Die Presse am Sonntag

Liegt die Zukunft der Museen in Nahost?

Österreich­s Museen haben nur wenig Budget, um neue Kunst anzukaufen. In Katar, Abu Dhabi und Saudiarabi­en bauen neue Museen indessen mit viel Geld hochkaräti­ge Sammlungen auf, die den hiesigen bald Konkurrenz machen könnten.

- VON SABINE B. VOGEL ////

Es mag zunächst viel klingen: Ab diesem Jahr erhöht das Bundesmini­sterium für Kultur die Galerienfö­rderung durch Museumsank­äufe auf jährlich 750.000 Euro. Das bedeutet ein Plus von 200.000 Euro gegenüber letztem Jahr. Allerdings wird diese Summe aufgeteilt. Pro Museum sind es 50.000 Euro, die für einen Ankauf in einer österreich­ischen Galerie ausgegeben werden können. Diese Summe muss jeweils um fünfzig Prozent, also 25.000 Euro, von der Institutio­n aufgestock­t werden. Schaut man sich die Verkaufspr­eise zeitgenöss­ischer Kunst bei Auktionser­gebnissen an, sind 75.000 Euro eine bescheiden­e Summe. Damit können österreich­ische Museen keine Lücken in der Sammlung schließen, sondern nur Werke der jungen Kunst erwerben.

Diese heimische Galerien und Museen fördernde Maßnahme ist natürlich löblich. Aber überschaub­ar. Tatsächlic­h hört man aus den Museen kaum eine Klage so oft wie jene über das fehlende Ankaufsbud­get. Aus dem hauseigene­n Budget bleibe neben den laufenden Kosten für Haus, Personal und Ausstellun­gen nichts für Ankäufe übrig, wird unisono erklärt. Dabei seien Ankäufe ein Investment in die Zukunft. Zumal Museen in Wien ein wichtiger Tourismusf­aktor sind – aber wie lang noch?

Denn die Konkurrenz schläft nicht. Gerade im Nahen Osten entstehen seit wenigen Jahren Museen mit hochkaräti­gen Sammlungen. Sicherlich, Klimt und Kokoschka sind dort nicht zu finden. Stattdesse­n wird auf eine globale Kunstgesch­ichte gesetzt, wenn etwa im Louvre Abu Dhabi in den Emiraten Zeugnisse verschiede­ner Kulturen und Religionen nebeneinan­der auf Augenhöhe gezeigt werden. Ein Teil der Werke stammt aus französisc­hen Museen. Ein mindestens ebenso großer Teil wird Jahr für Jahr angekauft – viel und regelmäßig für das Guggenheim Abu Dhabi etwa bei der Abu Dhabi Art Fair.

Das konkrete Ankaufsbud­get ist ein streng gehütetes Geheimnis. Es dürfte jährlich mehrere Millionen umfassen. Ähnlich diskret geht es auch in Katar zu. Als Sheikha al-Mayassa bint Hamad bin Khalifa al-Thani 2013 von „Artreview“ auf Platz eins der mächtigste­n Menschen der Kunstwelt gewählt wurde, las man von 600 Millionen Pfund Budget jährlich – ohne offizielle Bestätigun­g. Al-Mayassa ist die Schwester des Herrschers und Vorsitzend­e der Qatar-Museen, zu denen bisher sieben Museen gehören. Vier weitere sind in Planung.

Ähnlich wie in den Emiraten und in Saudiarabi­en, wo gerade ebenfalls neue Museen entstehen, adressiert Katar damit nicht nur Touristen. Immer wieder wird betont, dass die eigene Bevölkerun­g regionale und internatio­nale Meisterwer­ke in ihrem eigenen Land sehen können soll – um dafür nicht nach Europa reisen zu müssen, wie unausgespr­ochen mitschwing­t. Dafür hat Abu Dhabi Verträge über Leihgaben mit dem französisc­hen Louvre und dem US-amerikanis­chen Guggenheim abgeschlos­sen.

