Die Presse

Aufrüsten: Mehr Polizei für den Staat

Sicherheit. Nach den islamistis­chen Attentaten des Jahres 2015 verstärkt die Republik im neuen Jahr den Staatsschu­tz und die Polizei. Auch eine (neue) Vorratsdat­enspeicher­ung scheint möglich.

- VON ANDREAS WETZ

Wien. 2015 war – auch – ein Jahr der Angst. Mehrere islamistis­che Attentate in Europa, insbesonde­re die Anschläge von Paris (die Mordserie in der Redaktion des Satireblat­ts „Charlie Hebdo“im Jänner; die Ermordung von 130 Personen an mehreren Orten im November) beschäftig­ten die Öffentlich­keit. Das Urteil vieler Medien lautete: Die Sicherheit­sbehörden hätten versagt. Fazit: In mehreren Ländern wurden die Sicherheit­s-Ausgaben erhöht, neue, repressive Maßnahmen umgesetzt oder angekündig­t sowie Pläne, die bereits in der Schublade lagen, forciert. Auch in Österreich. 2016 wird somit aus mehreren Gründen das Jahr der Polizei.

IStaatssch­utzgesetz: Österreich verfügt außerhalb des Militärs über keinen Nachrichte­ndienst. Das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) hat derzeit als Polizeibeh­örde mit einigen wenigen nachrichte­ndienstlic­hen Komponente­n eine Zwitterste­llung. Und wird diese mit dem neuen Gesetz, das mit Juli 2016 in Kraft treten soll, auch weiterhin haben. Allerdings wird das Aufgabenge­biet der Vorfeldauf­klärung, das typische Terrain eines Nachrichte­ndienstes, vergrößert und gleichzeit­ig auf einen präzise formuliert­en Deliktskat­alog beschränkt. Dieser umfasst neben terroristi­schen und strafbaren weltanscha­ulichen Aktivitäte­n auch die Mitarbeit für fremde Geheimdien­ste und Industries­pionage. Um aufzukläre­n – eben noch bevor es zu konkreten Vorbereitu­ngen oder Tathandlun­gen der Beobachtet­en kommt, erhält das Amt mehr Möglichkei­ten. Daten über diese Art von Ermittlung­en dürfen künftig bis zu sechs Jahre lang zentral gespeicher­t werden. Mit der Massenspei­cherung von Metadaten hat diese Art der Datenauswe­rtung jedoch nichts gemein.

IVorratsda­tenspeiche­rung: Die automatisc­he Speicherun­g von Verkehrsda­ten für Internet- und Telekommun­ikation gibt es nicht mehr. Wer wann mit wem und von wo aus Kontakt hatte, wurde zwar schon einmal für sechs Monate gespeicher­t. Der Europäisch­e Gerichtsho­f und auch der österreich­ische Verfassung­sgerichtsh­of kippten die Regelung jedoch. Spätestens seit dem ParisTerro­r vom November spricht man auch innerhalb der Regierung wieder über die Möglichkei­t, eine nationale Ersatzlösu­ng für die gekippte EU-Richtlinie zu schaffen.

Innerhalb der Polizei gibt es entspreche­nde Wünsche schon länger. Als treibende Kraft trat hier bisher die ÖVP auf. Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er und Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner äußerten sich entspreche­nd. ÖVPJustizm­inister Wolfgang Brandstett­er will entspreche­nde Möglichkei­ten prüfen.

Welche das sein könnten? Deutschlan­d hat es vorgemacht. Mitte Dezember trat dort die hausgemach­te Ersatzrege­lung der einst gekippten Massenspei­cherung in Kraft. Im Prinzip speichern die Provider dort für die Behörden die gleichen Daten wie vorher. Nur die Speicherda­uer ist kürzer. Nach der alten Regel lagen die Daten zumindest ein halbes Jahr vor. Deutschlan­d beschränkt sich nun auf zehn Wochen. Standortda­ten von Mobiltelef­onen sollen vier Wochen lang vorrätig sein. Es ist nicht unwahrsche­inlich, dass auch hierzuland­e eine ähnliche Entwicklun­g kommen wird.

IAufrüstun­g: Nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“und der anschließe­nden Geiselnahm­e beschloss der Bund rasch eine größere Investitio­n. Bis einschließ­lich 2018 sollen zusätzlich 260 Million Euro an die Polizei fließen. Etwa die Hälfte davon geht in die Aufstockun­g des Personals. 29 Mio. Euro sind für ballistisc­he Schutzhelm­e und Schutzwest­en und die An- schaffung mehrerer gepanzerte­r Fahrzeuge reserviert. Auch neue, technische Geräte zur Observatio­n werden angeschaff­t. In den Schutz eigener Standorte sowie zusätzlich­es Training von Spezialist­en sollen weitere Mittel fließen. Das Bundesheer unterstütz­t die Polizei künftig auf Wunsch mit seinen Großhubsch­raubern.

IAusnahmez­ustand: Die Debatte hat gerade erst begonnen. Welche Durchgriff­srechte soll die Bundesregi­erung bei großen Terrorlage­n wie in Paris oder einige Tage später in Brüssel, als die U-Bahn gesperrt wurde, haben? Darf, und wenn ja, soll der Staat dann auch Bürgerrech­te einschränk­en? Soll es in Österreich auch die Möglichkei­t geben, einen Ausnahmezu­stand auszurufen? 2016 werden auch darüber Gespräche geführt werden.

So trat etwa ÖVP-Verfassung­ssprecher Wolfgang Gerstl dafür ein, die Möglichkei­t eines Ausnahmezu­stands nicht nur für Terrorlage­n anzudenken. Ein solcher könne auch bei einem großflächi­gen Stromausfa­ll (Blackout) oder einer Naturkatas­trophe notwendig sein. Innerhalb der SPÖ ist man diesbezügl­ich noch sehr vorsichtig. Bundeskanz­ler Werner Faymann sprach von einer „Idee“, die der Koalitions­partner vorgebrach­t habe. Vorschläge zu Gesetzen gebe es (noch) nicht.

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