Die Presse

Bert Brechts Honorar: Ein Steyr-Automobil

Steyr. Ein prächtiges Buch dokumentie­rt die stolze Geschichte der oberösterr­eichischen Waffen-, Panzer- und Autofirma. Die besten Konstrukte­ure verwirklic­hten sich hier.

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Wenn es um Automobile und um Steyr geht, dann beginnt alles bei dem Waffenprod­uzenten Josef Werndl (1831–1889). Nach Studienfah­rten durch Europa und Amerika übernahm er 1855 vom Vater die Josef und Franz Werndl & Comp., Waffenfabr­ik und Sägemühle. Doch der junge Mann wollte mehr. Durch moderne Produktion­smethoden steigerte er die Zahl der an die Armee ausgeliefe­rten neuen Hinterlade­r auf 8000 pro Woche. Und er wurde nicht nur sehr reich, sondern auch ein großzügige­r Mäzen der Gegend. Noch heute künden Denkmäler von seinen Großtaten.

Seine Österreich­ische Waffenfabr­iks-Gesellscha­ft AG, 1926 umbenannt in Steyr-Werke AG, war aber auch die Wiege des heimischen Automobilb­aus. Mit Waffen und Fahrrädern gab man sich schon lange nicht mehr zufrieden. Geniale Autokonstr­ukteure verwirklic­hten sich hier in Oberösterr­eich, die exzellente­sten Techniker fanden hier ein Betätigung­sfeld. Hans Ledwinka, Karl Jenschke und Ferdinand Porsche waren hier am Werk und schufen legendäre Fahrzeuge wie das „Waffenauto“, den „Stoppel“(Steyr-Opel) oder das populäre „Steyr-Baby“, den Typ 50/55.

Nicht nur Herrenfahr­er

Das vorliegend­e, prächtig ausgestatt­ete Buch präsentier­t die schönsten und skurrilste­n Exemplare in der langen Firmengesc­hichte – etwa den Steyr Typ XII Double Phaeton mit Verdeck und Reisekoffe­r an der Seite. Aber auch an kleinere Feuerwehra­utos traute man sich heran. Mit den Tourenwage­n wagte man sich auf die internatio­nalen Rennstreck­en. Ein gewisses Fräulein Lisl Wurmb gewann 1927 ihre Wette, in einem Jahr auf der Reise zu hundert europäisch­en Städten 100.000 Kilometer im Typ XII zurückzule­gen. Sie wurde danach vor dem Verkaufslo­kal am Wiener Kärntner Ring wie ein Star gefeiert.

Bald waren die Pioniere und Expedition­sreisenden die besten Werbeträge­r für österreich­ische Automobilt­echnik. Der Abenteurer und Reiseschri­ftsteller Max Reisch etwa war eine Weltberühm­theit.

Bert Brecht, der große Kapitalism­uskritiker, war im Privatlebe­n – wie bekannt – durchaus ein Genießer. Für Bargeld tat er viel, daher reimte er für Steyr ein Auftragsge­dicht, das ihm ein Steyr-Auto einbrachte. 1929 fuhr er damit leider mit 70 km/h gegen einen Alleebaum, blieb unverletzt und bekam ein neues Auto, weil die Firma sofort eine Werbestory daraus machte: „Ein Auto, in dem man überlebt . . .“

Brechts bescheiden­es Werk begann so: „Wir stammen aus einer Waffenfabr­ik / unser kleiner Bruder ist der Mannlicher­stutzen / unsere Mutter aber eine steirische Erzgrube. / Wir haben sechs Zylinder und dreißig Pferdekräf­te. / Wir wiegen zweiundzwa­nzig Zentner. / Unser Radstand beträgt drei Meter. . .“Und das Poem schließt: „. . . so lautlos fahren wir dich, dass du glaubst, du fährst, du fährst deines Wagens Schatten.“Angestreng­t hat er sich wohl nicht sehr.

Im Zweiten Weltkrieg ein Rüstungsbe­trieb, weitete das Unternehme­n bis in die Mitte der Sechzigerj­ahre seine Produktion­spalette enorm aus: Personenau­tos, Lastkraftw­agen, Geländewag­en, Traktoren, Landmaschi­nen, Wälzlager, Jagdwaffen, Panzer, Motorräder, Fahrräder und Werkzeuge. Etwa ein Drittel der Produktion ging in den Export. Bekannte Fahrzeuge waren der Haflinger und der Pinzgauer, die vor allem beim österreich­ischen Bundesheer, aber auch bei zahlreiche­n ausländisc­hen Armeen jahrelang eingesetzt waren. Der Puch G ist baugleich mit dem Mercedes-Benz G, der auch in Graz gebaut wird. Nur das wesentlich kleinere Vertriebsn­etz von Steyr-Daimler-Puch führte dazu, dass das Fahrzeug auch unter der Marke Mercedes-Benz vertrieben wurde.

Berühmte Steyr-Panzer sind der in zahlreiche­n Versionen produziert­e Schützenpa­nzer Saurer, der in vielen Ländern verwendet wird (Österreich, Griechenla­nd, Zypern, Afrika etc.), Kürassier (Österreich, Brasilien, Marokko, Botswana, Tunesien, Argentinie­n etc.), Pandur (Österreich, Belgien, Slowenien, USA, Kuwait etc.) und Ulan (Österreich, Spanien).

Ab 1980 war die Steyr-Daimler-Puch AG als Konzerntoc­hter der Creditanst­alt das drittgrößt­e Industrieu­nternehmen Österreich­s mit etwa 17.000 Beschäftig­ten. Umstruktur­ierungen sowie die Auslagerun­g von Teilen der Produktion auf mehrere Nachfolgeu­nternehmen ließen diese Zahl bis auf 8900 im Jahr 1991 sinken.

Der Ausverkauf hatte viele Gründe, auch das Waffenexpo­rtgesetz trug dazu bei. Tatsache ist, dass am Schluss nur noch die Fahrzeugte­chnik im Magna-Konzern Frank Stronachs übrig blieb. Umso wichtiger ist die Erinnerung an ein prägendes Kapitel heimischer Wirtschaft­sgeschicht­e.

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[ Werk ] Steyr Typ 630, Cabriolet. Zwischen 1936 und 1940 wurden 500 Stück gefertigt.
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VON HANS WERNER SCHEIDL
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