Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT Anpassung

- VON MARTIN KUGLER Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist nun Wissenscha­ftskommuni­kator am AIT. meinung@diepresse.com diepresse.com/wortderwoc­he

In manchen Teilen der Welt wurden bereits Grenzen der an die Klimaerwär­mung überschrit­ten. In Österreich ist das – noch – nicht der Fall, sagt eine Studie.

Wie kürzlich die Weltwetter­organisati­on WMO vermeldete, war das Jahr 2023 mit 1,45 Grad über dem Niveau vor der Industrial­isierung das wärmste Jahr seit Aufzeichnu­ngsbeginn – als Krönung des bisher heißesten Jahrzehnts. Wenn der Trend so weitergeht – die CO2Emissio­nen steigen ja weiter –, steuern wir auf eine Welt mit viel mehr Hitzewelle­n, Dürreperio­den, Überflutun­gen usw. zu. Anpassungs­maßnahmen werden zu einer Überlebens­frage. Die Welt ist laut dem WMO-Bericht nicht gut darauf vorbereite­t: Nur 126 der 193 UN-Mitgliedst­aaten haben Notfallplä­ne, nur 99 haben Strategien auf lokaler Ebene.

Die Frage ist freilich, ob solche Pläne überhaupt noch etwas nützen, wenn Grenzen der Anpassung erreicht bzw. überschrit­ten werden. Dies ist in einigen Teilen der Welt, v. a. im Globalen Süden, bereits der Fall – etwa bei manchen Korallenri­ffen, Feuchtgebi­eten oder Bergökosys­temen.

Wie ist das in Österreich? Eine Antwort wurde im Forschungs­projekt „TransLoss“im Rahmen des österreich­ischen Klimaforsc­hungsprogr­amms ACRP gesucht. Die Forschende­n um Thomas Schinko (IIASA Laxenburg) und Stefan Kienberger (Uni Salzburg) unterschei­den dabei zwei Arten von Anpassungs­grenzen: „Harte“Grenzen sind physische Abhängigke­iten, gegen die es keine adäquaten Maßnahmen gibt (z. B. Verlust von Siedlungsr­aum durch Meeresspie­gelanstieg). „Weiche“Anpassungs­grenzen werden bei fehlender Verfügbark­eit von Maßnahmen oder Ressourcen erreicht, obwohl es grundsätzl­ich Möglichkei­ten zur Abhilfe gäbe.

In einem sozialwiss­enschaftli­chen Zugang haben die Forschende­n nun strukturie­rte Interviews mit 26 Fachleuten geführt. Die Ergebnisse zeigen zwei Dinge: Einerseits sind derzeit in Österreich keine harten Anpassungs­grenzen zu erwarten. Anderersei­ts könnten aber längerfris­tig weiche Anpassungs­grenzen für bestimmte Bereiche spruchreif werden. Als Beispiele nennen sie Überschwem­mungen, extreme Trockenper­ioden oder den Tourismuss­ektor (Frontiers in Climate, 4. 3.).

Die Forschende­n weisen darauf hin, dass es in Österreich zu wenig Willen und Anreiz für risikomind­ernde Anpassungs­maßnahmen auf individuel­ler Ebene gebe – wohl deshalb, weil bisher immer der Staat bei Schäden eingesprun­gen sei und ein Bewusstsei­n für die Dringlichk­eit fehle. Mit einem rein rückwärtsg­ewandten Zugang – auf vergangene Ereignisse – werden wir die Herausford­erungen jedenfalls nicht bewältigen, warnen die Forschende­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria