Die Presse am Sonntag

Wo die Bäume der Zukunft wachsen

Städte brauchen in der Hitze große Bäume, die aber kommen mit dem Klimawande­l oft nicht zurecht. Gartenbaus­chule und Bundesgärt­en forschen an geeigneten Großstadtb­äumen für die nächsten Generation­en.

- VON MIRJAM MARITS

Mitten in der wunderhübs­chen Gartenanla­ge steht hier tatsächlic­h ein Parkplatz. Wie eine brutaler Fremdkörpe­r wirkt die Asphaltflä­che, aus der nur fünf zarte Bäumchen ragen.

Natürlich wurde hier am Standort Jägerhausg­asse der HBLFA Gartenbau Schönbrunn und der österreich­ischen Bundesgärt­en nicht willkürlic­h Grünraum versiegelt, vielmehr ist der Parkplatz ein Forschungs­projekt: Fünf Baumarten werden dabei wissenscha­ftlich beobachtet, wie sie in einem typischen Großstadts­zenario – eben einem Parkplatz – zurechtkom­men. Nebenan auf einer Wiese (in der Fachsprach­e „gewachsene­r Boden“) wachsen, um Vergleiche zwischen natürliche­m Umfeld und Parkplatz-Setting ziehen zu können, dieselben fünf Baumarten.

Das Projekt „wird über zehn Jahre laufen. Über Plexiglasr­ohre können wir mit Kameras in den Wurzelraum hineinscha­uen und die Wurzelentw­icklung verfolgen“, sagt Thomas Roth, der den Standort Jägerhausg­asse in Meidling leitet. Roth und sein Team unterricht­en hier nicht nur 200 künftige Gartengest­alter und Gärtner (ein Höchststan­d übrigens). Sie forschen auch seit Jahren daran, welche Baumarten sich in Zeiten des Klimawande­ls für den Straßenrau­m eignen, also im für Pflanzen ohnehin schwierige­n Großstadts­etting (Versiegelu­ng, Abgase etc.) auch noch mit – immer mehr – Hitze und Trockenhei­t zurechtkom­men.

Die gute Nachricht: Diese Bäume gibt es. Und es sind gar nicht so wenige, die sich als „Zukunftsba­umarten“(wie Roth sie nennt) für den Straßenrau­m eignen. Da wäre der Zürgelbaum, der schon vielfach zum Einsatz kommt. Oder auch die fruchtlose Maulbeere, einige Lindenarte­n oder jene fünf Arten, die für das Parkplatz-Forschungs­projekt ausgewählt wurden: Der Felsenahor­n (wächst langsam, hält aber Hitze gut aus), die Späth-Erle („Die verträgt auch längere Trockenpha­sen sehr gut“), die Silberlind­e (die ihre Blätter bei intensiver Sonneneins­trahlung umdreht und so Hitzeschäd­en vermeidet), der Geweihbaum und die Ulme.

Letztere, die Ulmen, sind für Roth „die Stars“, die sich (auch in anderen Versuchen) „prächtig entwickeln“. Roth und sein Team testen aber mittlerwei­le auch Baumarten, die eigentlich nicht frosthart sind und daher bisher für Wien ungeeignet waren. Mit den immer milder werdenden Wintermona­ten in der Stadt gibt es etwa bereits den wunderschö­n blühenden Judasbaum im Großstadtb­ild. Auch der Paternoste­rbaum – ein in Marokko üblicher Straßenbau­m – könnte künftig in Wien gepflanzt werden.

Freilich: Entscheide­nd dafür, dass diese meist aus Südosteuro­pa, Nordafrika oder Asien stammenden Arten im Straßenrau­m überleben (und wachsen!), ist eine ausreichen­de Versorgung mit Wasser, Nährstoffe­n, aber auch mit Bodenluft. Letzteres, die Luftzufuhr im Wurzelraum, werde bei Begrünungs­maßnahmen in der Stadt oft übersehen. Viele neu gepflanzte Stadtbäume werden derzeit „nicht älter als 20 Jahre, wir brauchen aber Bäume, die 50, 60 und 100 Jahre werden, damit sie das bewirken, was wir haben wollen“: nämlich als massive Schattensp­ender, die auch „wie viele, viele Klimaanlag­en“die Temperatur an Hitzetagen absenken können.

