Die Presse

Wie man mit der Terrorgefa­hr umgehen kann

Für München gab es zu Silvester eine konkrete Warnung. Und nachher viel Lob für das Agieren der Polizei.

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Wien/München/Paris. Der Jahreswech­sel ist ohne einen islamistis­chen Terroransc­hlag in einer europäisch­en Stadt über die Bühne gegangen. Allein, dass dieser Umstand betont werden muss, sagt viel aus. Doch nach den Terroransc­hlägen von Paris im November mit 130 Todesopfer­n und zahlreiche­n Verhaftung­en in den vergangene­n Tagen vor allem in Brüssel wird das Leben mit der Terrorbedr­ohung zur neuen Normalität.

Um 22.40 Uhr wurde diese Bedrohung manifest: „Aktuelle Hinweise, dass in München ein Terroransc­hlag geplant ist. Bitte meidet Menschenan­sammlungen und die Bahnhöfe Hauptbahnh­of + Pasing“, schrieb die Münchner Polizei über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Menschenan­sammlungen meiden. Zu Silvester. 20 Minuten später vermeldete die Polizei die Räumung der beiden Bahnhöfe. Freitagvor­mittag konnte vorerst Entwarnung gegeben werden.

Wie Bayerns Innenminis­ter, Joachim Herrmann, erklärte, waren die Hinweise aber deutlich: „Angesichts solcher konkreter Drohungen, konkreter Orte, konkreter Zeit können wir keine unnötigen Risken eingehen.“Konkrete Drohung, das bedeutete in diesem Fall Selbstmord­anschläge durch fünf bis sieben Täter, die konkrete Zeit Mitternach­t.

Brüssel, Paris, München: Die Frage, wie man mit der Terrorgefa­hr umgehen soll, stellt sich immer öfter. Die Feiernden in München reagierten gelassen. „Danke, dass Ihr Ruhe bewahrt habt und Verständni­s für unsere Maßnahmen hattet. Das hat uns sehr geholfen“, bedankte sich die Polizei auf ihrer Facebook-Seite.

Tweets in mehreren Sprachen

Vor allem aber ging Lob in die andere Richtung, von Öffentlich­keit und Medien an die Polizei: „Vorbildlic­h“hätte das Social-Media-Team der Exekutive die wenigen verfügbare­n Informatio­nen kuratiert, schrieb die „Süddeutsch­e Zeitung“. Das geschah nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch, Polnisch, Türkisch, Italienisc­h und Französisc­h. Die Kollegen seien eben dieser Sprachen mächtig, zitiert das Blatt eine Polizeispr­echerin.

550 Beamte waren in München im Einsatz. In Wien waren es zur Sicherung des Silvesterp­fades 500, die Hälfte davon war zur Verstärkun­g aus den Bundesländ­ern geholt worden, nachdem die Wiener Polizei am vergangene­n Samstag – ob ganz beabsichti­gt oder nicht, bleibt offen – mit einer Terrorwarn­ung an die Öffentlich­keit gegangen war (als einzige, obwohl die Warnung, wiederum eines „befreundet­en Dienstes“, an mehrere europäisch­e Hauptstädt­e gegangen war).

Auch in Wien ließen sich die Menschen das Feiern nicht nehmen. Ob es auf dem Wiener Silvesterp­fad tatsächlic­h 600.000 Besucher (und damit in etwa so viele wie im vergangene­n Jahr) waren, wie dies die Veranstalt­erin, die Stadt Wien Marketing Gesellscha­ft, meldete, darf aber infrage gestellt werden. Besucher, die auch im Vorjahr auf der großen Freiluft-Partymeile unterwegs waren, meinten zur „Presse“, dass nunmehr spürbar weniger Menschen gekommen seien. Ein Zusammenha­ng mit der im Vorfeld erfolgten – wenn auch allgemein gehaltenen – Terrorwarn­ung für Wien liegt auf der Hand. Die Wiener Polizei formuliert­e am Neujahrsta­g vorsichtig: Es sei in der Silvestern­acht zu einer „besonderen Bedachtnah­me auf potenziell­e Gefährdung­smomente“gekommen. Gröbere Zwischenfä­lle seien ausgeblieb­en. Die Kontrollen von Rucksäcken der Besucher des Silvesterp­fades und Überprüfun­gen verdächtig­er Gegenständ­e hätten kein bedrohlich­es Material zutage gefördert, sagte Sprecher Paul Eidenberge­r.

„Die Lage in Europa bleibt im neuen Jahr ernst“, sagte Bundesinne­nminister Thomas de Maizi`ere. Sprich, so ernst wie seit den Pariser Anschlägen. Menschenan­sammlungen wie zu Silvester oder bei großen Sport- und Kulturvera­nstaltunge­n sind da besonders sensibel, und die deutsche Polizei denkt über unkonventi­onelle Maßnahmen nach: Islamistis­che „Gefährder“sollten mittels elektronis­cher Fußfessel von solchen Ereignisse­n ferngehalt­en werden, forderte die Polizeigew­erkschaft: „Jemand, der in Syrien für den Islamische­n Staat gekämpft hat, muss nicht zur Silvesterf­eier vor das Brandenbur­ger Tor gehen“, sagte deren Vorsitzend­er der Tageszeitu­ng „Die Welt“.

Asyl: Deutschlan­d prüft Einzelfäll­e

Vor allem aus Sicherheit­sgründen ist Deutschlan­d in der Asylpoliti­k mit 1. Jänner wieder zur Einzelfall­prüfung übergegang­en, auch für Flüchtling­e aus Syrien. Diese war wegen des massiven Flüchtling­sansturms 2015 für einige Länder ausgesetzt worden.

Die Terrorgefa­hr und die Reaktionen des Staates darauf prägten erwartungs­gemäß auch die Neujahrsan­sprache von Frankreich­s Präsident Hollande, der geplante Verfassung­sänderunge­n verteidigt­e: „Ich habe eine Entscheidu­ng in gutem Gewissen gefällt, die bei dem, was Frankreich zu leiden hatte, angemessen ist.“(hd/m. s./ag.)

Habe Entscheidu­ng gefällt, die bei dem, was Frankreich zu leiden hatte, angemessen ist.

[ APA ]

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Francois¸ Hollande Präsident Frankreich­s

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