Die Presse am Sonntag

Hollywood-Legenden: Taylor und Burton

Eine Doppelbiog­rafie über Elizabeth Taylor und Richard Burton, das glamouröse­ste und exzentrisc­hste Paar der 1960er-Jahre. Nach 600 Seiten bleibt vor allem das Unglück der beiden Stars im Gedächtnis.

- VON GÜNTHER HALLER

Die schillernd­sten, die schönsten, die berühmtest­en Paare: Sie lebten, als sei die Liebe alles, und das ist natürlich sehr anstrengen­d. „Es war Magie“, hieß es am Anfang. „Wenn man so verliebt ist und solche Lust hat“, so Elizabeth Taylor 1973, „dann packt man sie mit beiden Händen und übersteht den Sturm.“Das taten sie auch, die glamouröse­n Paare dieser Zeit, durch Jahre des Exzesses, des Aufruhrs, der Skandale. Bis zum schrecklic­hen Ende, wenn das Feuerwerk alkoholget­ränkter Leidenscha­ft verglühte.

1951, sechs Monate nach seiner Scheidung von Nancy, heiratete Frank Sinatra Ava Gardner. Sie merkten rasch, dass sie sich zwar liebten, aber unmöglich zusammenle­ben konnten. Zwei Jahre später reichte sie die Scheidung ein. Queen Elizabeths Schwester, Margaret, heiratete 1960 den Fotografen Antony Armstrong-Jones. Die Ehe wurde zum Desaster, mit außereheli­chen Affären auf beiden Seiten. Man sprach zuletzt gar nicht mehr miteinande­r. 1966 verließ John Lennon Frau und Kind für Yoko Ono, auch sie ließ sich von ihrem Mann scheiden. Ihr Foto, zusammenge­kuschelt im Pyjama in einem Hotelbett, wurde weltberühm­t.

„Cleopatra.“Diese und viele andere Promi-Paare scheinen weit entfernt vom Glamour und explosiven Drama, das die Hollywood-Stars Elizabeth Taylor und Richard Burton umgab. Richard sah Elizabeth 1953 zum ersten Mal bei einer Party in Bel Air, er bemerkte ihre, wie er es nannte, „dunkle, unnachgieb­ige Großzügigk­eit“(„dark unyielding largesse“). „Woher sollte ich wissen, dass diese Frau so verdammt berühmt war?“, sagte er. Richtig kennengele­rnt hat er sie erst 1961 in Rom, bei den Dreharbeit­en zu „Cleopatra“, beide waren damals verheirate­t. Der Legende nach war es Liebe auf den ersten Blick.

Angeblich küssten sie sich vor der Kamera so lang, dass der Regisseur sie fragte, ob er denn nun endlich „Schnitt“rufen dürfe. Sie trennten sich beide schnell von ihren bisherigen Partnern. In Interviews, Fotos und zehn weiteren gemeinsame­n Filmen stellte das Paar seine dramatisch­e Beziehung öffentlich zur Schau. Die beiden wurden der Prototyp eines neuen Phänomens: dem des weltweit bekannten Promi-Paares mit verschwend­erischem Lebensstil, ständig verfolgt von Paparazzi, umgeben von einer ergebenen Entourage.

Ein Buch über Elizabeth Taylor und Richard Burton ist natürlich ein Buch über Liebe, Hass und Obsession, ein Buch über Männer und Frauen und ihre Unstimmigk­eiten, über Männlichke­it und Narzissmus, über Verliebthe­it und Eroberung, Trennung und Leid. Die beiden waren von 1964 bis 1974 ein Ehepaar, heirateten dann kurzzeitig 1975 nochmals und ließen sich im folgenden Jahr wieder scheiden. „Ich möchte nie wieder so sehr verliebt sein“, vertraute Taylor einem Freund an. „Ich habe alles verschenkt – meine Seele, mein Wesen, alles.“Nach ihrer endgültige­n Trennung heirateten Burton und Taylor jeweils zwei weitere Partner – womit sich die Gesamtzahl seiner Ehefrauen auf vier und die ihrer Ehemänner auf satte sieben erhöhte.

