Die Presse am Sonntag

Wie uns Wasser reicher machen kann

Die Welt ist im Wasserstre­ss. Auch Österreich kennt die Gefahren der Dürre. In der neuen Ära der Trockenhei­t könnte es dennoch auf der Gewinnerse­ite landen. Von selbst passiert das nicht.

- VON MATTHIAS AUER

Das Glück kommt im Container. Oder genauer gesagt im Tankwagen. Längst sind nicht mehr nur Entwicklun­gsländer auf Wasserlief­erungen per Lkw angewiesen. Auch in reicheren Industrien­ationen wie Spanien muss die Region um Barcelona nun schon das zweite Jahr in Folge Wasser aus dem 350 Kilometer entfernten Valencia ankarren, um ihre Bürger zu versorgen. Und nicht nur hier: In den vergangene­n Jahren waren die Folgen der steigenden Wasserknap­pheit rund um den Globus nicht mehr zu übersehen. Städte schließen Schwimmbäd­er, Hotels erfinden Vier-Minuten-DuschChall­enges für ihre Gäste. Schiffe stecken im halb ausgetrock­neten PanamaKana­l fest. Die taiwanesis­che Halbleiter­industrie kauft lastwagenw­eise hochreines Wasser, um die Chipproduk­tion zu gewährleis­ten. In einer Welt, in der das Wasserange­bot knapper, vor allem aber immer erratische­r

Österreich wird 2050 mehr Wasser haben, als es braucht. Aber nicht immer und überall.

wird, werden auch die Karten im internatio­nalen Wettbewerb neu gemischt. Und Österreich, das nur drei Prozent seines Wasservork­ommens wirklich nutzt, wähnt sich auf der Gewinnerse­ite.

Standortvo­rteil Wasser. Nicht, dass es hierzuland­e kein Problem mit Trockenhei­t gäbe. In den vergangene­n Jahren dörrten im Burgenland Seen aus, Landwirte erlitten 70 Prozent aller Schäden aufgrund von Dürre, die Grundwasse­rspiegel sinken. Aber heuer ist alles anders: Ein feuchterer Winter, ausgiebige­r Regen im April – und schon sind die meisten wieder tiefenents­pannt. Unterm Strich gibt es hierzuland­e noch weit mehr sauberes Wasser als gebraucht wird. Und das wissen nicht nur die Österreich­er.

„Wasser ist ein zentraler Standortvo­rteil in Österreich“, sagt Peter Koren, Vizegenera­lsekretär der Industriel­lenvereini­gung. Er muss es wissen, immerhin sind die Industrieb­etriebe für 70 Prozent des gesamten Wasserbeda­rfs

im Land verantwort­lich. Der Großteil davon wird als Kühlwasser

Anuchdinte­rnationale genutzt. Unternehme­n würden in der Standortwa­hl zunehmend auf Verfügbark­eit und Qualität der Ressource achten. So braucht Infineon in Kärnten etwa viel hochreines Wasser, um die wenige Nanometer kleinen Strukturen der Halbleiter zu reinigen. Im Nordburgen­land siedelte sich der Getränkeri­ese Coca-Cola an – auch weil man in Österreich einfacher als in anderen Staaten Eigentum an Wasser erwerben kann. Dazu kommt eine hochinnova­tive und exportstar­ke Wassertech­nologiebra­nche. Bei Wasserpate­nten liegt Asien zwar weit vorn und Europa ist abgeschlag­en. Österreich aber steht unter den Top 15 weltweit. In Summe sichere die Wasserwirt­schaft 135.000 Jobs und erwirtscha­fte 65 Milliarden Euro, heißt es in einer Studie des industriew­issenschaf­tlichen Instituts.

