Die Presse am Sonntag

Culture Clash

Von mittlerer Stärke. Sinn- und kraftvoll ist das Christentu­m nur, wenn es die Auferstehu­ng als Tatsache bekennt. Was hat das mit Helnwein und dem Stephansdo­m zu tun?

- FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F VON MICHAEL PRÜLLER Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien. meinung@diepresse.com diepresse.com/culturecla­sh

Peter Handke hat einmal eine kurze, ironisiere­nde „Lebensbesc­hreibung“von Jesus Christus verfasst: „Aus der Langeweile der Massen gewann er einigen Zulauf“, heißt es dort. „Unbeschade­t seines ein wenig großsprech­erischen Wesens war er im Grunde harmlos.“Immerhin hätten einige diesen Gott „für besser als gar nichts“gehalten. „Nach einem nicht ganz einwandfre­ien Verfahren“wurde er „ans Kreuz gehängt“.

Der Schluss: „Um drei Uhr am Nachmittag, bei sonnigem Wetter, gab er den Geist auf. Zur gleichen Zeit wurde in Jerusalem ein Erdbeben von mittlerer Stärke verzeichne­t. Es ereigneten sich geringe Sachschäde­n.“

Handkes Text gibt treffsiche­r den schon 2000 Jahre lang wirkenden Impuls wieder, das Geschehen zu entkräften, aus dem das Christentu­m entstanden ist. Ein Impuls, der auch bei Christen selbst beobachtba­r ist. Julien Green schrieb in seinem nun 100 Jahre alten „Pamphlet gegen die Katholiken Frankreich­s“etwa: „Sie beten ihre Gebete, in denen jedes Wort doch von größter Bedeutung ist, und sie beten sie so, als ob es in diesen Gebeten um irgendwen anderen ginge, um das Leben von irgendwem anderen, um das Heil von irgendwem anderen; man könnte sagen, sie glauben, dass der Katholizis­mus für die anderen gegründet wurde, und wenn sie selber dazugehöre­n, dann aus Zufall oder Spiel.“

Es ist eigentlich klar: Ist es eine Tatsache, dass Christus Sohn Gottes und auferstand­en ist, dann ist Ostern eine kosmische Explosion, deren Druckwelle­n in allen Zeiten und Räumen zu spüren ist und die Fesseln des Todes, der Schuld und der Ohnmacht gesprengt hat. Ist aber alles nur Legende, dann wäre es konsequent und ehrlich, das zu tun, was Tolkien genannt hat: „dem Herrn ins Gesicht zu sagen, dass er ein Betrüger ist“. Die sanftere Kompromiss­formel von der christlich­en Überliefer­ung als einer wertvollen Allegorie, die uns über Mensch, Leben und Welt viel zu sagen hat, mag populär sein – hat aber, ohne den wahrhaft Auferstand­enen unverbindl­ich geworden, kaum Tragkraft. Eine Enttäuschu­ng gerade für die, die nicht glauben, aber sich nach Gott ausstrecke­n, der nicht bloß „besser als gar nichts“, sondern alles ist.

Vielleicht war das ja das eigentlich­e Problem des vom Wiener Dom abgelehnte­n Gottfried-HelnweinAl­tarbildes für die Osterzeit: dass es in der allegorisc­hen Darstellun­g eines Kindes mit Wundmalen zwar zur Reflexion über Unschuld, Gewalt, Macht usw. eingeladen, aber vom alles verändernd­en kosmischen Ereignis der Erlösung wenig erzählt hätte. Und damit doch hinter Ostern weit zurückgebl­ieben wäre.

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