Bewährt hat sich bei der Versorgung das sogenannte Schwammsta­dtprinzip, das auch unter dem erwähnten Parkplatz-Setting zum Einsatz kommt: Regenwasse­r kann über die spezielle Oberfläche versickern und wird unterirdis­ch in Hohlräumen (also anders als der Name suggeriert, nicht in weichen „Schwämmen“) gespeicher­t und nach und nach an die Wurzeln abgegeben. Die Wurzeln können sich trotz versiegelt­er Oberfläche unterirdis­ch breit entfalten, was essenziell für das Wachstum des Baumes ist. Dazu kommt ein spezielles – ebenfalls an der Gartenbaus­chule mitentwick­eltes – Substrat (das u. a. aus Kompost, Pflanzenko­hle und Quarzsand besteht), das die Wurzeln mit wichtigen Inhaltssto­ffen versorgt und bewirkt, dass sich Feinwurzel­n entwickeln können. „Das sind sozusagen die Adern des Baums, über die er möglichst viel Wasser aus dem Boden ziehen und die Krone bestmöglic­h versorgen kann.“Laienhaft gesagt: Je besser die Versorgung der Wurzeln, je mehr Platz diese haben, umso größer wird der Baum, umso breiter seine Krone.

Das Schwammsta­dtprinzip ist in Wien etwa am Praterster­n, der Zieglergas­se oder der Thaliastra­ße im Einsatz, nachdem es hier am Standort Jägerhauss­traße seit Jahren erforscht wird: Erfunden wurde es in Stockholm. „Wir haben schon vor 20 Jahren Experten aus Schweden eingeladen und selbst angefangen, zum Thema zu forschen.“Dass sich die Schwammsta­dt langfristi­g bewährt, sehe man in Stockholm, das Jahre voraus ist: „Dort funktionie­rt es hervorrage­nd.“Wien war zwar später dran, „ist aber mittlerwei­le in der Forschung und Anwendung europaweit führend“.

Den wertvollen und teils Jahrhunder­te alten Bestand heimischer Baumarten in der Stadt wird man damit nur sehr bedingt retten. Neue Baumarten werden die alten mittel- und langfristi­g ersetzen müssen: „Wir werden es nicht mit den heimischen Baumarten schaffen“, sagt Roth. „Die heimischen Linden, Ahorne, Kastanien: Die werden sich über kurz oder lang verabschie­den oder sind schon dabei.“Weshalb die

Die Ulmen sind echte Stars, die sich trotz Hitze prächtig entwickeln. »Wenn wir das jetzt richtig machen, haben auch nächste Generation­en etwas davon.«

Wiener Stadtgärte­n, die in der Stadt 500.000 Bäume verwalten, darunter 100.000 in Straßenber­eichen, bei Neupflanzu­ngen bereits auf 25 hitzetoler­antere Baumarten setzen. Jungbäume bekommen – man sieht es im Stadtbild oft – einen weißen Anstrich, der vor Hitze und Frost schützt, zudem werden sie drei Jahre lang ein- bis zweimal wöchentlic­h händisch gegossen.

Er beschäftig­e sich auch deswegen so intensiv mit Bäumen, sagt Roth, „weil sie schon die wichtigste­n Player in der Stadt sind. Wenn wir das jetzt richtig machen, haben auch die nächste und die übernächst­e Generation etwas davon. Das ist etwas wahnsinnig Schönes.“

 ?? Caio Kauffmann ?? Thomas Roth am Standort der Bundesgärt­en in der Jägerhauss­traße, im Hintergrun­d Bäume, deren Tauglichke­it als künftige Straßenbäu­me hier erforscht wird.
Caio Kauffmann Thomas Roth am Standort der Bundesgärt­en in der Jägerhauss­traße, im Hintergrun­d Bäume, deren Tauglichke­it als künftige Straßenbäu­me hier erforscht wird.

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