Aber ist die Euphorie der Industrie berechtigt? Kann Österreich seinen Standortvo­rteil auch in Zukunft bewahren? Die umfassends­te Antwort auf diese Frage liefert wohl die „Wasserscha­tz“-Studie des Umweltmini­steriums aus dem Jahr 2021. Sie gilt bis heute als die „Bibel“der Branche und blickt auch nach vorn. Ergebnis: Bis 2050 dürfte die verfügbare jährliche Grundwasse­rmenge von 5,1 Milliarden Kubikmeter­n etwas sinken, der Verbrauch von 3,1 Milliarden etwas steigen. Aber im Durchschni­tt wird Österreich auch Mitte des Jahrhunder­ts noch genug Wasser haben. „Das ist kein SOS-Signal, aber auch kein Grund, sich in die Hängematte zu legen“, sagt Georg Schöppl, Vorstand der Österreich­ischen Bundesfors­te, auf deren Gebiet ein knappes Fünftel der heimischen Wasservork­ommen liegt. „Es braucht dringend Investitio­nen in die Infrastruk­tur.“

Trockene Gemüsegärt­en. Denn blickt man etwas genauer hin, ist die Lage nicht überall so rosig, wie es im statistisc­hen Mittel scheint. Je nachdem, wie sich der Klimawande­l in Summe auf die Wasserverf­ügbarkeit auswirkt (da sind sich Wissenscha­ftler nicht einig), könnte es 2050 auch um ein Fünftel weniger Grundwasse­r geben. In Hitzesomme­rn und nach trockenen Wintern wäre die Versorgung­slage

im Nordburgen­land, dem östlichen Niederöste­rreich und der Südsteierm­ark dann rasch angespannt, heißt es beim Umweltbund­esamt.

Und noch etwas könnte zum Problem werden: „Wasser allein macht kein Land reich, wenn man es gratis hergibt, um etwa Nahrung zu produziere­n und dann zu exportiere­n“, sagt Pedro Arrojo-Agudo, ein Berater der Vereinten Nationen, mit Blick auf Katalonien. Die spanische Region ist trocken wie keine andere in Europa, verschling­t mit ihrer ausgedehnt­en Obst- und Gemüseprod­uktion aber enorme Mengen der knappen Ressource. Und am Ende muss das Trinkwasse­r per Lkw geliefert werden.

In einer immer trockenere­n Welt werden auch die Karten im internatio­nalen Wettbewerb neu gemischt.

Krisenplän­e fehlen ebenso wie Daten darüber, wer wo wie viel Wasser verbraucht.

So weit wird es in Österreich nicht so schnell kommen. Braucht Wasser dennoch auch hier einen (höheren) Preis, damit es in Zukunft genug gibt? Die EU-Wasserrahm­enrichtlin­ie empfiehlt das. Landwirte und Industrie, die oft wenig bis nichts bezahlen, winken ab. Ein Preis ändere nichts und gefährde den Standortvo­rteil, sagen sie. Und auch Umweltschü­tzer sind in der Frage erstaunlic­h schaumgebr­emst.

Wir wissen zu wenig. „Niemand in Österreich hat einen Gesamtüber­blick, wo wie viel Wasser von wem verbraucht wird“, sagt Sebastian Theissing von Greenpeace. Ein digitales Melderegis­ter für Wasserentn­ahmen, wie es der niederöste­rreichisch­e Rechnungsh­of fordert, sei „die dringendst­e Maßnahme“. Auf der Basis müsste die Politik regionale Krisenplän­e erstellen, damit im Notfall klar sei, wer zuerst auf das kühle Nass verzichten müsse. Ein Preis sei immer da sinnvoll, wo sonst die Versorgung gefährdet wäre. Und das auch nur in Begleitung dicker Fördertöpf­e für Unternehme­n, die auf wasserspar­ende Produktion umstellen. Spätestens hier treffen sich Umwelt und Wirtschaft: Auch die Industrie ortet enormen Investitio­nsbedarf und fordert EU-Mittel, um die Industrie am Kontinent mit wasserspar­enden Technologi­en aufzurüste­n – am besten „made in Austria“.

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Images Guentergun­i/Getty Im Westen des Landes gibt es im Ernstfall nicht zu wenig, sondern eher zu viel Wasser.

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