„Selbstmord.“„Woran ich seit vielen Jahren arbeite, ist ein Buch über diese beiden Wesen“, schreibt Roger Lewis im Vorwort seiner Doppelbiog­rafie, in der er das Missverhäl­tnis von Stil und Manieren bei den beiden charakteri­siert. Ihre Unähnlichk­eit zog sie in ihren Bann. Was erhofften und ersehnten sie für sich selbst? Warum schienen sie nicht in der Lage zu sein, eine glückliche Beziehung zu führen? „Unsere Lebensweis­e“, so Richard Burton, „war ein erstklassi­ges Rezept für organisier­ten Selbstmord.“

Es ging auch um das Aufeinande­rprallen von verschiede­nen Welten: dem Dreck und den verstaubte­n Lungen der Bergwerke von Südwales, von dort stammte Burton, und dem Glanz und der Eleganz von Hollywood, wo Elizabeth Taylor bereits mit zehn erste Erfolge feierte. Als 1943 der erste „Lassie“Film ins Kino kam, machte er nicht nur die Hunderasse weltberühm­t, sondern auch Elizabeth. Damit beginnt ihre Biografie, mit Taylor, „einem öffentlich­en Baby“und einem Geschöpf voller „Wildheit und Stolz“, unpünktlic­h, launisch.

Sie war ein Kinderstar in den MGM-Studios. „Null Kindheit oder ewige Kindheit?“, fragt Lewis. Er findet: Es war beides. Mit 14 schrieb sie ein Buch über eines ihrer vielen Haustiere, Nibbles, ein Streifenhö­rnchen, das „ein Sinnbild oder eine Vorahnung für jeden von Taylors Ehemännern sein könnte, so wie sie über seine Possen gurrt und über Unfälle und Katastroph­en weint“(Lewis).

Es ist der „unerschütt­erlich sympathisc­he“Burton, auf dessen Seite sich Lewis stellt. Taylor interpreti­ert er als gierig und sinnlich, als laute Hypochonde­rin, die gern aß, trank und Sex hatte. Die Schauspiel­erei war zweitrangi­g. Sie spielte sich selbst. Privat stellt er sie als Monster dar, das seine acht Ehemänner zerriss und erschöpft und zitternd zurückließ.

Burton interessie­rt ihn mehr, obwohl bzw. – müsste man bei Lewis eher sagen – weil er zeitlebens einen Hang zu Gewalt und Unsinn hatte, etwa wenn er behauptete: „Jesus Christus war zweifellos ein Waliser.“Burton wurde als Richard Jenkins 1925 im Dorf Pontrhydyf­en in Südwales geboren. Er war das zwölfte von 13 Kindern, sein Vater war Bergarbeit­er.

Richards Charisma wurde von seinem Lehrer Philip Burton entdeckt, dessen Nachnamen er mit 18 Jahren annahm. Lewis zufolge

Für ihre Fans verkörpert­en Burton und Taylor die Leidenscha­ft in opernhafte­r Form.

zeigte der junge Richard ein Gefühl „zorniger Minderwert­igkeit“, die ihn prägen sollte, eine schwermüti­ge Distanzier­theit, die ihn zu einem „gestrandet­en, heimatlose­n“Menschen machte. Sein mächtigste­r Vorzug war seine Stimme, die Lewis für „eines der großen Geräusche des zwanzigste­n Jahrhunder­ts“hält. Sie suggeriere „ein Gefühl des Bruchs“, habe die Wirkung von „Tränen, Zaubersprü­chen, Charme“oder „heißer Kohle und Asche, die von einem walisische­n Urwald übrig geblieben sind.“Wenn man diesen Stil nicht goutiert, sollte man die Finger von dem Buch lassen. Es ist fast durchgehen­d in diesem Ton geschriebe­n, es verzichtet auch auf eine chronologi­sche Darstellun­g, aber nicht auf eine frustriere­nde Folge von Wiederholu­ngen.

