Brave Grüne küren ihren Star
Für Alma Zadić wurde gejubelt, für Lena Schilling gar geweint am Landesparteitag in Wien.
Der Vergleich zur Vorwoche könnte frappierender nicht sein. Kein minutenlanges Gebussel durch die Reihen, wie es Michael Ludwig und Andreas Babler vor sieben Tagen wenige Meter entfernt in einem anderen Kongressaal getan haben. Im Gegenteil: Die Landesversammlung der Wiener Grünen in der Wiener Messe verzichtet am Samstag auf große Inszenierungen. Die Ankunft der Parteistars fällt unauffällig aus und wird mangels Pünktlichkeit kurzerhand um eine halbe Stunde verschoben. Als sich Werner Kogler und Alma Zadić gegen 10.10 Uhr im Schlepptau der Landeschefs Judith Pühringer und Peter Kraus in Reihe eins schleichen, gibt es lauten Jubel. Justizministerin und Vizekanzler winken kurz und zücken sodann ihren Stimmzettel, um an der ersten Abstimmung teilzunehmen.
K(l)eine Überraschung. Schon seit zwei Wochen ist bekannt, dass Zadić die Landesliste für die Nationalratswahl anführen wird. Ihre Rede ohne Überraschungen (feministische Politik, glückliche Zukunft, Klimaschutz) wird am Samstag wohlwollend abgenickt, sie selbst mit deutlichen 97,4 Prozent zur Listenerste gewählt. Die Wiederwahl von Pühringer und Kraus klappt auch, fällt aber etwas weniger deutlich aus als 2021 (83 Prozent): Sie erhalten 76,8 Prozent. Den einzigen Spannungsfaktor bringt der interne „Kampf“um die Listenplätze hinter Zadić. Denn sechs der aktuell 26 grünen Nationalratsmandate stammen aus Wien, wo sie vor fünf Jahren 20,69 Prozent erreichten. Diesmal aber ist mit herben Verlusten zu rechnen, die Plätze sind deshalb begehrt: En bloc kandidieren für die Plätze zwei bis vier gleich fünf amtierende Nationalräte und eine Bezirksfunktionärin: Lukas Hammer, Meri Disoski, Markus Koza, Faika El-Nagashi, Eva Blimlinger sowie die Klubobfrau im elften Bezirk, Sofia Palzer-Khomenko, wollen einen der Plätze ergattern.
Am Ende passiert dann doch etwas Unerwartetes: Disoski, die seit 2019 als Frauensprecherin der Grünen im Parlament sitzt, und nicht wie insgeheim erwartet Klimasprecher Hammer wird auf Platz zwei gewählt. Hammer, der 2019 auf Platz eins der Wiener kandidierte, wird Dritter. Koza folgt dahinter als Vierter. Blimlinger, El-Nagashi und
Palzer-Khomenko werden daraufhin nachgereiht für die Wahl der Plätze fünf bis zwölf. Klubchefin Sigrid Maurer, die 2019 auf Listenplatz drei kandidierte, entgeht dem Gerangel: Sie wird nur auf der grünen Bundesliste kandidieren.
„Griaß eich, Landesversammlung, aus der Oststeiermark“, sagt Werner Kogler in seiner Begrüßung, die sich über 35 Minuten erstreckt und die europäische wie nationale Ebene beleuchtet. Denn: „Alles steht auf dem Spiel.“Frontal angegriffen wird allen voran die FPÖ, die „Putin-Freunde“und deren „Volkskanzlergerede“, das nichts anderes als ein „Verrat des Volkes“sei. Den Spionageskandal nennt er „staatsgefährdend“, „da gehört zusammengeräumt“. Wenn es jemals eine Begründung für einen tief gehenden U-Ausschuss gegeben habe, dann den.
Sein mehrfaches Lob gilt EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling, die, als „Überraschungsgast“in Reihe eins neben ihm und Maurer platziert, zuhört. Deren teilweise deftige Rhetorik dürfte ihn inzwischen inspiriert haben, etwa als er von der blauen „Festung Europa“spricht: „Es muss endlich Schluss sein mit dem fucking Blödsinn!“, ruft Kogler Richtung FPÖ.
Am Ende gibt es eine kleine Überraschung: Disoski wird auf Platz zwei gereiht.
Taschentuch und Tränen. Die „liebe Lena“tritt nach ihm ebenfalls auf, wird von Kogler umarmt und von der Menge bejubelt, Handykameras werden in die Höhe gestreckt. „Ihr seid die Verbündeten gewesen“, sagt sie in Anlehnung an die Lobau-Besetzung, die sie als Aktivistin bekannt machte. „Ich freue mich so sehr, als Verbündete an eurer Seite zu stehen.“Am Ende zeigt sie ein Herz in die Menge, die sie mit Standing Ovations empfängt. Nicht nur ihr kullert dabei eine Träne über die Wange. In Reihe eins werden die Taschentücher gezückt.