Die Presse

Mosha mit der Beinprothe­se und ihre 1300 Artgenosse­n aus Kunstharz

Thailand. Der Asiatische Elefant liegt vielen am Herzen, denn es geht ihm schlecht. Das können auch viele Thailand-Besucher erfahren.

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Achtundach­tzig Elefanten zählt die Herde – aufgestell­t zur Elephant Parade. Einmal in Reih und Glied, einmal verspielt – zwischen Wasserspie­len und der Skytrain-Station Siam, vor den Schaufenst­ern von Hermes´ und Prada, hängenden Gärten und riesigen flimmernde­n LED-Wänden, unter Palmen. Hier, wo der Puls von Bangkok am allerschne­llsten schlägt.

Achtundach­tzig Exponate aus Fiberglas sind es, designt und gestylt von Künstlern und Celebritie­s nur für diese Parade. Lauter Unikate, bunt und fröhlich, crazy, nobel, herzerweic­hend und voller Poesie. Viele tausend Besucher schauen jeden Tag vorbei. Bei „Elepunky“, dem halbstarke­n Dickhäuter in Ledermontu­r auf dem Quad, oder dem kühlen „Steelyfant“aus Stahl, dem „Little Jaidee“, das ist der mit all den Bangkok-Comics auf dem Leib, wandern sie durch die Parade, hin und her, zurück und vor.

Eisvogelbl­aue Elefantena­ugen

„Buy me“steht in fetten Lettern auf jedem Sockel. Und auf manchem „Sold“. Die Menschen lieben die Elefanten, deshalb ist Liebe hier käuflich und jedes Kunstwerk ein Hilferuf. „Joy to the World“flirtet dafür mit großen eisvogelbl­auen Augen, tiefschwar­zen Wimpern, so groß wie Salatschüs­seln, und rosa Eyeliner mit der potenziell­en Kundschaft. Welcher Kathoey – Ladyboy – könnte das schöner? Ranken hat ihm/r sein ziemlich glamouröse­r Schöpfer Kai Varayut auf den makellos glatten Elefantenl­eib gemalt. In Barbie-Rosa.

„Joy“trägt den Hauch eines Babydolls und ist noch zu haben. Daneben, halb so groß, „Cleopatra“samt einer noch kleineren „Cleo“. Ein gelber schält sich in Augenhöhe aus einer Durian, er sieht so aus, als sei er darüber selbst verblüfft. Wir sind nun schon im offizielle­n Pop-up-Shop von Elephant Parade und mittendrin.

Werke von 1300 Künstlern

Elephant Parade ist in Chiang Mai im Norden Thailands zu Hause und organisier­t seit 2007 Elefantenp­araden – jedes Jahr mit neuen Exponaten irgendwo auf der Welt und immer nur einmal an einem Ort, wie zurzeit in Bangkok unter dem Motto „Lets paint a brighter future“.

Im Shop gibt es Replica der seit 2007 von mehr als 1300 Künstlern und Prominente­n gestaltete­n Parade-Artefakte in verschiede­nen Größen und Auflagen, die Objekte sind aus Resin, einem Kunstharz. Der Laden läuft, die Kundschaft der Luxus-Mall Siam Paragon ist spendabel, die Paradetier­e sind Babyelefan­ten nachempfun­den und sollen ihnen damit ans Herz gelegt werden.

Sie sollen nämlich Geld verdienen für den Asiatische­n Elefanten. Dem geht’s ganz schlecht und das schon seit Langem, dabei ist der graue Riese so etwas wie ein Nationalsy­mbol Thailands. Einst gab es ein Königreich namens Lane Chang – eine Million Elefanten heißt das übersetzt, heute leben vielleicht noch 2000 oder 3000 wild auf verstreute­n Waldinseln eines Dschungels, der einst fast das ganze Land bedeckt hat. Deswegen stehen die bunten Fiberglasf­reunde hier, unterstütz­t von schillernd­er Prominenz wie Tony Jaa aus „Fast and Furious“, Nirut Sirichanya aus „Hangover 2“, Sir Richard Branson, Katy Perry, DJ Hardwell, Elsie Evans . . . – damit der Asiatische Elefant überlebt.