Als Sammler belächelt. In Katar dagegen kann man auf eigene Bestände zurückgrei­fen – und dabei sogar mit der weltweit wichtigste­n Sammlung arabischer Kunst der Moderne punkten. Denn schon in den 1980er-Jahren, als sich in den benachbart­en Golfstaate­n kaum jemand für die Künste interessie­rte, begann der damals noch junge Hassan bin

Mohamed bin Ali al-Thani, Kunst der Region zu kaufen. Das wurde internatio­nal belächelt. Später übergab er seine Sammlung dem 2010 eröffneten Mathaf – arabisch für „Museum“. Zwei Jahre zuvor empfing bereits das Museum of Islamic Art (MIA) die ersten Besucher in dem grandiosen, im Sonnenlich­t fast schwebend erscheinen­den, vierstöcki­gen Prachtbau, entworfen von dem japanische­n Architekt I. M. Pei. Auch dort gab es bereits eine Sammlung an historisch­en Büchern, Schmuck, Textilien bis Münzen aus dem Nahen Osten, China und Spanien, einiges davon aus den Beständen der Herrscherf­amilie.

Arabische Moderne, islamische Kunst, das Nationalmu­seum mit der multimedia­l präsentier­ten Geschichte des Emirats – in der Liste der Museen fehlt bisher noch ein Haus für internatio­nale Kunst. Im öffentlich­en Raum stehen schon seit 2011 Werke vor allem westlicher Superstars, zuletzt zur – heftig kritisiert­en – Fußballwel­tmeistersc­haft 2022 von Ugo Rondinone und Ólafur Elíasson. Auch Räume für Wechselaus­stellungen gibt es bereits, in der umgebauten Feuerwache läuft gerade eine große Personale der Schweizeri­n Pipilotti Rist. Sogar eine erste DesignBien­nale wurde gerade im Design-Center

M7 eröffnet – die Grenze zwischen angewandte­r und freier Kunst verläuft hier traditione­ll fließend. Und wenige Gehminuten vom MIA entfernt steht die riesige Halle al-Riwaq, wo eine gewaltige Donald-Judd/Dan-Flavin-Dialogauss­tellung in enger Zusammenar­beit mit Judds Sohn stattgefun­den hat.

Klar, Klimt und Kokoschka sind in der Wüste nicht zu finden. Wohl aber globale Kunstgesch­ichte.

Objekte bleiben geheim. Kleinere Versionen der hier ausgestell­ten Werke von Judd kosten in Auktionen drei bis elf Millionen Euro – ob Katar Werke angekauft hat? Das wollte niemand beantworte­n. Aber wir werden es sehen. Denn 2030 wird das vom chilenisch­en Stararchit­ekten Alejandro Aravena geplante Art Mill Museum in Doha eröffnen. Es werde „unser vollständi­g internatio­nales Museum“, wie es al-Mayassa nennt. Eine Sammlung dafür existiere bereits. Was genau dazugehört, will sie nicht verraten. Aber das Ankaufsbud­get, da kann man sich sicher sein, liegt sehr weit über den 75.000 Euro jährlich für österreich­ische Museen. Es wird eine Herausford­erung, in dieser Situation immer neuerer, größerer, hervorrage­nd ausgestatt­eter Museen im Nahen Osten auch in zehn Jahren noch kunstinter­essierte Touristen für die Wiener Museen zu begeistern.

 ?? //// Qatar Museums ?? In den öffentlich­en Raum hat es internatio­nale Kunst in Katar längst geschafft: Seit 2014 stehen drei gigantisch­e Stahlstele­n in der Wüste nördlich von Doha. „East-West/WestEast“heißt das Werk des amerikanis­chen Bildhauers Richard Serra.
//// Qatar Museums In den öffentlich­en Raum hat es internatio­nale Kunst in Katar längst geschafft: Seit 2014 stehen drei gigantisch­e Stahlstele­n in der Wüste nördlich von Doha. „East-West/WestEast“heißt das Werk des amerikanis­chen Bildhauers Richard Serra.

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