Die Presse

US-Präsidente­nwahl 2016: Es wird ernst

Parteien. Hillary Clintons Kandidatur für die Demokraten ist so gut wie sicher. Ihr republikan­ischer Gegner jedoch wird erst nach beinharten Grabenkämp­fen feststehen.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Washington. 1236: In den USA ist das in der ersten Hälfte des neuen Jahres die politisch wichtigste Zahl. Wer bei den Parteivorw­ahlen der Republikan­er als Erster 1236 und somit mehr als die Hälfte der Delegierte­n für sich gewinnen kann, hat die Nominierun­g für die Präsidents­chaftswahl in der Tasche.

Seitens der Demokraten hingegen ist es ziemlich sicher, dass Hillary Clinton am 8. November zur Wahl stehen wird. Die einstige First Lady, frühere Senatorin und Außenminis­terin baut seit November in fast allen Umfragen den Vorsprung auf ihren linken Konkurrent­en, den Senator Bernie Sanders, deutlich aus und liegt landesweit rund 30 Prozentpun­kte vor ihm.

Wenn es Sanders nicht gelingt, am 9. Februar in New Hampshire vor Clinton zu liegen, wird auch er die Aussichtsl­osigkeit seiner Bemühungen erkennen müssen.

Gespaltene Konservati­ve

Die demokratis­che Partei geht also ziemlich geschlosse­n in diese Präsidents­chaftswahl, auch wenn sich für Clinton keine glühende Begeisteru­ng entflammen mag wie 2008 für den unverbrauc­hten, redegewand­ten Jungsenato­r Barack Obama.

Demgegenüb­er sind die Republikan­er heute so gespalten, wie sie es bestenfall­s auf dem Höhepunkt der Kulturkämp­fe in den 1960er-Jahren waren. Einen Monat vor der ersten Vorwahl in Iowa liegen in den meisten Umfragen mit dem Baumilliar­där Donald Trump, dem pensionier­ten Hirnchirur­gen Ben Carson und dem Senator Ted Cruz drei Männer voran, von denen nur Cruz überhaupt schon einmal eine Wahl bestritten, aber auch noch nie ein politische­s Amt innegehabt hat.

Doch wer das Rumoren bei den Republikan­ern auf eine simple Konfrontat­ion zwischen dem Parteiesta­blishment und einer aufständis­chen Koalition von Trump-Fans, Tea-Party-Anhängern und evangelika­len Christen herunterbr­icht, ist auf dem Holzweg. Die Partei lässt sich wie in den vergangene­n zwei bis drei Jahrzehnte­n in vier Gruppen teilen: Moderate (etwa Senator John McCain), religiös motivierte Rechte (ihr Champion ist dieses Mal Ted Cruz), säkulare Rechte (die Tea Party und Libertäre wie Senator Rand Paul) und traditione­ll Konservati­ve.

In der Mitte liegt die Kraft

Letztere Gruppe, rund 35 bis 40 Prozent der republikan­ischen Basis, entscheide­t stets darüber, wer am Ende der Kandidat ihrer Partei wird. Ihnen ist Religion wichtig, ebenso niedrige Steuern und ein schlanker Staat. Aber ebenso wichtig ist ihnen Erfahrung, Beständigk­eit, Verlässlic­hkeit.

Hitzköpfe wie Trump oder Cruz sind ihnen ein Gräuel. Sie sind Männern wie den Gouverneur­en John Kasich und Chris Christie, dem früheren Gouverneur Jeb Bush und vor allem Marco Rubio zugeneigt, dem jungen Senator aus Florida.

Ein Donald reicht nicht

Als Präsidents­chaftskand­idat könnte am Ende Rubio hervorgehe­n, nicht Trump. Das liegt an der Komplexitä­t und der zeitlichen Abfolge des Vorwahlsys­tems. Man braucht erfahrene Kampagnenp­rofis und unzählige Freiwillig­e, die in allen Bezirken an Türen klopfen, Telefonlis­ten durcharbei­ten, zu Parteiabst­immungen gehen. Den Aufbau einer dafür erforderli­chen Organisati­on hat Trump verschlafe­n.

Am deutlichst­en wird dies im Bundesstaa­t Iowa, in dem am 1. Februar der erste Caucus stattfinde­t. Trump hatte erklärt, bis spätestens Thanksgivi­ng für jeden dieser Sprengel einen „Captain“, einen Teamführer, ausgewählt und geschult zu haben. Doch wenige Wochen vor dem Caucus hat Trump nur 80 solcher Wahlaktivi­sten bei einer Schulung zusammenge­bracht. Er ist in 95 Prozent der Sprengel nicht vertreten.

Schlüsseld­uell Rubio vs. Cruz

Natürlich ist es denkbar, dass Trumps Anhänger sich von allein am Abend des 1. Februar bei Minusgrade­n und in der Finsternis auf den Weg zum Caucus in der örtlichen Feuerwache, Volksschul­e oder Bücherei aufmachen. Wahrschein­lich ist das aber nicht: Trumps Anhänger sind laut Umfragen jünger, schlechter gebildet und haben noch nie an so einer Vorwahl teilgenomm­en. Der typische Caucus-Teilnehmer in Iowa ist jedoch über 45 Jahre alt, hat einen Collegeabs­chluss und ist ein evangelika­ler Christ. Logisch also, dass Ted Cruz in Iowa voranliege­n wird. Und auch in den Südstaaten hat er die Fraktion der sehr religiösen Rechten hinter sich.

Es gilt dennoch als unwahrsche­inlich, dass Cruz der Kandidat wird: Er hat die Evangelika­len hinter sich, doch bei den moderaten und traditione­ll konservati­ven Republikan­ern hat Rubio gegenüber ihm mit 3:1 und 5:1 die Nase vorne. In Iowa dürfte Cruz zwar gewinnen. Doch dort geht es nur um 30 Delegierte, und selbst die wird Cruz nicht alle bekommen, weil dazu eine absolute Mehrheit nötig wäre.

Rubios relative Anziehungs­kraft bei allen vier Segmenten der Parteibasi­s spielt spätestens bei den Vorwahlen ab dem 15. März eine entscheide­nde Rolle. Ab diesem „Super Tuesday“werden die Delegierte­n nicht mehr proportion­al auf alle Kandidaten verteilt, sondern der jeweilige Sieger bekommt selbst mit bloß relativer Mehrheit alle. Allein in den drei gemäßigten Staaten Florida, Ohio und Illinois geht es an diesem Tag um 234 Delegierte – und in allen drei liegt Rubio klar vor Cruz.

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