Das Leben in der Stadt hat eben seine Herausforderungen. In Wien sucht und findet man keine Picknick-Plätze, in London muss man sich vor Kavalleriepferden in Acht nehmen.
Ich fahre mit dem Fahrrad an einer stark befahrenen Straße entlang, vorbei an parkenden Autokolonnen, hoch konzentriert wegen Nieselregen, Straßenbahnschienen und allgemeiner Glitschigkeit. Deswegen hab ich das, was in dem Van mit dem offenen Kofferraum passiert, zuerst nur zu etwa zehn Prozent registriert. Da sitzt im Kofferraum ein Mann im Schneidersitz, neben ihm sein absurd großer Hund. Sie sitzen da, zwischen den parkenden Autos am Straßenrand, schauen zufrieden hinaus, der Mann kaut an seinem Sandwich und der Hund kaut auch, ich fürchte auch am Sandwich. Sie haben eine Thermoskanne, eine Kuscheldecke, sie schauen mir beim Vorbeifahren zu und ich ihnen bei dieser wie von KI generierten Pause. Ja, warum denn nicht?
Es gibt keinen Grund, Picknick zu romantisieren, wir sind kein Landadel im viktorianischen Zeitalter mehr. Wir sind im Zeitalter des Feinstaubs, und ja, es ist Mistwetter draußen, es ist laut und die Aussicht ist fürchterlich, aber dieser Mann und sein sabbernder Freund sind realistisch. Sie werden in der Nähe keinen beschaulichen Platz finden, und das Einzige, was hier aus der Natur stammt, ist der Hund selbst.
Das Leben in einer Stadt hat eben seine Herausforderungen. In London sind vor wenigen Tagen während eines Trainings mehrere Kavalleriepferde ausgebrochen und galoppierten ziellos durch die Stadt. Es muss ziemlich schlimm gewesen sein, die verschreckten Tiere rammten Autos und Busse, Menschen wurden verletzt und zumindest eines der Pferde auch, es blutete vom Hals abwärts. Nichts hat die Dramatik dieses Ereignisses
so veranschaulicht wie der Live-Ticker der BBC („army horses run amok“). Dort konnte man die Strecke der Pferde auf einer Karte nachverfolgen, Augenzeugenberichte nachlesen („Ich dachte: Das war doch ein Pferd! Aber es war sehr früh, und ich war halb im Schlaf, also war ich mir nicht sicher“), auch die Einordnung des Adelsexperten, der sich gegen den Einsatz besagter Deserteure bei der Geburtstagsparade des Königs aussprach. Zumal König Charles letztes Jahr auf einem Pferd saß, das in der Zwischenzeit seinen Job verloren haben dürfte. Auch das entnehme ich der Berichterstattung: Das Pferd war zu verspielt. Wer trifft überhaupt diese Personalentscheidungen? Ich verstehe ja die Sicherheitsbedenken für die Parade, aber vielleicht wollen die Pferde gar nicht. Wollen ihren Frieden? Einfach in Ruhe picknicken?