Der Klang von Autos, die gar keinen haben
Wie sich Hersteller mangels Motorengeräusch um die emotionale Komponente ihrer Elektroautos sorgen und warum manche (Verbrenner-)Autos lauter sein dürfen als andere.
Es scheint, als vermuteten die Hersteller bei den Käufern ihrer Elektroautos so eine Art akustischen Phantomschmerz. Die Ruhe an Bord – eigentlich eines der großen Elektro-Assets – scheint mehr irritierend als erhebend zu wirken. Jedenfalls fällt auf, dass viel Aufwand in die Entwicklung künstlicher Betriebsgeräusche gesteckt wird. Hat man Sorge, dass ohne Lebenszeichen aus dem Motorraum die „Emotion“(Lieblingswort der Autowerbeprosa) auf der Strecke bleibt?
Die Lösung erinnert daran, wie man als Kind Spielkarten mit Wäschekluppen in die Speichen geklemmt hat, um sein Fahrrad mit wohltönendem, geschwindigkeitsabhängigem Knattersound auszustatten. Diese Funktion hat in Elektroautos die Beschallung mit Klängen übernommen, die in aller Regel an Raumschiffe erinnern, so man das halt aus Filmen kennt. Hyundai imitiert für die schnelle N-Variante des Ioniq 5 indes Verbrenner-Sounds, die zur „Intensivierung des Fahrerlebnisses“beitragen sollen.
Klanggebirge. Bei BMW hat der deutsche Filmmusik-Maestro Hans Zimmer „Iconic Sounds“für elektrische Modelle komponiert. Abhängig von der Stellung des Fahrpedals bauen sich mit zunehmender (vehementer) Beschleunigung interessante Klanggebirge auf – nach unserem Dafürhalten der bislang gelungenste Zugang zum Thema. Aktiviert man die „Launch Control“, den „Rennstart“-Modus für maximale Beschleunigung aus dem Stand, hilft eine speziell dramatische Komposition mit „Überschallknall“über nicht vorhandenen akustischen Motorenfuror hinweg.
Ein bisschen infantil vielleicht, das Ganze, aber immerhin harmlos für die Umgebung, die wenigstens nicht mit Auspuffkrawall traktiert wird. Wie schnell sich der Showeffekt des KlangKlimbims bei BMW, Porsche und anderen abnützt, können wohl nur langjährige Nutzer beantworten. Die Funktion lässt sich in jedem Fall nach Wunsch ein- und ausschalten.
Abgerollt. Nach außen dürfen E-Autos gar nicht lautlos sein. Seit 2021 ist Avas vorgeschrieben, eine Einrichtung zum Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer, die in einem geregelten Verhältnis von Geschwindigkeit (bis 30 km/h) und Laustärke (56 bis 75 dB) akustische Signale aussendet. Darüber hinaus sind es die Reifenabrollgeräusche, die Lärm emittieren; wie viel genau, muss inzwischen ausgewiesen werden.
Vor diesem Hintergrund sind alle Autos gleich laut, wobei Elektroautos eher hervorstechen. Durch ihr durchwegs höheres Gewicht rollen sie auf größeren, breiteren und schwereren Reifen mit steiferen Flanken, was alles zur Erhöhung der Lautstärke beiträgt.
Dass Elektroautos leiser sind, stimmt also nur in bestimmten Fahrsituationen.
Generell sollen Autos leiser werden, bei Verbrennern sind seit vielen Jahren immer strikter werdende Emissionsobergrenzen in Kraft. Die derzeit gültigen 70 dB gelten aber nicht für alle. Besonders PS-starke Sportwagen wie der AMG-Mercedes GT 63 (Bild) genießen Ausnahmen. Mit über 200 kW Leistung pro Tonne sind derzeit 74 dB drin. Und das gilt nur für die Standardsituation des Prüfprozedere. Schmähs wie Auspuffklappen, die auf Knopfdruck („Sporttaste“) Wirbel machen, sind erlaubt, müssen aber „im Rahmen“bleiben.