Über das Träumen sind wir inzwischen hinaus
Der ewige Hoffnungsträger? Wie der Wandel zum fossilfreien, universell einsetzbaren Energieträger aussehen könnte, skizzieren drei sehr unterschiedliche Projekte aus Österreich.
Ein Feldtraktor in der Innenstadt? Bei dem rustikalen Gefährt, das vergangene Woche prominent auf dem Wiener Heldenplatz parkierte, handelte es sich nicht etwa um einen einsamen Bauernprotest – eine Demonstration war es aber trotzdem. Was es zu zeigen galt: eine Perspektive für die Dekarbonisierung in einem diesbezüglich hartnäckigen Sektor des Verkehrswesens – der Landwirtschaft.
Der agrarische Fuhrpark, vom Traktor bis zum Mähdrescher, wird von Diesel angetrieben (mit allen Arten der Zu- und Beimischungen durch nah an Acker und Silo verfügbare Biokraftstoffe). Weil die tonnenschweren Vehikel Schwerstarbeiter sind, emittieren sie entsprechend hohe Mengen an klimaschädlichem CO2.
Was könnte Abhilfe schaffen? Die Elektrifizierung mit Batterien als Energiespeicher erweist sich schon beim Pkw als hürdenreich und ist ein Projekt für viele Jahrzehnte, das zudem den Bestand unberücksichtigt lässt.
Traktor und Mähdrescher kann man aber keine tonnenschweren Batterien umhängen, denn das würde, neben vielen anderen Fragezeichen, den Boden durch das übermäßige Gesamtgewicht zu sehr verdichten.
Aber Wasserstoff wär‘ eine Idee. Der lässt sich in modifizierten Kolbenmotoren direkt verbrennen oder zum Betrieb einer Brennstoffzelle im Elektroantrieb verwenden. Wie das aussehen könnte, hat die TU Wien in einer vierjährigen Arbeit an einem modernen SteyrTraktor gezeigt: Der zieht nun keine Dieselschleppe hinter sich her, sondern lässt nichts als harmlosen Wasserdampf aus dem Auspuff.
Voll funktionsfähig, ist der Wasserstoff-Traktor („FCTRAC“, FC für Fuel Cell, auf Deutsch Brennstoffzelle) auf eigener Achse angereist und scharte vor der Hofburg neugierige Passanten, vor allem aber interessiertes Fachpublikum um sich: Bis Freitag tagte in den historischen Räumlichkeiten das Internationale Wiener Motorensymposium, ein jährlicher Austausch unter hochkarätigen Ingenieuren und technischen Kapazundern, die aus der ganzen Welt angereist kommen. Headliner des diesjährigen Techno-Festivals: Wasserstoff.
Grau zu grün. Wasserstoff als fossilfreier Energieträger – das ist eine Zukunft, von der schon seit Jahrzehnten die Rede ist. Mit Wasserstoff lassen sich Fahrzeuge aller Art antreiben. Die Herstellung ist energieintensiv, daher müssen es regenerative Energiequellen wie Fotovoltaik (PV) und Windkraft sein, die zu CO2-freiem, „grünen“Wasserstoff führen. Derzeit wird Wasserstoff noch zu 90 Prozent industriell hergestellt, man nennt ihn „grau“.
Wasserstoff und Erneuerbare hängen zusammen, ja, bedingen einander: Ohne die Möglichkeit, Überschussstrom aus PV und Wind zu speichern, wenn also mehr produziert wird, als das Netz aufnehmen kann, bleibt
nd diese Energie ungenutzt. Und fehlt in der Dunkelflaute, den vielen wind- und sonnenarmen Tagen in unseren Breiten. Batterien sind dafür ungeeignet, das Medium heißt Wasserstoff.
