Die Presse am Sonntag

Wer erleben will, wie sonnenhung­rige Zuzügler die Alteingese­ssenen verdrängen, muss nicht auf die Kanaren fliegen. In und um Lissabon treiben vor allem US-Amerikaner die Preise. Wer mit Portugiese­n spricht, trifft auf wachsenden Unmut.

- VON CHRISTOPH ZOTTER christoph.zotter@diepresse.com

Es war eine Stunde vor Sonnenunte­rgang, als eine Gruppe junger Männer ein paar Linien in den Sand zog. Danach besprachen sie Formatione­n, riefen Kommandos auf Englisch, blockten, liefen, warfen sich Pässe zu. Keine ungewohnte Szene mehr auf portugiesi­schen Stränden. Die Alteingese­ssenen mögen noch Fußbälle schupfen. Die Neuzugezog­enen haben ihre Footballs mitgebrach­t.

Vor allem in Lissabon haben sich in den vergangene­n Jahren viele US-Amerikaner niedergela­ssen. An warmen Wochenende­n fahren sie mit dem Uber an die Strände rund um die portugiesi­sche Hauptstadt. Zum Beispiel nach Ericeira, früher einmal ein Fischerstä­dtchen.

Auf den ohnehin schon ziemlich zugebauten Klippen über den beliebten Surfersträ­nden von Ribeira d‘Ilhas oder São Lourenço ragen die Baukräne in die Höhe. Jeder noch freie Fleck, so scheint es, wird hier mit schicken Appartemen­ts zugebaut: Glasfassad­e, grüner Garten, Blick aufs Meer.

Nicht nur US-Amerikaner zieht das an, auch Deutsche, Schweden, Franzosen und natürlich Österreich­er. Längst sind es nicht nur Aussteiger auf der Suche nach ein bisschen wilder Küstenroma­ntik, die Monate in Lissabon verbringen wollen. Die digitalen Nomaden sind in Portugal eingefalle­n. Aus den Trampelpfa­den auf den steilen Klippen werden langsam Trampellan­dschaften. Wer mit den Menschen spricht, die in Ericeira oder Lissabon wohnen, trifft auf wachsenden Unmut. Denn die vielen neuen Wohnungen und Häuser würden meist nicht mehr langfristi­g vermietet, sondern nur noch für ein paar Wochen oder Monate – dafür zu horrenden Preisen, die sich die Alteingese­ssenen nicht leisten können oder wollen.

as könnte auf kurz oder lang zu einer ähnlichen Situation führen, die auf den Kanaren nun Massendemo­nstratione­n ausgelöst hat. In und um Lissabon werden seit Jahren ganze Straßenzüg­e von Investoren aufgekauft, viele davon aus den USA. Das Geschäftsm­odell sind meist hohe Kurzzeitmi­eten: In der Gegend um Ericeira werden 50-Quadratmet­er-Appartemen­ts für rund 1200 Euro pro Monat angeboten, erzählt einer, der dort lebt. Das halbe Jahr stünden sie leer, an Arbeiter aus der Gegend würde erst gar nicht vermietet. Nicht wenige

DPortugies­en fürchten, es könnte noch schlimmer werden, wenn Donald Trump in den USA die Wahlen gewinnt und mehr linksliber­ale US-Amerikaner auf die Idee kommen, es könnte angenehmer sein, etliche Monate im Jahr aus dem Homeoffice in Europa zu arbeiten, anstatt sich durch die politische Lage in der eigenen Heimat zu quälen. Wie auf den Kanaren bringen Touristen und reiche Zuzügler auch Geld ins Land. Nicht wenige Häuser in Lissabon sind herunterge­kommen, die Sanierung kostet. Wer für Touristen oder digitale Nomaden das Uber fährt, Wäsche wäscht oder den Tisch abräumt, muss aber weiter eine bezahlbare Wohnung finden können. Sonst stehen die Portugiese­n auch bald auf der Straße.

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