Ein Klub der alten Herren drängt wieder in die EU
Österreichs Parteien setzen auf Erfahrung, wenn es um Europa geht. Für die Wahlen zum EU-Parlament im Juni sind bis auf eine weibliche Ausnahme angegraute Eminenzen Spitzenkandidaten. Werden sie wenigstens im Netz dynamisch beworben?
Die Meldung ist demokratiepolitisch alarmierend, aber auch bezeichnend: Nicht einmal die Hälfte der Österreicher kennt bisher die Spitzenkandidaten der Parteien fürs Europaparlament oder kann deren Arbeit einschätzen. Dies ergab unlängst laut Ö1 eine repräsentative Umfrage.
Am Alter der Herren kann solch ein Defizit nicht liegen. Alle von ihnen, bis auf einen Quereinsteiger, sind seit Jahrzehnten politisch tätig. Auf die Spitzenmänner von SPÖ, FPÖ, ÖVP und Neos trifft ein böser Kalauer zu, der sich in den Institutionen der EU seit Jahrzehnten hält: „Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa!“Das klingt nicht ganz so hart wie Ausgedinge. Dorthin schicken Bauern die Altvorderen, die nicht mehr nützlich sind. Besonders schlimm für die wenig populäre Riege: 1500 Befragte schätzten sie mehrheitlich negativ ein.
Die Grünen versuchen sich zumindest altersmäßig von den anderen abzusetzen. Sie nominierten als ihre Nummer eins fürs EU-Parlament eine junge Bewerberin. Paradox: Diese Aktivistin dürfte von den fünf bereits am bekanntesten sein.
Es wäre also bei den anderen an der Zeit für eine Imagekorrektur vor dem 9. Juni. Wo bleibt die Dynamik dieser mit einem Mandat rechnenden Kandidaten? Wie werden sie auf den Homepages ihrer Parteien präsentiert?
Was wollen sie für Europa tun? Was sind ihre Versprechen, ihre Kernprobleme? Stellen wir sie nach dem Senioritätsprinzip vor.
Helmut Brandstätter (69) wird bei den Neos, die für „Freiheit, Fortschritt und Gerechtigkeit“eintreten, heroisch vor eine EU-Flagge gestellt. Er gibt sich visionär: „Bereit für die Vereinigten Staaten von Europa“, verkündet er und fordert Teilnahme: „Europa können wir nur gemeinsam gestalten. Mach mit und bring dich ein.“
Die ÖVP präsentiert Reinhold Lopatka (64) nicht als Einzelkämpfer, sondern zur Linken von Parteichef Karl Nehammer (51) mittendrin im „Team der Volkspartei für Europa“, das „direkt aus der Mitte unserer Gesellschaft“
komme und „42 engagierte Persönlichkeiten“umfasse. Man baut auf Tradition: „Europa ist Teil unserer Erfolgsgeschichte und das soll auch so bleiben!“Wie wird es noch besser? Mit „Vernunft und Hausverstand“.
Bei der FPÖ muss man weit hinunterscrollen, um zu Harald Vilimsky (57) zu kommen. Erst ist er defensiv: „FPÖ hat null Kontakte zum Putin-Regime!“Dann wird er offensiv: Eine Resolution im EU-Parlament, die solche unterstelle, sei „purer Schwachsinn, genauso wie vieles, das in diesem EUIrrenhaus zur Beschlussfassung kommt“. Was also war dann für ihn dieses Freundschaftsabkommen mit der Partei Einiges Russland? Eine „übliche Höflichkeitsbekundung“.
Andreas Schieder (55) begegnet potenziellen EU-Interessenten, welche die Website der SPÖ aufrufen, gemeinsam mit Evelyn Regner (58), einer der Vizepräsidentinnen des EU-Parlaments: „Europa fair gestalten“ist ihr Credo. Für die beiden Sozialdemokraten geht es „um eine Richtungsentscheidung“. Wo wollen sie hin? In ein „gerechtes Europa, das den Menschen verpflichtet ist und nicht der Profitgier von Großkonzernen“. Und wovon wollen sie weg? Von „Rechtsruck, Spaltung und Demokratieabbau“. Konkreter wird es auch hier nicht.
Hat Lena Schilling (23) Substanzielleres zu bieten? Die Grünen vollführen mit ihr einen jugendlichen Reigen, der offenbar vor allem Wählende ansprechen soll, die ihr Leben in Balance halten: „Hey Du! Mach mit“, wird man von der verschmitzten Kandidatin formlos angesprochen. „Es gibt noch viel zu tun.“Dann folgen Sprüche wie „Leistbares Leben für alle“, „Gemeinsam Boden retten“und „Bye Bye, Amtsgeheimnis“. Assistiert wird dem „Team Lena“vor allem von Bundessprecher Werner Kogler (62). Wenn seine Partei eine universale Mission hat, dann „Klimaglück“. Nicht nur die Meteorologie ist gemeint.
Was also bringt der Juni? Hitzewellen? Russland-Tief? Sturmwinde? Für Prognosen ist es noch zu früh.
Was ist die Europäische Union? Ein Irrenhaus? Eine Erfolgsgeschichte? Ein Glück?