Was die Menschheit bislang davon abgehalten hat, im größeren Maßstab vom Reden ins Tun zu kommen, ist die Billigkonkurrenz fossiler Energieträger. Gut erschlossen und leicht verfügbar, ist die Errichtung einer Wasserstoffwirtschaft dagegen ein globaler Kraftakt, der Investitionen auf allen Ebenen bedingt. Was wir sehen, sind die ersten Schritte – von etwas, das mehrere Generationen beschäftigen wird.
Die finden auch in Österreich statt. So ist beispielsweise der deutsche Zulieferkonzern Bosch am Standort Linz in die Serienfertigung von Elektrolyseuren eingestiegen – Apparaturen zur Herstellung von Wasserstoff, letztlich kompakte Anlagen in Containergröße, die ihre Energie aus Erneuerbaren beziehen.
Forschung und Entwicklung finden auch im Kleineren statt – buchstäblich: Wir besuchten die HTL Mödling und ließen uns ein Rennkart mit Brennstoffzellenantrieb vorführen. Das Wasserstoffprojekt ist mit E-Fuels und BatterieElektro eines von drei Standbeinen, die die HTL um den Themenkreis alternative Antriebe errichtet hat.
Schülerinnen und Schüler der Abteilung
Fahrzeugtechnik aus zwei Maturaklassen haben ein Jahr an seiner Optimierung gearbeitet. Studienleiter Michael Sikora schwärmt: „Das Kart zischt richtig ab!“Die Umrüstung eines Rennkarts mit Benzinmotor auf einen nachhaltigen, emissionsfreien Hybridantrieb auf engstem Bauraum mit drei Energiespeichersystemen, „das ist eine große Herausforderung, die von den Schülern bravourös gemeistert wurde.“
Sikoras Vision, wie er sagt, ist indes ein paar Nummern größer: Die schon jetzt mit einiger Fläche an PV-Modulen ausgestattete HTL solle irgendwann ihren eigenen Wasserstoff herstellen; pulverförmig gespeichert soll er als Energiereserve die heutige Dieselanlage für die Notstromversorgung ersetzen.
Was die Umstellung bremst: „Billigkonkurrenz“durch fossile Energieträger.
China könnte nach dem Elektroauto auch beim Wasserstoffauto in Führung gehen.
Sikora fährt selbst ein Wasserstoffauto, einen Toyota Mirai, auf dem er schon 60.000 Kilometer auf Reisen durch ganz Europa abgespult hat. Solche Fahrten seien mit der entsprechenden Planung schon ganz gut machbar. Österreich jedoch sei „fast Wasserstoff-Entwicklungsland“, beklagt Sikora, mit lediglich vier Wassertankstellen der OMV, deren Preise für das Kilogramm sich zudem unlängst mehr als verdoppelt haben. Mit der geringen Anzahl an Fahrzeugen auf der Straße rechne sich auch das kaum; ein „Henne-Ei-Problem“, so Sikora, der auf Mirai-Taxiflotten in Paris, Berlin und Hamburg verweist,
»Österreich ist fast ein WasserstoffEntwicklungsland.«
MICHAEL SIKORA HTL-Professor, CEO H2Motion
und: „In Polen gibt es vierzehn Tankstellen.“
Kreisen. Die Autoindustrie kreist seit Jahrzehnten um das Thema. Am ausdauerndsten engagiert sich der japanische Hersteller Toyota, was auch damit zu tun hat, dass Japan als führende Nation
auf dem Weg zur Wasserstoffgesellschaft gilt. Brennstoffzellen-Stacks werden in Belgien gefertigt und unter anderem von BMW bezogen.
BMW ist derzeit der einzige deutsche Autohersteller, der am Thema dran ist. Der Weg führte vom Hydrogen 7 vor 20 Jahren, der kryogen gespeicherten
Wasserstoff direkt verbrannte, zur Erprobungsflotte von X5-Prototypen mit Brennstoffzelle. Im Gespräch bekräftigt Antriebschef Josef Honeder vom BMWStandort Steyr ein Serienangebot seiner Marke „bis zum Ende des Jahrzehnts“, sofern der Markt bereit sei.
