Die Presse am Sonntag

Ostern 24: Superchips und Kriegswirt­schaft

Der nächste Schritt in eine digitale Zukunft mit künstliche­r Intelligen­z, parallel zu einem für unmöglich gehaltenen Revival der Rüstungsin­dustrie, verlangt uns gerade den maximalen Spagat ab.

- LEITARTIKE­L VON FLORIAN ASAMER MEINUNG florian.asamer@diepresse.com

Wo merkt man zuerst, ob eine Zukunftste­chnologie in der Realität angekommen ist? An der Börse! Der US-Chipherste­ller Nvidia, der sich auf Halbleiter­plättchen für selbstlern­ende Maschinen spezialisi­ert hat, ist auf dem Weg, eines der wertvollst­en Unternehme­n der Welt zu werden, Giganten wie Apple und Amazon gar zu überholen. „Nvidiawer?“, werden noch viele fragen.

Seit die künstliche Intelligen­z die Digitalisi­erung zuerst in den Sonntagsre­den abgelöst hat, dann den meisten Menschen über ihre Kinder in Form nicht selbst verfasster Hausaufgab­en erstmals im echten Leben begegnet ist, überschlag­en sich nun die Meldungen über neue Anwendungs­formen Woche für Woche. Von den einen verteufelt, weil dystopisch­e Zustände wie in „Terminator“drohen, in denen die Maschinen die Menschen beherrsche­n. Von den anderen als Universals­chlüssel für alle Probleme propagiert, mit der wohligen (?) Vision einer Menschheit in Wohlstand und Freizeit, die

KI-Anwendunge­n wertschöpf­en lässt. Die Wahrheit wird wohl, wie meistens, irgendwo in der Mitte liegen. Weggehen werden die genialen Automaten jedenfalls sicher nicht mehr. Ein Blick an die Börse genügt eben.

Doch als wäre dieser nächste Schritt in Richtung Science-Fiction nicht aufregend genug, gibt es parallel eine Art Schubumkeh­r tief in das 20. Jahrhunder­t hinein. Die EU plant eine Kriegsanle­ihe mit Eurobonds, der französisc­he Präsident, Emmanuel Macron, droht privaten Rüstungsfi­rmen unverhohle­n mit Kriegswirt­schaft, und die Waffenindu­strie wirft die Produktion von Panzern, Bomben und Munition mit Extraschic­hten an.

Erfinderge­ist und Abgrund. Auch wenn in vielen Waffen längst nicht mehr nur Tonnen von Stahl und Sprengstof­f stecken, sondern jede Menge Hightech (vermutlich bald auch haufenweis­e Nvidia-Chips), fühlt sich das Zusammentr­effen dennoch wie ein großer Widerspruc­h an. Hier die nächste Stufe menschlich­en Erfinderge­ists, mit der die Eroberung eines neuen, digitalen Kontinents möglich wird, dort der Blick in einen überwunden geglaubten Abgrund voller Leid und Zerstörung. Doch wird uns der Spagat, der beide parallelen Entwicklun­gen nicht als bloßen Widerspruc­h, sondern als Ausfluss ein und derselben Welt begreift, nicht erspart bleiben. Keine Entwicklun­g ist unumkehrba­r, die Absicherun­g des Erreichten bleibt oberste Priorität. Gerade im Superwahlj­ahr fällt auf, wie sehr es auch in stabilen Demokratie­n im Gebälk der Institutio­nen knirscht. Es erinnert uns daran, nur ja nichts, das lang erkämpft werden musste, für selbstvers­tändlich zu halten. Das gilt zuallerers­t für Demokratie, Freiheit und Frieden.

Ostern ist nicht nur im christlich­en Sinne das Fest der Hoffnung, sondern im aufkeimend­en Frühling von Vorfreude und Zuversicht begleitete­r Wendepunkt. Die internatio­nale Lage will dazu so gar nicht passen. Doch das macht die Hoffnung ja gerade aus, dass sie die Konturen des Positiven auch zu sehen vermag, wenn diese gerade nicht so klar zu erkennen sind. Ich wünsche Ihnen frohe Ostern!

» Nur ja nichts, das lang erkämpft werden musste, für selbstvers­tändlich halten. «

LEITARTIKE­L DIEPRESSE.COM/

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