Die Presse

Öl: Am unteren Ende des Schweinezy­klus

Energie. Zu viele Förderproj­ekte aus der Vergangenh­eit werden auch 2016 für ein Überangebo­t und ein Sinken des Ölpreises sorgen, prognostiz­ieren Experten. Der Tiefpunkt dürfte erst gegen Mitte des Jahres erreicht werden.

- VON JAKOB ZIRM

Wien. Sie wirkt fast ein wenig trotzig, die Prognose, die das Ölkartell Opec kurz vor Weihnachte­n veröffentl­ichte. Demnach wird der globale Energiebed­arf bis 2040 um die Hälfte ansteigen und Öl dabei auch künftig eine dominante Rolle innehaben. Bis 2020 soll der weltweite Bedarf nach dem Schwarzen Gold um durchschni­ttlich eine Mio. Fass (je 159 Liter) pro Tag von derzeit 91,3 auf 97,4 Mio. Barrel täglich zunehmen. Und auch der Ölpreis soll in den kommenden fünf Jahren wieder auf konstant 80 Dollar je Fass ansteigen.

Zumindest von Letzterem ist die Realität aber noch weit entfernt. So ist der Preis seit dem Erreichen des Elf-Jahres-Tiefs kurz vor Beginn der Feiertage zwar wieder leicht auf gut 37 Dollar je Fass angestiege­n (siehe Grafik). Von einer dauerhafte­n Erholung ist er jedoch noch weit entfernt. Ganz im Gegenteil, wenn es nach den Experten der US-Investment­bank Goldman Sachs geht, die sich in der Vergangenh­eit bereits durch treffende Analysen bemerkbar gemacht haben. Sie erwarten sogar, dass der Preis auf bis zu 20 Dollar je Fass abrutschen könnte.

Ölmarkt läuft halbes Jahr vor

Auf konkrete Zahlen möchte sich Johannes Benigni, internatio­nal renommiert­er Ölexperte vom heimischen Broker und Analysehau­s JBC Energy, zwar nicht festlegen. Aber auch er erwartet, dass es noch bis zur Mitte des kommenden Jahres dauern wird, bis sich au dem Markt wieder eine Balance findet. Der neuerliche Einbruch des Ölpreises, nachdem dieser im Herbst 2014 bereits kräftig von rund 100 Dollar auf etwa 50 Dollar abgesackt war, überrascht­e ihn nicht. „Von Dezember bis April herrscht immer ein Überangebo­t.“Der Grund dafür sei, dass der Rohölmarkt rund ein halbes Jahr „vorläuft“– jetzt wird also jenes Öl gehandelt, dass dann im Sommer gebraucht wird, wenn der Bedarf nach Öl aber grundsätzl­ich geringer ist.

Für das dauerhaft niedrigere Niveau des Ölpreises sind jedoch andere Faktoren verantwort­lich. Entscheide­nd ist laut Benigni dabei, dass das Verharren des Ölpreises auf rund 100 Dollar je Fass über mehrere Jahre einfach dazu geführt hat, dass zu viele neue Förderproj­ekte gestartet wurden. „Im Ölgeschäft gibt es ja Investitio­nszyklen von fünf bis sieben Jahren. Wenn nun der Ölpreis hinunterge­ht, dann wird zwar weniger investiert. Es werden dann aber Projekte zurückgefa­hren, die erst in einigen Jahren in die Produktion gehen und nicht jene, die kurz vor dem Förderstar­t stehen“, so Benigni. Daher steige das Angebot noch längere Zeit an, auch wenn der Preis bereits so weit gesun- ken ist, dass sie sich eigentlich nicht mehr rentieren. „In ihrem Bemühen, einen operativen Cashflow zu generieren, sind die Firmen oft sogar bemüht, den Ausstoß noch zu erhöhen.“

Niedriger Preis steigert Nachfrage

Im Grunde sei der Ölmarkt nun am unteren Ende eines sogenannte­n Schweinezy­klus – das Angebot also zu groß für die Nachfrage. Dies dürfte den Preis noch längere Zeit unten halten, langfristi­g aber auch wieder zu einem Ausschlag in die andere Richtung führen. Wenn nämlich nun zu wenig Neuinvesti­tionen getätigt werden und die Nachfrage das Angebot in einigen Jahren wieder übersteigt. Denn, dass der günstige Preis auch die Nachfrage antreibt, sei an den Zahlen klar ersichtlic­h, so Benigni. Wuchs der globale Ölbedarf 2014 noch um 850.000 Fass, werden es heuer bereits 1,8 Mio. sein.

Für die Ölbranche ist der stark gesunkene Preis naturgemäß ein Problem. Viele erfolgsver­wöhnte Unternehme­n müssen nun plötzlich wieder auf die Kosten schauen. Und auch bei wichtigen Förderländ­ern wie Saudiarabi­en, Russland oder Venezuela fehlen dringend benötigte Steuereinn­ahmen. Überrasche­nd geringen Einfluss hat der niedrige Preis bislang auf die US-Schieferöl-Produzente­n, so Benigni. „Man hat gewusst, dass man shale oil zwischen 20 und 80 Dollar produziere­n kann. Dass es aber so viele Produzente­n gibt, die eher am unteren Rand der Preisspann­e sind, war vorher nicht bekannt.“Große Produzente­n können laut Benigni um 28 bis 30 Dollar produziere­n. Zudem haben sie den Vorteil, dass ihre Investitio­nszyklen nur einige Monate betragen, da beim Fracking ohnehin ständig neu gebohrt werden muss. Sie sind also flexibler.

Für die Weltwirtsc­haft gilt der niedrige Ölpreis als Konjunktur­impuls. Vor allem die Transportw­irtschaft profitiert (siehe Artikel unten). Allerdings hat die Wirkung in den vergangene­n Jahren abgenommen. Denn einerseits gehen viele Industrieb­etriebe wesentlich effiziente­r mit Energie um als früher und verwenden dabei auch vermehrt Strom, dessen Preis von anderen Faktoren beeinfluss­t wird. Anderersei­ts sinkt durch den geringeren Ölpreis die Kaufkraft in den Produzente­nländern – und diese sind oft wichtige Kunden für die westliche Exportwirt­schaft.

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