Aufrüttelnd und aktuell: „Justice“von Milo Rau
Die emotionsgeladene, zeitgenössische Oper „Justice“, die sich mit einer menschlichen und ökologischen Katastrophe auseinandersetzt, feiert ihre Österreich-Premiere im Festspielhaus St. Pölten.
Februar 2019, Demokratische Republik Kongo. Auf einer Dorfstraße in der Region Katanga rammt zwischen Lubumbashi und Kolwezi ein mit Schwefelsäure beladener Tanklaster einen Bus. Die Straßen der Region sind in einem miserablen Zustand, zugleich werden für die Bergbauindustrie täglich hochgiftige Säuren transportiert. Die verheerende Folge: Mehr als zwanzig Tote, zahlreiche Verletzte und gravierende Umweltschäden, als die Säure in einen nahe gelegenen Fluss rinnt. Es handelt sich um Schwefelsäure, die für die industrielle Verarbeitung von Rohstoffen wie Kobalt in den Bergbauregionen im Süden des Kongos benutzt wird.
Milo Rau wählt dieses Ereignis, in das ein Schweizer Konzern verstrickt ist, und entwickelt daraus ein elegisches Werk über das Schicksal eines Dorfs. In „Justice“inszeniert der erfolgreiche Regisseur und Intendant der Wiener Festwochen das Theater als politischen Ort, an dem globale Diskurse kollektiv verhandelt werden. Dabei mischen sich Stimmen von Geistern und Opfern, Schuldigen und vermeintlich Schuldigen mit den Mythen der nicht nur an Bodenschätzen reichen Region. Librettist der Oper ist der preisgekrönte kongolesisch-österreichische Autor Fiston Mwanza Mujila, der in Graz lebt und als Erzähler selbst auf der Bühne steht. Die Musik stammt vom katalanischen Komponisten Hèctor Parra, der für seine musikalisch dichten Übersetzungen von literarischen Werken in Opernform bekannt ist.
Neben dem US-amerikanischen Tenor Peter Tantsits stehen in „Justice“musikalische Größen wie der Bassbariton Willard White oder der Countertenor Serge Kakudji, der aus Kolwezi stammt, auf der Bühne. Mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich und dem hochkarätigen Ensemble dirigiert von Titus Engel und unter Beteiligung des Gitarristen Kojack Kossakamvwe ist das vielschichtige Werk als Koproduktion von Tangente St. Pölten und dem Festspielhaus St. Pölten erstmals in Österreich zu erleben.