Vom Dämpfen des Stimmengewirrs
Raumakustik. „Schallharte“Wände und Decken verursachen einen hohen Lärmpegel. Eine gute Akustikplanung schafft Abhilfe.
In manchen Lokalen dürfte das Servierpersonal in der Lage sein, von den Lippen zu lesen, mutmaßt Reinhard Haberfellner. Der Wiener ist Berater für Raumakustik und als Experte mitunter entsetzt über die akustische Ungemütlichkeit von Restaurants und Cafes:´ „Da herrscht fürchterliches Stimmengewirr, und es ist selbst mit gesundem Hörvermögen kaum möglich, sich zu unterhalten.“Solche Erfahrungen hat – vielleicht nicht so bewusst wie der Experte – vermutlich schon jeder gemacht. Die lauten Lokale, in denen man sein eigenes Wort kaum versteht, haben eine gemeinsame Ursache, sagt Haberfellner: „Schlechte akustische Gestaltung.“
Pingpong mit Geräuschen
Grund ist die großflächige Verwendung von Materialien wie Metall, Glas, aber auch Holz, die zu sogenannten schallharten Wänden, Decken und Böden führt. Diese spielen dann mit den Geräuschen quasi Pingpong. Die Schallwellen werden von den harten Oberflächen mehrfach reflektiert, das führt zu einer langen Nachhallzeit und damit zu einem höheren Lärmpegel. Bei vielen Menschen im Raum schaukelt sich der Effekt hoch: Jeder versucht, lauter zu sprechen, um sich im Stimmengewirr verständlich zu machen, und damit wird es akustisch noch viel unbehaglicher.
Für Experten wie Haberfellner ist es unverständlich, weshalb viele Lokalbesitzer nur geringen Wert auf die akustische Gestaltung ihrer Räume legen: „Hoher Lärmpegel macht eindeutig müde. Das Gehirn muss laufend Schwerstarbeit leisten, um aus den vielen Geräuschen die relevanten Informationen herauszufiltern.“Jamilla Balint, die sich am Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation der TU Graz mit dem Thema wissenschaftlich beschäftigt, sieht das ähnlich. Vielen sei die eigentliche Ursache – Lärm – gar nicht bewusst, meint die Wissenschaftlerin, „aber sie fühlen sich in einer solchen Umgebung einfach unwohl“.
Noch gravierender sind die Auswirkungen für die Mitarbeiter, die einen hektischen Achtstunden- tag in lauten Räumen verbringen müssen. Vor allem in Büros reduziert eine unangenehme Geräuschkulisse messbar die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter und stellt eine zusätzliche Stressbelastung dar. Ähnliches gilt natürlich für Geschäfte und alle anderen gewerblich genutzten Immobilien.
Verantwortlich sind meist die Architekten, meint Haberfellner. Er geht davon aus, dass viele Planer dem Thema zu wenig Aufmerksamkeit schenken und sich vorwiegend auf das Spiel mit Formen und Farben konzentrieren. Balint hingegen will den Architekten nicht alleine die Schuld geben: Es sei meist ein Zusammenspiel von optischen Vorstellungen und den involvierten Experten, meint sie: „Der Architekt allein kann nicht alles abdecken, und aus budgetären Gründen wird die Akustikplanung oft nebenbei mitgemacht.“
Mikroperforierte Platten
Dabei regeln Normen und Bauordnungen die akustischen Verhältnisse in öffentlichen Räumlichkeiten sehr genau. Es existieren Tabellen, in denen abhängig von Größe und Nutzung eines Raumes sogenannte Nachhallzeiten festgelegt sind. Das ist – vereinfacht ausgedrückt – jene Zeit, die ein Geräusch bis zum Verstummen braucht.
Ideal für ein behagliches Raumempfinden sind 0,3 bis 0,6 Sekunden. Oft beträgt dieser Wert aber zwei Sekunden und mehr. Die Nachhallzeit und damit die akustischen Schwächen eines Raumes lassen sich mit Geräten exakt messen. Haberfellner kommt manchmal sogar ohne aus: „Oft genügt es, im leeren Raum einfach in die Hände zu klatschen“, sagt der allerdings mit einem sehr guten Hörvermö- gen ausgestattete Fachmann. Abhilfe zu schaffen ist mitunter gar nicht so schwierig: „Manchmal helfen schon schwere Vorhänge oder Teppiche an Wänden und Böden“, meint der Experte. In den meisten Fällen werden allerdings Akustikplatten oder andere schallabsorbierende Elemente an Wänden und Decken erforderlich sein. Optisch sind die Auswirkungen minimal: „Es gibt bereits mikroperforierte Folien oder Platten, die hochwirksam sind und in jeder Holzoptik und jeder RAL-Farbe erhältlich sind“, erläutert Balint. Bei guter Planung müssen außerdem nur Teile der Raumoberflächen mit solchen Materialien versehen werden.
Eine nachträgliche Sanierung kann einige tausend Euro kosten. Besser sei es deshalb, wenn bereits bei der Planung des Raums auf optimale Akustik Wert gelegt werde, sagt Balint. „Die Kosten bewegen sich dann im Vergleich zu den gesamten Projektkosten im Kommastellenbereich.“Das Resultat sind jedenfalls Räume, in denen man sich wohlfühlt – und damit lohnt sich die Investition auf jeden Fall.