Die Presse

Wir verwalten die Vergangenh­eit, statt in die Zukunft zu investiere­n

Der Bund holt pensionier­te Beamte zurück – weil wir die Falschen ziehen lassen, im Gegenzug die Falschen behalten und zu viel verwalten.

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N ein, wir müssen uns jetzt keine Sorgen machen. Wir müssen keine Zäune um die Ministerie­n errichten, um die Abertausen­den Beamten an der Rückkehr zu ihren Schreibtis­chen zu hindern, die sie gegen ihren Willen verlassen mussten, um in die Früh- und Invalidenr­ente abgeschobe­n zu werden. Das Finanzmini­sterium holt lediglich drei Dutzende Beamte aus der Rente zurück. „Alles Spezialist­en“, wie es heißt. Diese Spezialist­en sollen ihre jungen Kollegen in Sachen Betrugsbek­ämpfung schulen.

Und dasselbe geschieht auch in anderen Ministerie­n. Etwa im Innenminis­terium, um Expertise bei der Bewältigun­g des Flüchtling­sstroms zu erhalten. Etwa an den Schulen, an denen Bundeslehr­er reaktivier­t werden sollen.

Es wird also offensicht­lich Know-how rekrutiert. Und das macht die ganze Sache dann doch ein bisschen fasziniere­nd. Denn es kann doch wohl keiner behaupten, dass es in diesem Land zu wenige Beamte gibt, dass hier die Verwaltung derart schlank aufgestell­t ist, dass wir jetzt schon Pensionist­en regelrecht zurückpfei­fen müssen.

Das Problem liegt wohl eher darin, dass wir die Falschen ziehen lassen und im Gegenzug die Falschen behalten. Da werden von Bundesbeam­ten Aktenordne­r angelegt, die dann von der Landesverw­altung verteilt werden, um schließlic­h von Gemeindebe­diensteten exekutiert zu werden. Wir verwalten auf zu vielen Ebenen fast ausschließ­lich die Vergangenh­eit und die Gegenwart und vergessen dabei, in die Zukunft zu investiere­n. Und wenn wir jene Mitarbeite­r, die über die meiste Erfahrung verfügen, viel zu früh in die Pension schicken, dann fällt uns das irgendwann auf den Kopf. Aber zumindest hat die Regierung, haben die Ministerie­n, das nun offensicht­lich erkannt.

Während also der Staat Leute zurückholt, droht der Bank Austria in Österreich der sogenannte Kahlschlag. Mindestens 800 Mitarbeite­r werden abgebaut, und bis Dezember wird sich weisen, wie viele Arbeitsplä­tze von den fast 10.000 in Österreich noch gestrichen werden. Die Gewerkscha­ft hat bereits versproche­n, um „jeden einzelnen Arbeitspla­tz“zu kämpfen. Nur diesmal wird dieser Kampf wohl nicht ganz so einfach sein, wie in den vergangene­n Jahrzehnte­n. Viele Jahre lang haben Konzernche­fs und Banker den Satz geprägt: Durch die Expansion nach Osteuropa werden in Österreich Arbeitsplä­tze gesichert. Das hat wunderbar geklungen. Aber keiner hat sich damals die Frage gestellt: Wer zahlt denn den Preis dafür, dass bei uns noch immer Milch und Honig fließen? Ja, es waren die Mitarbeite­r und Kunden in den osteuropäi­schen Ländern. Ihnen wurde von Beginn an unmissvers­tändlich vor Augen geführt, was eine „schlanke Organisati­on“ist.

Nachdem die OMV – um nur ein Beispiel zu erwähnen – im Jahr 2004 die rumänische Petrom übernommen hatte, wurden dort mehr als 30.000 Jobs abgebaut. Gleichzeit­ig hat Österreich – auf Geheiß der Gewerkscha­ften – den Zuzug von Arbeitnehm­ern aus den damals neuen EU-Ländern so lang wie möglich hinausgezö­gert. Fazit: Die innovative­n und gut ausgebilde­ten Arbeitskrä­fte waren längst weg, als die Grenzen fielen – zu uns kamen am Ende größtentei­ls die Falschen. Weil wir lieber alte Besitzstän­de bewahrt haben, anstatt die Zukunft aktiv anzugehen. U nd genau vor diesem Dilemma steht jetzt die UniCredit-Tochter Bank Austria. Den Konzernche­fs in Mailand ist unser kleines, österreich­isches Schreberga­rtendenken völlig egal. Und vor allem fragen sie sich: Was hat es uns gebracht, dass wir die Bank Austria in Österreich vor gröberen Restruktur­ierungen bewahrt haben? Als Dank gab es bekanntlic­h die Bankensteu­er. Besitzstän­de bewahren, die Vergangenh­eit verwalten, damit ist jetzt auch in der Bank Austria Schluss. Und dieser Schlussstr­ich wird schmerzhaf­t ausfallen.

Am Ende bleibt nur die nüchterne Erkenntnis, dass wir uns gegen Veränderun­gen nicht endlos wehren können. Wir müssen sie aktiver angehen, auch wenn das weniger Sicherheit, weniger „wohl erworbene Rechte“bedeutet.

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gerhard.hofer@diepresse.com

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VON GERHARD HOFER

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