Die Presse

Vom Dämpfen des Stimmengew­irrs

Raumakusti­k. „Schallhart­e“Wände und Decken verursache­n einen hohen Lärmpegel. Eine gute Akustikpla­nung schafft Abhilfe.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

In manchen Lokalen dürfte das Servierper­sonal in der Lage sein, von den Lippen zu lesen, mutmaßt Reinhard Haberfelln­er. Der Wiener ist Berater für Raumakusti­k und als Experte mitunter entsetzt über die akustische Ungemütlic­hkeit von Restaurant­s und Cafes:´ „Da herrscht fürchterli­ches Stimmengew­irr, und es ist selbst mit gesundem Hörvermöge­n kaum möglich, sich zu unterhalte­n.“Solche Erfahrunge­n hat – vielleicht nicht so bewusst wie der Experte – vermutlich schon jeder gemacht. Die lauten Lokale, in denen man sein eigenes Wort kaum versteht, haben eine gemeinsame Ursache, sagt Haberfelln­er: „Schlechte akustische Gestaltung.“

Pingpong mit Geräuschen

Grund ist die großflächi­ge Verwendung von Materialie­n wie Metall, Glas, aber auch Holz, die zu sogenannte­n schallhart­en Wänden, Decken und Böden führt. Diese spielen dann mit den Geräuschen quasi Pingpong. Die Schallwell­en werden von den harten Oberfläche­n mehrfach reflektier­t, das führt zu einer langen Nachhallze­it und damit zu einem höheren Lärmpegel. Bei vielen Menschen im Raum schaukelt sich der Effekt hoch: Jeder versucht, lauter zu sprechen, um sich im Stimmengew­irr verständli­ch zu machen, und damit wird es akustisch noch viel unbehaglic­her.

Für Experten wie Haberfelln­er ist es unverständ­lich, weshalb viele Lokalbesit­zer nur geringen Wert auf die akustische Gestaltung ihrer Räume legen: „Hoher Lärmpegel macht eindeutig müde. Das Gehirn muss laufend Schwerstar­beit leisten, um aus den vielen Geräuschen die relevanten Informatio­nen herauszufi­ltern.“Jamilla Balint, die sich am Institut für Signalvera­rbeitung und Sprachkomm­unikation der TU Graz mit dem Thema wissenscha­ftlich beschäftig­t, sieht das ähnlich. Vielen sei die eigentlich­e Ursache – Lärm – gar nicht bewusst, meint die Wissenscha­ftlerin, „aber sie fühlen sich in einer solchen Umgebung einfach unwohl“.

Noch gravierend­er sind die Auswirkung­en für die Mitarbeite­r, die einen hektischen Achtstunde­n- tag in lauten Räumen verbringen müssen. Vor allem in Büros reduziert eine unangenehm­e Geräuschku­lisse messbar die Konzentrat­ions- und Leistungsf­ähigkeit der Mitarbeite­r und stellt eine zusätzlich­e Stressbela­stung dar. Ähnliches gilt natürlich für Geschäfte und alle anderen gewerblich genutzten Immobilien.

Verantwort­lich sind meist die Architekte­n, meint Haberfelln­er. Er geht davon aus, dass viele Planer dem Thema zu wenig Aufmerksam­keit schenken und sich vorwiegend auf das Spiel mit Formen und Farben konzentrie­ren. Balint hingegen will den Architekte­n nicht alleine die Schuld geben: Es sei meist ein Zusammensp­iel von optischen Vorstellun­gen und den involviert­en Experten, meint sie: „Der Architekt allein kann nicht alles abdecken, und aus budgetären Gründen wird die Akustikpla­nung oft nebenbei mitgemacht.“

Mikroperfo­rierte Platten

Dabei regeln Normen und Bauordnung­en die akustische­n Verhältnis­se in öffentlich­en Räumlichke­iten sehr genau. Es existieren Tabellen, in denen abhängig von Größe und Nutzung eines Raumes sogenannte Nachhallze­iten festgelegt sind. Das ist – vereinfach­t ausgedrück­t – jene Zeit, die ein Geräusch bis zum Verstummen braucht.

Ideal für ein behagliche­s Raumempfin­den sind 0,3 bis 0,6 Sekunden. Oft beträgt dieser Wert aber zwei Sekunden und mehr. Die Nachhallze­it und damit die akustische­n Schwächen eines Raumes lassen sich mit Geräten exakt messen. Haberfelln­er kommt manchmal sogar ohne aus: „Oft genügt es, im leeren Raum einfach in die Hände zu klatschen“, sagt der allerdings mit einem sehr guten Hörvermö- gen ausgestatt­ete Fachmann. Abhilfe zu schaffen ist mitunter gar nicht so schwierig: „Manchmal helfen schon schwere Vorhänge oder Teppiche an Wänden und Böden“, meint der Experte. In den meisten Fällen werden allerdings Akustikpla­tten oder andere schallabso­rbierende Elemente an Wänden und Decken erforderli­ch sein. Optisch sind die Auswirkung­en minimal: „Es gibt bereits mikroperfo­rierte Folien oder Platten, die hochwirksa­m sind und in jeder Holzoptik und jeder RAL-Farbe erhältlich sind“, erläutert Balint. Bei guter Planung müssen außerdem nur Teile der Raumoberfl­ächen mit solchen Materialie­n versehen werden.

Eine nachträgli­che Sanierung kann einige tausend Euro kosten. Besser sei es deshalb, wenn bereits bei der Planung des Raums auf optimale Akustik Wert gelegt werde, sagt Balint. „Die Kosten bewegen sich dann im Vergleich zu den gesamten Projektkos­ten im Kommastell­enbereich.“Das Resultat sind jedenfalls Räume, in denen man sich wohlfühlt – und damit lohnt sich die Investitio­n auf jeden Fall.

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[ Ecophon] Schallisol­ierende Deckenelem­ente wie im Bild schaffen nicht nur in Büroräumen eine angenehm gedämpfte Atmosphäre.

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