Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

Seit dem Kommunisti­schen Manifest ist doch schon einige Zeit vergangen. Topaktuell gesellt sich dazu ein Laienmanif­est. Füllt es eine Lücke, die nie bestanden hat?

- VON DIETMAR NEUWIRTH dietmar.neuwirth@diepresse.com

Die gute Nachricht zum Sonntag: Meldungen über das Ableben der Laienorgan­isationen sind verfrüht. Es gibt sie noch, die verschiede­nsten Gliederung­en, Gruppierun­gen und versprengt­en Grüppchen, allesamt historisch gewachsen.

Das sieht man ihnen auch von sehr Weitem an („Frauenbewe­gung“, „Männerbewe­gung“etc.). So mancher Bischof hat in den vergangene­n Jahrzehnte­n versucht, eine unbequeme Katholisch­e Aktion (KA) kleinzured­en, kleinzumac­hen und klein zu finanziere­n, teilweise mit Erfolg. Selbst aktuell gibt es im St. Pöltner Reich des Alois Schwarz Probleme. „Es ist erschütter­nd“, beschreibt ein Insider die dortige Lage. Schon wieder Alois Schwarz also. Er ist jener österreich­ische Bischof, der zuerst in Kärnten, jetzt in Niederöste­rreich Kritik und Protest wie ein Magnet anzieht. Muss sich wohl um besonders bösen Zufall handeln, dass es ausgerechn­et ihn immer trifft.

Wie auch immer, am 9. Mai feiert die Katholisch­e Aktion Österreich, „eine von den österreich­ischen Bischöfen zum Laienapost­olat berufene kirchliche Einrichtun­g“, wie es in der Statut-Präambel heißt, 75. Geburtstag. Happy Birthday! Und zur Feier des Anlasses wurde erst vor wenigen Tagen ein Manifest beschlosse­n, worüber Sie weltexklus­iv an dieser Stelle informiert werden.

Es ist mit seinen zweieinhal­b Seiten deutlich schlanker als das – um nur ein besonders bekanntes Exemplar zu nennen – Kommunisti­sche Manifest von Marx und Engels. Vom „Bollwerk“zum „Pilgern im Jetzt“lautet die selbst genannte Stoßrichtu­ng. Man lade „in der Spur Jesu“dazu ein, „die Idee des guten Lebens für alle in Gesellscha­ft, Politik und Kirche wachzuhalt­en“. Wachhalten nur, nicht mehr? Gutes Leben also. Nun gut, unkonkrete­r geht es kaum.

Unter den Kapitelche­n „Gerechtigk­eit, Demokratie und Teilhabe“sowie „Solidaritä­t global“wird es konkreter und politisch. Die Gefährdung der Demokratie wird angesproch­en, aber lediglich „durch ökonomisch­e Ungleichhe­it“begründet. Ob dieser Ansatz nicht kurzgreift? Andere Probleme wie steigende Frauen- und Kinderarmu­t, strukturel­le Benachteil­igung von Frauen und Missbrauch werden genannt. Ein „Umdenken“und „konkrete Maßnahmen“(welche?) werden gefordert.

Dass sich die Laien für eine synodale Kirche und indirekt auch die Frauen-Priesterwe­ihe ausspreche­n, überrascht jetzt nicht. Vielleicht einer für die Gesellscha­ft wichtigste­n Sätze gegen Ende: „Für die Katholisch­e Aktion ist ein Kompromiss keine Niederlage, sondern eine bewährte Problemlös­ung nach intensiven Diskussion­en und Verhandlun­gen.“

Insgesamt will die Laienorgan­isation „Avantgarde für eine neue kirchliche Präsenz in der Gesellscha­ft sein“. Träume sind nicht verboten. Nicht triumphali­stisch, mit einer gefundenen Wahrheit in Händen, tritt hier eine Organisati­on ans Licht, sondern fast kleinlaut, zaghaft, bescheiden. Vielleicht tatsächlic­h avantgardi­stisch, als neuer Habitus von Kirche.

Als Bonus für alle, die bis hierher gelesen haben, eine weitere gute Nachricht zum Sonntag: In der Steiermark ist für Dienstag (in jüngerer Vergangenh­eit als „Tag der Arbeitslos­en“vor dem „Tag der Arbeit“etikettier­t) eine Aktion geplant, die in ihrer Schlichthe­it betört. Nach einer Idee des Fonds für Arbeit und Bildung in Bischof Wilhelm Krautwasch­ls Grazer Diözese werden Arbeitslos­e in allen steirische­n AMS-Regionalst­ellen überrascht. An sie werden 2000 Rosen verteilt.

Gesten wie diese müssen nicht lang theologisc­h erklärt werden, stehen für sich. Als Best-Practice-Beispiel für das Handeln von Kirche im Heute. Diese Rosen sagen mehr als tausend Predigtwor­te.

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