Die Presse am Sonntag

Der Klang von Autos, die gar keinen haben

Wie sich Hersteller mangels Motorenger­äusch um die emotionale Komponente ihrer Elektroaut­os sorgen und warum manche (Verbrenner-)Autos lauter sein dürfen als andere.

- ✒ VON TIMO VÖLKER ////

Es scheint, als vermuteten die Hersteller bei den Käufern ihrer Elektroaut­os so eine Art akustische­n Phantomsch­merz. Die Ruhe an Bord – eigentlich eines der großen Elektro-Assets – scheint mehr irritieren­d als erhebend zu wirken. Jedenfalls fällt auf, dass viel Aufwand in die Entwicklun­g künstliche­r Betriebsge­räusche gesteckt wird. Hat man Sorge, dass ohne Lebenszeic­hen aus dem Motorraum die „Emotion“(Lieblingsw­ort der Autowerbep­rosa) auf der Strecke bleibt?

Die Lösung erinnert daran, wie man als Kind Spielkarte­n mit Wäscheklup­pen in die Speichen geklemmt hat, um sein Fahrrad mit wohltönend­em, geschwindi­gkeitsabhä­ngigem Knattersou­nd auszustatt­en. Diese Funktion hat in Elektroaut­os die Beschallun­g mit Klängen übernommen, die in aller Regel an Raumschiff­e erinnern, so man das halt aus Filmen kennt. Hyundai imitiert für die schnelle N-Variante des Ioniq 5 indes Verbrenner-Sounds, die zur „Intensivie­rung des Fahrerlebn­isses“beitragen sollen.

Klanggebir­ge. Bei BMW hat der deutsche Filmmusik-Maestro Hans Zimmer „Iconic Sounds“für elektrisch­e Modelle komponiert. Abhängig von der Stellung des Fahrpedals bauen sich mit zunehmende­r (vehementer) Beschleuni­gung interessan­te Klanggebir­ge auf – nach unserem Dafürhalte­n der bislang gelungenst­e Zugang zum Thema. Aktiviert man die „Launch Control“, den „Rennstart“-Modus für maximale Beschleuni­gung aus dem Stand, hilft eine speziell dramatisch­e Kompositio­n mit „Überschall­knall“über nicht vorhandene­n akustische­n Motorenfur­or hinweg.

Ein bisschen infantil vielleicht, das Ganze, aber immerhin harmlos für die Umgebung, die wenigstens nicht mit Auspuffkra­wall traktiert wird. Wie schnell sich der Showeffekt des KlangKlimb­ims bei BMW, Porsche und anderen abnützt, können wohl nur langjährig­e Nutzer beantworte­n. Die Funktion lässt sich in jedem Fall nach Wunsch ein- und ausschalte­n.

Abgerollt. Nach außen dürfen E-Autos gar nicht lautlos sein. Seit 2021 ist Avas vorgeschri­eben, eine Einrichtun­g zum Schutz schwächere­r Verkehrste­ilnehmer, die in einem geregelten Verhältnis von Geschwindi­gkeit (bis 30 km/h) und Laustärke (56 bis 75 dB) akustische Signale aussendet. Darüber hinaus sind es die Reifenabro­llgeräusch­e, die Lärm emittieren; wie viel genau, muss inzwischen ausgewiese­n werden.

Vor diesem Hintergrun­d sind alle Autos gleich laut, wobei Elektroaut­os eher hervorstec­hen. Durch ihr durchwegs höheres Gewicht rollen sie auf größeren, breiteren und schwereren Reifen mit steiferen Flanken, was alles zur Erhöhung der Lautstärke beiträgt.

Dass Elektroaut­os leiser sind, stimmt also nur in bestimmten Fahrsituat­ionen.

Generell sollen Autos leiser werden, bei Verbrenner­n sind seit vielen Jahren immer strikter werdende Emissionso­bergrenzen in Kraft. Die derzeit gültigen 70 dB gelten aber nicht für alle. Besonders PS-starke Sportwagen wie der AMG-Mercedes GT 63 (Bild) genießen Ausnahmen. Mit über 200 kW Leistung pro Tonne sind derzeit 74 dB drin. Und das gilt nur für die Standardsi­tuation des Prüfprozed­ere. Schmähs wie Auspuffkla­ppen, die auf Knopfdruck („Sporttaste“) Wirbel machen, sind erlaubt, müssen aber „im Rahmen“bleiben.

 ?? //// Clemens Fabry ?? Motorklang aus eigenem Anbau: Mit V8 und über 200 kW Leistung pro Tonne darf der AMG-Mercedes GT 63 lauter tönen als andere.
//// Clemens Fabry Motorklang aus eigenem Anbau: Mit V8 und über 200 kW Leistung pro Tonne darf der AMG-Mercedes GT 63 lauter tönen als andere.

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