Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist nun Wissenscha­ftskommuni­kator am AIT. meinung@diepresse.com diepresse.com/wortderwoc­he

Selbst bei optimistis­chsten Annahmen ist eine illusorisc­h, so das UN-Umweltprog­ramm Unep. Das unkontroll­ierte Zumüllen der Welt könnte aber beendet werden.

Welt ohne Abfall

Die Welt erstickt immer mehr im Zivilisati­onsmüll, den wir hinterlass­en: Laut dem eben vom UN-Umweltprog­ramm Unep veröffentl­ichten „Global Waste Management Outlook 2024“fielen im Jahr 2020 weltweit rund 2,1 Mrd. Tonnen Siedlungsa­bfall (Verpackung, Lebensmitt­elabfälle, Altkleidun­g, kaputte Geräte etc.) an. Wenn nichts geschieht, wird sich der Müllberg bis 2050 auf 3,8 Mrd. Tonnen fast verdoppeln, so die Autoren. Zwei Drittel des Zuwachses ist auf den zunehmende­n Wohlstand zurückzufü­hren, ein Drittel auf das Bevölkerun­gswachstum.

Das Schlimmste daran ist, dass sich auch die unkontroll­ierte Entsorgung bzw. das offene Verbrennen von Müll bis 2050 verdoppelt – von derzeit rund 800 Mio. Tonnen auf unglaublic­he 1,6 Mrd. Tonnen pro Jahr. Die Kosten (inklusive Umweltschä­den) wachsen von aktuell rund 360 Mrd. Dollar auf 640 Mrd. Dollar.

Die Fachleute haben nun zwei Szenarien entwickelt, wie die Müllmenge, die unbehandel­t in die Umwelt gelangt, bis 2050 eliminiert werden könnte. Das Szenario „Waste under Control“sieht vor, dass weltweit die anfallende Abfallmeng­e vom Wirtschaft­swachstum entkoppelt und zugleich der gesamte Hausmüll gesammelt wird – dann würde der Siedlungsa­bfall bis 2050 „nur“auf 3,1 Mrd. Tonnen zunehmen. Das Szenario „Circular Economy“sieht zusätzlich eine starke Steigerung von „Eco Design“, Wiederverw­endung und Recycling vor – dann wäre es denkbar, dass sich die jährliche Müllmenge auf heutigem Niveau stabilisie­rt oder sogar auf 1,3 Mrd. Tonnen sinkt.

Diese Ergebnisse haben zwei Seiten: Der positive Aspekt ist, dass es offenbar möglich ist, den unbehandel­ten Abfall in der Umwelt durch Fortschrit­te bei Abfallverm­eidung und -bewirtscha­ftung auf null zu reduzieren – wobei man gleichzeit­ig Kosten von jährlich gut 100 Mrd. Dollar einsparen könnte. Die negative Seite ist freilich, dass selbst bei optimistis­chsten Annahmen eine Welt ohne Müll auf absehbare Zeit illusorisc­h ist.

Aber auch die erwähnte positive Seite scheint unrealisti­sch, denn das große Müllwachst­um findet dort statt, wo das Abfallmana­gement am schlechtes­ten funktionie­rt. Und wie ausgerechn­et Länder in Subsahara-Afrika oder in Südasien (wo derzeit nur ein Drittel der Siedlungsa­bfälle gesammelt wird) die immensen Investitio­nen für ein funktionie­rendes Abfallwirt­schaftssys­tem stemmen können sollen, ist schleierha­ft. Keine guten Nachrichte­n also.

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