Skeptiker verweisen auf die fehlende Infrastruktur und die Notwendigkeit eines extrem hohen Drucks bei der Betankung. Kolbenkompressoren stellen ihn her, ihre Abwärme muss gekühlt werden, was alles die Effizienz mindert. Technisch sei es dennoch darstellbar, so Honeder, vorhandene Pipelines wären für den Transport von Wasserstoff geeignet, Pumpspeicher bloß anzupassen; der Wirkungsgrad relativiere sich, wenn Energie durch Erneuerbare quasi gratis geliefert werde.
Unternehmer und HTL-Professor Sikora mahnt zur Eile: China sei „massiv dran“am Thema und könnte nach dem Elektro- auch beim Wasserstoffauto die führende Rolle einnehmen.
Die Art und Weise, wie wir Land nutzen, bestimmt unseren Treibhausgasausstoß mit. In Österreich sind die Land- und Forstwirtschaft direkt für die Emission von 7,0 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten verantwortlich. Gegengerechnet werden muss, dass der Landnutzungsbereich auch eine Kohlenstoffsenke ist: Vor allem wegen der Ausdehnung der Wälder werden jährlich 1,4 Mio. Tonnen CO2 gebunden. Unterm Strich steht die Land- und Forstwirtschaft damit für rund acht Prozent der heimischen Emissionen. Gleichzeitig zählt der Sektor zu den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Bereichen.
Es ist ein Gebot der Stunde, die Emissionen auch in der Land- und Forstwirtschaft zu senken. Dies ist allerdings ein höchst komplexes Unterfangen, wie man dem eben veröffentlichten Spezialbericht des Austrian Panel on Climate Change (APCC) „Landnutzung und Klimawandel in Österreich“entnehmen kann, in dem rund 130 Fachleute das vorhandene Wissen auf mehr als 500 Seiten ausbreiten (Download-Link unter https://land.apcc-sr.ccca.ac.at/aktuelles).
Beim Durchblättern erfährt man Erstaunliches: zum Beispiel, dass die heutigen Kohlenstoffsenken eine Folge des Raubbaus am Wald in früheren Zeiten sind. Erst durch das Aufkommen fossiler Energieträger ließ der Nutzungsdruck auf die Wälder nach und auch die starke Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft (durch Maschinen, Dünger und Pflanzenschutzmittel) ließ die Waldflächen wieder wachsen. Das CO2-Bindungspotenzial nimmt allerdings laufend ab, sodass allzu große Hoffnungen auf eine deutliche Verbesserung der heimischen Treibhausgasbilanz illusorisch sind. Es führt also kein Weg an einer Emissionsreduktion vorbei – wobei gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit an die fortschreitende Erwärmung erhöht und mögliche Gefährdungen des Wasserhaushalts und der Biodiversität vermieden werden müssen.
Das Herzstück des Berichts ist eine Bewertung möglicher Maßnahmen hinsichtlich Ökologie und Machbarkeit (Kosten, Konfliktpotenzial und technische Umsetzbarkeit). Das Ergebnis ist recht ernüchternd: Nur 18 der 97 bewerteten Maßnahmen sind demnach rundum empfehlenswert – diese finden sich vorwiegend im Ackerbau (z. B. vielfältige Fruchtfolgen, Mischkulturanbau oder organischer anstelle von Mineraldünger). Der große Rest der Maßnahmen hat entweder zweifelhafte Folgewirkungen (wie z. B. eine Verkürzung der Umtriebszeit in Wäldern zwecks erhöhter Biomasseproduktion) oder stößt auf große Barrieren (wie etwa ein Zurückfahren der tierischen Produktion).
Insgesamt kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass „die landbasierten Emissionsminderungen nur einen begrenzten Teil der Gesamtemissionen ausgleichen können“. Allerdings betonen sie auch, dass alles, was möglich ist, unbedingt umgesetzt werden müsse – und dazu müssten die zahlreichen derzeit vorhandenen „Umsetzungsdefizite“beseitigt werden.