang ins Menü nahm.
Die Nuggets bestehen laut Rzegotta nicht nur aus kultiviertem Fleisch, sondern auch aus pflanzlichen Bestandteilen. Hauptgrund dafür: der Preis des Laborfleischs, der noch relativ hoch ist. Auch hier hat sich allerdings einiges getan. Während der erste In-vitro-Burger, den der niederländische Forscher Mark Post vor etwas mehr als zehn Jahren servierte, rund 300.000 Euro kostete, kostet ein Hühnerspieß mit Fleisch aus dem Labor in Singapur für den Kunden 13 Euro – auch wenn der Produktionspreis doch deutlich höher sein dürfte, wie Rzegotta anmerkt. „Wir rechnen damit, dass Fleisch aus Zellkultur gegen Ende des Jahrzehnts Kostenparität erreichen kann“, sagt er: Dass es also gleich viel kostet wie echtes Fleisch.
Es tut sich jedenfalls einiges. Rzegotta schätzt, dass weltweit etwas 150 bis 200 Unternehmen am Thema Fleisch aus Zellkultur arbeiten, rund 50 davon in Europa. Vielen sei es auch schon gelungen, das fötale Kälberserum – das anfangs ein fixer Bestandteil der Nährlösung für die Fleischzellen war – zu ersetzen. Das gilt etwa auch für Aleph Farms.
Die ersten in Singapur zugelassenen In-vitro-Hühnernuggets bestehen nicht nur aus Fleisch.