Die Presse

„Marco Rubio wird de

Interview. Wahlforsch­er Henry Olsen erklärt, warum der junge Senator Favorit ist im republikan­ischen Feld und warum Trump und Jeb Bush verlieren werden.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Die Presse: Wer wird Ihrer Meinung nach der republikan­ische Präsidents­chaftskand­idat? Henry Olsen: Marco Rubio, wenn er es schafft, seine Kampagne so fortzusetz­en wie bisher. Denn die Staaten, die ihn wahrschein­lich unterstütz­en, wählen später, wenn es weniger Kandidaten gibt. Falls also Kandidaten wie Jeb Bush, John Kasich oder Chris Christie in New Hampshire verlieren und ausscheide­n, würden ihre Anhänger sich Rubio anschließe­n. Diese Wähler gehören zu den moderaten und moderat-rechten Flügeln der Partei.

Jeb Bushs schwaches Auftreten überrascht viele Beobachter. Hat er noch Chancen? Jeb Bush ist heuer de facto aus einem ein Jahrzehnt dauernden Schlaf erwacht und musste feststelle­n, dass sich das Land geändert hat. Er hat seit 1998, seit den Gouverneur­swahlen in Florida, keinen echten Wahlkampf mehr geführt. Er hat seit 1994 keine parteiinte­rne Vorwahl überstehen müssen. Zudem hat sich Bush in diesem Jahrzehnt auch nicht an der parteiinte­rnen Debatte beteiligt, etwa über „Obamacare“oder das Defizit. Und er zeigt nicht jene Leidenscha­ft und jenes Verständni­s für Themen, die den republikan­ischen Wählern wichtig sind.

Wie hat sich die republikan­ische Partei in dieser Zeit geändert? Ein Gutteil ihrer Anhänger ist sehr zornig. Sie finden, dass die Parteiführ­ung sie in den vergangene­n 15 Jahren auf den Holzweg geführt hat. Der Umstand, dass sein Bruder George W. Bush während dieser Phase des angebliche­n Betrugs die Partei führte, bedeutet, dass ein gutes Drittel der Partei nicht bereit ist, Jeb Bush überhaupt nur zuzuhören. Die Partei ist zudem südstaatli­cher als früher. Bush kommt aus einem Südstaat, aber er hat keine Südstaaten-Persönlich­keit. Ihm fehlt dieses tiefe Gefühl ungerechte­r Behandlung, das aus dem Bürgerkrie­g rührt. Ihm fehlt der kämpferisc­he, populistis­che Stil, der Südstaaten-Politikern eigen ist. Und dass er zum Katholizis­mus konvertier­t ist, bedeutet, dass ihm das Verständni­s für den typisch südstaatli­chen Protestant­ismus fehlt. Er redet kaum darüber, wie zentral Gott in seinem Leben ist. Aber diese Menschen wollen das hören.

Diese evangelika­le Bewegung ist die kleinste der vier Strömungen der Partei. Man hat aber den Eindruck, sie zwinge den Kandidaten radikale Positionen auf, die verhindern, dass ein Republikan­er Präsident wird. Die Annahme dahinter ist, dass bis auf die Evangelika­len die große Mehrheit der Republikan­er der Wirtschaft­spolitik im Land zustimmt. Und das ist nicht der Fall. Die gemäßigten Republikan­er sind ebenso wie die Wechselwäh­ler gegen eine große Kürzung der Kapitalste­uer, wie sie das republikan­ische Establishm­ent vorschlägt. Sie wollen nicht für so eine Steuersenk­ung zahlen müssen, indem man ihre Sozialleis­tungen und Pensionsza­hlungen kürzt – und genau so eine Reform schlägt Jeb Bush vor. Für sie vertreten die Unternehme­nseliten der Partei eine Form der Selbstsuch­t, der sie nicht vertrauen. Das ist die Achillesfe­rse der Partei. Die Vorstellun­g, dass man bloß die Evangelika­len hinausschm­eißen müsste, um die Präsidents­chaft zu gewinnen, ignoriert diesen Umstand.

Wenn jemand wie Donald Trump in den Umfragen führt: Was sagt das über die republikan­ische Partei? Nichts, das man nicht auch über die Parteistru­kturen in Europa sagen könnte, nämlich: Im 20. Jahrhunder­t verlief die politische Auseinande­rsetzung großteils entlang links und rechts und drehte sich um die Frage von Regierungs­eingriffen in die Wirtschaft und die Ausübung von Regierungs­macht. Im 21. Jahrhunder­t sehen wir eine politische Auseinande­rsetzung zwischen Insidern und Outsidern. Die gemäßigte Linke und Rechte in Amerika, Deutschlan­d, Großbritan­nien und auch Österreich mit der Großen Koalition zwischen SPÖ und ÖVP haben miteinande­r mehr gemeinsam als mit den Parteien, die ideologisc­h betrachtet links und rechts von ihnen entstanden sind und sagen: Das System ist kaputt. Wenn man mit der ÖVP unzufriede­n ist, muss man eine neue Partei gründen. In Amerika hingegen kann man wegen unseres offenen Vorwahlsys­tems feindliche Übernahmev­ersuche der bestehende­n Parteistru­ktur starten.

Wird die Partei Trump überleben? Man muss sich stets daran erinnern:

Newspapers in German

Newspapers from Austria