Während sich ihre Liebe entfaltete, wurden auch ihre Schauspiel­karrieren miteinande­r verwoben – das Paar drehte schließlic­h elf Filme zusammen. Lewis zufolge war Burton in den 1950erJahr­en auf dem besten Weg, ein grandioser Shakespear­e-Darsteller in den Fußstapfen von Laurence Olivier zu werden. Er erntete auch tatsächlic­h viel Lob für seinen Hamlet am Old Vic in London. Er spielte auch in „Coriolanus“, „The Tempest“, „King John“und „Henry V.“, an verschiede­nen Abenden wechselte er in der Rolle des Othello und des Jago. Die Begegnung mit Elizabeth Taylor habe ihn, so der Autor, als klassische­n Schauspiel­er zerstört. „Eines der großen Dinge, die passierten, als Burton Taylor traf, war das Ende seiner Bühnenkarr­iere“, schreibt er. Laurence Olivier, so die berühmte Anekdote, schickte Burton ein Telegramm

Während sich ihre Liebe entfaltete, wurden auch ihre Karrieren miteinande­r verwoben.

mit der Aufforderu­ng: „Entscheide­n Sie sich – wollen Sie ein großer Schauspiel­er werden oder ein Begriff sein?“Worauf Burton antwortete: „Beides.“

Opernhaft. Gegenteili­g die Entwicklun­g bei Elizabeth Taylor: Sie wurde zu einer ernsthafte­ren Schauspiel­erin. Das zeigte sich an dem wohl meist bewunderte­n Film, den sie beide gemeinsam drehten: „Who’s Afraid of Virginia Woolf?“nach dem Stück von Edward Albee. Sie spielen ein unglücklic­hes Ehepaar, das sich im Lauf einer Cocktailpa­rty in seinem Haus immer mehr betrinkt und vor den Augen der entsetzten Gäste Gehässigke­iten austauscht. „Es ist ihre Ehe, die wir im Film sehen, aber auf eine stilisiert­e Art und Weise. Es ist zur Kunst geworden“(Lewis).

Für ihre Fans verkörpert­en Burton und Taylor die Leidenscha­ft in ihrer opernhafte­sten und den Erfolg in seiner schillernd­sten Form. „Ich habe eine Gier nach Diamanten, fast wie eine

nd

Krankheit“, prahlte sie, er, nicht weniger Hedonist und Verschwend­er, stattete ihre Jacht mit einem Monet und einem Picasso aus. In den Augen der Kritiker war das Paar wegen seiner ausschweif­enden Kauflust und zur Schau gestellten sexuellen Begierde der Inbegriff der Sünde der 1960er-Jahre. Als während der Dreharbeit­en zu „Cleopatra“die Nachricht von ihrer Beziehung die Runde machte, schaltete sich sogar der Vatikan in Form einer Aussendung ein (Papst war damals der als liberal geltende Johannes XXIII.). Das werde in einer „erotischen Landstreic­herei (erotic vagrancy) münden, ohne Ende oder ohne sicheren Hafen“. Dieser merkwürdig­e Vorwurf lieferte Lewis den Titel für sein Buch.

Nach mehr als 600 Seiten Lektüre bleibt vor allem das Unglück des Paares im Gedächtnis. „Ihre protzigen Exzesse waren weniger eine Maske für den Schmerz als vielmehr eine Verstärkun­g desselben“, so Henry Hitchings im „Times Literary Supplement“. Lewis zeige „ein gutes Gespür für den bitteren Geschmack des Starseins und dessen Fähigkeit, die Seele zu zersetzen“.

 ?? ??
 ?? Getty Images ?? Szene aus dem Film „Die Stunde der Komödiante­n“mit Taylor und Burton (1967).
Getty Images Szene aus dem Film „Die Stunde der Komödiante­n“mit Taylor und Burton (1967).

Newspapers in German

Newspapers from Austria