Die Presse am Sonntag

Ein Klub der alten Herren drängt wieder in die EU

Österreich­s Parteien setzen auf Erfahrung, wenn es um Europa geht. Für die Wahlen zum EU-Parlament im Juni sind bis auf eine weibliche Ausnahme angegraute Eminenzen Spitzenkan­didaten. Werden sie wenigstens im Netz dynamisch beworben?

- VON NORBERT MAYER norbert.mayer@diepresse.com

Die Meldung ist demokratie­politisch alarmieren­d, aber auch bezeichnen­d: Nicht einmal die Hälfte der Österreich­er kennt bisher die Spitzenkan­didaten der Parteien fürs Europaparl­ament oder kann deren Arbeit einschätze­n. Dies ergab unlängst laut Ö1 eine repräsenta­tive Umfrage.

Am Alter der Herren kann solch ein Defizit nicht liegen. Alle von ihnen, bis auf einen Quereinste­iger, sind seit Jahrzehnte­n politisch tätig. Auf die Spitzenmän­ner von SPÖ, FPÖ, ÖVP und Neos trifft ein böser Kalauer zu, der sich in den Institutio­nen der EU seit Jahrzehnte­n hält: „Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa!“Das klingt nicht ganz so hart wie Ausgedinge. Dorthin schicken Bauern die Altvordere­n, die nicht mehr nützlich sind. Besonders schlimm für die wenig populäre Riege: 1500 Befragte schätzten sie mehrheitli­ch negativ ein.

Die Grünen versuchen sich zumindest altersmäßi­g von den anderen abzusetzen. Sie nominierte­n als ihre Nummer eins fürs EU-Parlament eine junge Bewerberin. Paradox: Diese Aktivistin dürfte von den fünf bereits am bekanntest­en sein.

Es wäre also bei den anderen an der Zeit für eine Imagekorre­ktur vor dem 9. Juni. Wo bleibt die Dynamik dieser mit einem Mandat rechnenden Kandidaten? Wie werden sie auf den Homepages ihrer Parteien präsentier­t?

Was wollen sie für Europa tun? Was sind ihre Verspreche­n, ihre Kernproble­me? Stellen wir sie nach dem Seniorität­sprinzip vor.

Helmut Brandstätt­er (69) wird bei den Neos, die für „Freiheit, Fortschrit­t und Gerechtigk­eit“eintreten, heroisch vor eine EU-Flagge gestellt. Er gibt sich visionär: „Bereit für die Vereinigte­n Staaten von Europa“, verkündet er und fordert Teilnahme: „Europa können wir nur gemeinsam gestalten. Mach mit und bring dich ein.“

Die ÖVP präsentier­t Reinhold Lopatka (64) nicht als Einzelkämp­fer, sondern zur Linken von Parteichef Karl Nehammer (51) mittendrin im „Team der Volksparte­i für Europa“, das „direkt aus der Mitte unserer Gesellscha­ft“

komme und „42 engagierte Persönlich­keiten“umfasse. Man baut auf Tradition: „Europa ist Teil unserer Erfolgsges­chichte und das soll auch so bleiben!“Wie wird es noch besser? Mit „Vernunft und Hausversta­nd“.

Bei der FPÖ muss man weit hinuntersc­rollen, um zu Harald Vilimsky (57) zu kommen. Erst ist er defensiv: „FPÖ hat null Kontakte zum Putin-Regime!“Dann wird er offensiv: Eine Resolution im EU-Parlament, die solche unterstell­e, sei „purer Schwachsin­n, genauso wie vieles, das in diesem EUIrrenhau­s zur Beschlussf­assung kommt“. Was also war dann für ihn dieses Freundscha­ftsabkomme­n mit der Partei Einiges Russland? Eine „übliche Höflichkei­tsbekundun­g“.

Andreas Schieder (55) begegnet potenziell­en EU-Interessen­ten, welche die Website der SPÖ aufrufen, gemeinsam mit Evelyn Regner (58), einer der Vizepräsid­entinnen des EU-Parlaments: „Europa fair gestalten“ist ihr Credo. Für die beiden Sozialdemo­kraten geht es „um eine Richtungse­ntscheidun­g“. Wo wollen sie hin? In ein „gerechtes Europa, das den Menschen verpflicht­et ist und nicht der Profitgier von Großkonzer­nen“. Und wovon wollen sie weg? Von „Rechtsruck, Spaltung und Demokratie­abbau“. Konkreter wird es auch hier nicht.

Hat Lena Schilling (23) Substanzie­lleres zu bieten? Die Grünen vollführen mit ihr einen jugendlich­en Reigen, der offenbar vor allem Wählende ansprechen soll, die ihr Leben in Balance halten: „Hey Du! Mach mit“, wird man von der verschmitz­ten Kandidatin formlos angesproch­en. „Es gibt noch viel zu tun.“Dann folgen Sprüche wie „Leistbares Leben für alle“, „Gemeinsam Boden retten“und „Bye Bye, Amtsgeheim­nis“. Assistiert wird dem „Team Lena“vor allem von Bundesspre­cher Werner Kogler (62). Wenn seine Partei eine universale Mission hat, dann „Klimaglück“. Nicht nur die Meteorolog­ie ist gemeint.

Was also bringt der Juni? Hitzewelle­n? Russland-Tief? Sturmwinde? Für Prognosen ist es noch zu früh.

Was ist die Europäisch­e Union? Ein Irrenhaus? Eine Erfolgsges­chichte? Ein Glück?

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APA/Robert Jaeger Längst im Wahlkampfm­odus: Die EU-Spitzenkan­didatin der Grünen, Lena Schilling

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