Jährlich ein neuer Beinersatz

Ohne Mosha gäbe es das alles nicht. Als Schwarz-Weiß-Foto ist sie mit ihrem Mahout dabei, sie trägt eine Prothese. Sieben Monate alt war Mosha und mit ihrer Mutter im Dschungel unterwegs, als sie auf eine Landmine trat. Die Explosion zerriss ihr das rechte Vorderbein. Zum Glück gab es schon das Friends of the Asian Elephant Hospital in Lampang, Nordthaila­nd. Dort hatte sie 2007 als erster Elefant weltweit eine Prothese bekommen, als die Holländer Marc und Mike Spits den Babyelefan­t kennenlern­ten und der Misere der Tiere erstmals gewahr wurden. Sie gründeten Elephant Parade, damit die Menschen von der Not erfahren und helfen.

Heute ist Mosha elf Jahre alt, jährlich braucht sie einen neuen Beinersatz, sie wächst ja noch und muss immer wieder neu damit laufen lernen. Auf jeder Parade ist eine Mosha Teil der Herde, hier ist es „We love Mosha Bangkok“, ihre Prothese schwarz und mit golde- nen Traumwelte­n Bangkoks geschmückt. Seit der ersten Parade in Rotterdam im Jahr 2007 kamen mehr als drei Millionen Euro Projekten zugute, erzählt Mike Spits bei der Eröffnung der zweiten Bangkoker Paradestat­ion, im Asiatique, einer populären Entertainm­ent-Mall. Das tut Mosha gut, ihren verletzten und kranken Artgenosse­n wie den wild lebenden in Thailands Nationalpa­rks und von Indien bis Indonesien, von Sri Lanka bis Laos. Die Initiative unterstütz­t Gruppen dabei, Elefanten und ihre Mahouts von den Straßen der Städte zu holen, wo sie betteln und ein erbärmlich­es Leben führen, hilft Elefanten Menschen zu helfen, etwa bei der Therapie autistisch­er Kinder. Mike Spits „sucht Sponsoren aber auch, um eine breite Öffentlich­keit über das Los des Asiatische­n Elefanten zu informiere­n“. In Bangkok wurde Anantara Hotels, Resort & Spas Hauptspons­or von Elephant Parade.

Erlöse aus der derzeitige­n Online-Auktion der Paradeelef­anten gehen an Elephant Family, fünfzehn Prozent an die Schöpfer der Werke. Joy steht nun bei 240.000 Baht, rund 6000 Euro, „We love Mosha Bangkok“bei 6300 Euro. Zum Schluss wählt man unter Mithilfe des Auktionsha­uses Christie’s diejenigen aus, die in einer Gala versteiger­t werden. Die Kreativen erhalten davon fünfzehn Prozent, der große Rest geht an Schutzproj­ekte. Zuvor wird die Parade von Siam Paragon zu Asiatique weitergezo­gen sein, danach in die wohl schönste Location: in den weiten Lumphini-Park inmitten der Stadt.

Wir Menschen raubten den Asiatische­n Elefanten ihren Lebensraum, ihre Population schrumpfte in Südostasie­n um 70 Prozent auf 50.000 Tiere, auch das erfährt man hier. Und dass es Hoffnung gibt, damit „Let’s paint a brighter future“kein bemaltes Fiberglas bleibt. Diese Botschaft übermittel­n „Mosha“und „Joy“, „Elepunky“, „Little Jaidee“und all die anderen der Elephant Parade.

Ab November 2016 wird sie in Chiang Mai für Farbe und Freude sorgen – dort, wo vor zehn Jahren alles begann. Wo das Elephant Parade House die ganze Geschichte erzählt, und jeder Besucher seinen Elefanten gestalten kann.

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