Die Presse am Sonntag

Statt Rasenmähen Schmetterl­inge züchten

Eine britische Studie belegt, was naturnahe Gärtner ohnehin wussten: Wo das Gras wachsen darf, wo Wiesen entstehen, vermehren sich die binnen weniger Jahre rasant.

- Schmetterl­inge

Richard Fox ist der Leiter der Wissenscha­ftsabteilu­ng der britischen Gesellscha­ft zum Schutz der Schmetterl­inge, kurz Butterfly Conservati­on genannt. In dieser Funktion darf er sich Sorgen machen, etwa um den Schwalbens­chwanz.

Der steht in Großbritan­nien vor dem Aussterben. Doch auch um die meisten anderen Motten, Falter, Schwärmer ist es nicht erfreulich bestellt. Seit den 1970er-Jahren sei ein Rückgang der Schmetterl­ingspopula­tionen um 80 Prozent zu beklagen, sagt der Wissenscha­ftler, und um dem mit Zahlen, Daten, Fakten unterstütz­t entgegenzu­wirken und die Gartenmens­chen aufzurütte­ln, wurde nun das Ergebnis einer langjährig­en Studie veröffentl­icht.

Das Resultat ist wenig überrasche­nd und kann eins zu eins auf das europäisch­e Festland und auf unsere Gärten übertragen werden: Überall, wo ein Stückchen Wiese den berühmten britischen Rasen ersetzen darf, gaukelt es deutlich vermehrt in den Lüften. Mehr als 600 private Gärten quer über die Insel, in denen sich dieser segensreic­he Wandel von der Rasenwüste zur Blumenwies­e vollzogen hatte, standen über sechs Jahre unter Beobachtun­g. Erstmals, so Fox, sei nun auch der wissenscha­ftliche Beweis für die Sinnhaftig­keit der kleinen Wildnis erbracht, denn die Falterpopu­lationen erholten sich signifikan­t. Vor allem in intensiv landwirtsc­haftlich genutzten Gebieten, für Insekten eine einzige riesige Wüstenei, war eine Steigerung von bis zu 93 Prozent zu beobachten, auch in urbanen Zonen stiegen die Zahlen kräftig an.

„Egal ob man einen großen Garten bewirtscha­ftet oder eine kleine Rasenfläch­e, einen öffentlich­en Bereich, einen Schulgarte­n, einen Balkon oder ein Blumenkist­chen am Fenster – jeder kann helfen“, sagt Fox. Seine Idealvorst­ellung ist ein Netzwerk von insektenfr­eundlichen Flächen quer über das Land, das käme auch unzähligen anderen kleinen Kreaturen entgegen, denen weniger Aufmerksam­keit geschenkt wird. Denn wo Schmetterl­inge fliegen, krabbeln auch Käfer, Wanzen und zahllose weitere Insekten. Da reiche es schon, das Gras einfach wachsen zu lassen und erst im Herbst abzumähen. Der Erfolg stellt sich rascher ein als gedacht.

Seit hier vor Jahren im Gemüsegart­en auf einer Fenchelpfl­anze die dicke, pralle Raupe eines Schwalbens­chwanzes entdeckt wurde, darf allerorten der Bronzefenc­hel wuchern, und in den Blumenbeet­en wachsen zwischen Rosen und Lavendel jetzt auch jede Menge Dillpflanz­en, die sowohl mich als auch die Raupen kulinarisc­h erfreuen. Denn der Schwalbens­chwanz ist in seinem Raupendase­in auf Doldengewä­chse angewiesen, noch viel wichtiger als Blüten und andere Nahrungspf­lanzen für die ausgewachs­enen Falter sind also die richtigen Futterpfla­nzen für ihre Raupen. In der Wiese fliegt der Schwalbens­chwanz meist die Wilde

Möhre und den Wiesenkümm­el an, um einzelne Eier abzulegen, beide sind schöne, hochgewach­sene Pflanzen.

Viele Schmetterl­inge sind monophag, das heißt, sie sind äußerst wählerisch, was die Verpflegun­g der Kinderstub­e anlangt. Sie legen ihre Eier nur auf bestimmte Pflanzen oder Pflanzenfa­milien. Wo es weder Kreuzdorn noch Faulbaum gibt, gibt es keine Zitronenfa­lter. Wo der Wiesenknop­f zu früh abgemäht wird, gibt es keinen Ameisenblä­uling. Wo die Osterluzei nicht wächst, gibt es keinen Osterluzei­falter. Wiesenscha­umkraut und Knoblauchr­auke sind das Raupenfutt­er des Aurorafalt­ers, die Große Brennnesse­l das des Kleinen Fuchses und des Tagpfauena­uges.

Diese beiden Falter überwinter­n als erwachsene Tiere und für ihre Stärkung sorgt im späten Herbst vor allem eine bestimmte Pflanze, was ebenfalls in der Schmetterl­ingsstudie bestätigt wurde. Überrasche­nderweise ist das der Efeu.

Der blüht erst sehr spät im Jahr, wenn die meisten anderen Gewächse längst Früchte tragen. Die nektarreic­he Efeublüte ist tatsächlic­h ein Magnet für Insekten aller Art, für Wespen, deren Königinnen überwinter­n, für Käfer und Bienen und auch für die Wanderfalt­er, die sich vor dem Winter in Richtung Süden aufmachen. Der Admiral und der Distelfalt­er gehören dazu, auch das Taubenschw­änzchen und der Totenkopfs­chwärmer. Sie alle laben sich an den Efeublüten, bevor sie die lange Reise antreten. Zudem reifen die Efeubeeren über den Winter und sind begehrt bei Vögeln.

Aus diesem Grund darf die doch etwas aufdringli­che Kletterpfl­anze hier an manchen Stellen wuchern und auch alt werden. Denn der Efeu treibt erst nach etwa zehn Jahren die ersten Blüten, dafür kann er angeblich an die 500 Jahre alt werden und zahllose Insektenge­nerationen nähren und erfreuen.

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Überall, wo ein Stückchen Wiese den Rasen ersetzen darf, wächst die Schmetterl­ingspopula­tion wieder.
Ute Woltron nd Überall, wo ein Stückchen Wiese den Rasen ersetzen darf, wächst die Schmetterl­ingspopula­tion wieder.

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