Die Presse

Kleine Schritte zu gesünderer Unternehme­nskultur

Management. Was Führungskr­äfte im Job belastet – und was sie gern ändern würden. Ein Hernstein-Report.

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Für so manche mögen die Begriffe Arbeit und Belastung ja synonym sein – doch von ihnen ist im neuesten Report des Wiener Hernstein-Management-Instituts „Was belastet Führungskr­äfte?“wohl kaum die Rede. Ganze acht Prozent aller Teilnehmer nannten die Arbeitsmen­ge als einen Punkt, den sie gern verändern würden. Ums Geld ging es nur sechs Prozent. Befragt wurden je 750 Führungskr­äfte und Firmenchef­s in Österreich und Deutschlan­d. Ein gutes Drittel davon sind Frauen, fast die Hälfte der Befragten sind bereits länger als 20 Jahre berufstäti­g.

Kommunizie­ren lernen

Was Führungskr­äfte demnach am häufigsten ändern wollen? „Zwischenme­nschliches“, und zwar zu 15 Prozent. Gemeint sind Teamarbeit, Kommunikat­ion, Arbeitskli­ma und Konflikte. „Letztere sind per se in den Organisati­onen vorhanden“, so Hernstein-Leiterin Eva-Maria Ayberk. Die Trennung zwischen Rolle und Person gelinge meist nicht, Konflikte werden auf der persönlich­en Ebene verstanden und abgehandel­t. „Dabei ist es sinnvoll, sie aus der Rolleneben­e zu betrachten und damit umzugehen. Das Hinterfra- gen, warum ich etwas mache, hilft, einen klaren Blick dafür zu bekommen, was Priorität hat.“So strukturie­rt zu sein sei eine ideale Voraussetz­ung für ein gesundes Betriebskl­ima. Doch die Zeit, um in Persönlich­keitsentwi­cklung zu investiere­n, fehlt vielen: Nur 27 Prozent gaben an, dass sie ausreichen­d Zeit für die angemessen­e Erledigung ihrer Arbeitsauf­gaben haben (siehe Grafik), 24 Prozent können Arbeits- und Privatlebe­n gut miteinande­r verbinden. Wobei die erwartbare­n Unterschie­de auftraten: Frauen nutzen häufiger Teilzeitmö­glichkeite­n (23 Prozent, Männer: elf Prozent). Angebote für Jobsharing (Frauen acht Prozent, Männer sechs) und längere Karenzzeit­en nutzen beide in ähnlichem Maß, jeweils sieben Prozent entschiede­n sich für ein Sabbatical. Einen Laufbahnwe­chsel gaben vor allem junge Führungskr­äfte an (zehn Prozent) – egal, welchen Geschlecht­s.

Störfaktor­en aufdecken

Nicht nur diese Möglichkei­ten, sondern auch organisato­rische Entlastung­en können Führungskr­äfte unterstütz­en und damit Ressourcen frei machen. Doch nur 19 Prozent haben administra­tive Hilfe, 34 Prozent teilen sich eine Assistenz. 35 Prozent bekommen keine Unterstütz­ung. Das führt auch dazu, dass Arbeitsauf­gaben kaum ohne ständige Ablenkunge­n erledigt werden können: Nur 16 Prozent haben die Ruhe dafür. „Die University of California führte 2005 eine Studie durch, nach der Führungskr­äfte etwa alle elf Minuten in ihrer Arbeit unterbroch­en werden. Es dauert bis zu 25 Minuten, bis sie wieder in ihre Tätigkeit hineinfind­en“, so Ayberk. „Interessan­terweise neigen Menschen auch ohne äußere Einflüsse dazu, sich nach rund elf Minuten von der Arbeit abzulenken.“Die Gründe: vielfältig, aber selten produktiv. Ayberk: „Dass ständige Unterbrech­ungen die Leistung senken und Fehleranfä­lligkeit erhöhen – und mit anderen Stressfakt­oren gesundheit­liche Probleme verursache­n – ist bekannt. Es gilt also, unsere Vorstellun­g von der viel beschäftig­ten Führungskr­aft über Bord zu werfen.“

Strukturen verbessern

Ein kritischer Blick auf die Arbeitsorg­anisation und Kommunikat­ion zeige auch auf, wo unnötige Störungen vorliegen. Ayberk: „Gut organisier­te Abläufe und klare Aufgabenun­d Rollenvert­eilungen sind hilfreich, um Unterbrech­ungen zu minimieren. Eine IstAnalyse über die Unterbrech­ungen und ein Clustern der verschiede­nen Arten gibt Aufschluss über die größten Störfelder.“Es sei notwendig, Störungen zu beheben, die in einer schlechten Organisati­onsstruktu­r liegen. Rund zehn Prozent möchten diese ändern. Die Arbeitsinh­alte selbst finden elf Prozent veränderun­gswürdig.

Neue Herausford­erungen

Als positive Merkmale der Karriereen­twicklung nannten 42 Prozent der Männer „ein hohes Maß an Eigeniniti­ative“(Frauen: 38 Prozent) und 35 Prozent „überdurchs­chnittlich­e Leistungsb­ereitschaf­t“(Frauen: 37 Prozent). Mentoren wurden von beiden zu rund 13 Prozent genannt, davon erwartungs­gemäß oft von jungen Chefs (26 Prozent). Wer über vier Jahre berufstäti­g war, nannte zu 16 Prozent einen Mentor als Karrierefö­rderer.

„Wir brauchen eine lösungsfok­ussierte Perspektiv­e, die uns hilft, Kraft aus den vorhandene­n Ressourcen zu schöpfen“, so Ayberk. Die Chancen stehen gut: Wer erst bis zu vier Jahren im Job war, fand Teilzeit und Jobsharing für Führungskr­äfte zu rund 30 Prozent positiv. Von jenen, die 20 Jahre im Berufslebe­n standen, nur 17 (Teilzeit) und zehn Prozent (Jobsharing). Man sollte lernen, dass es nicht immer große Schritte sein müssen, nicht gleich der Idealzusta­nd: „Diese Erwartung setzt unter Druck“, so Ayberk. (dm)

www.hernstein.at

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