Dieses „Nichtland“Belgien
Dass er überall Polnisch hörte, langweilte ihn bald. Er ging immer öfter in ein Irish Pub, um nach Herzenslust in Fremdsprachen zu parlieren. Die erträumte Polin fand er nicht. Nach einem Jahr war er wieder Beamter in Brüssel.
Zurückgekehrt, verlagerte er seinen Zorn von den europäischen Institutionen auf das „Nichtland“Belgien. Dass Brüssel auf Sümpfen errichtet ist, behauptet er, körperlich zu spüren: „Ganz Belgien gehört evakuiert und eingezäunt wie die Todeszone von Tschernobyl.“Er nahm jedes Wochenende Billigflüge nach Krakau, in Brüssel frühstückte und nachtmahlte er die mitgebrachte polnische Leberstreichwurst. Er evakuierte sogar den Großteil seiner Handtücher.
2015 wurde er 40. Die zehn Jahre sind um, der Pensionsanspruch ab 65 ist erreicht. Zuletzt unterdrückte er den Mr. Hyde in sich, indem sein Gehalt zur Mama nach Krosno ging. Von dort überwies er sich täglich zehn Euro nach Brüssel, und wenn ihm etwas übrig blieb, überwies er auch schon mal 58 Cent nach Polen zurück. Wenn er in Polen sparsam lebt, muss er nie mehr arbeiten.
Als ich ihn neulich in Brüssel traf, wirkte er fast versöhnt. Wir hatten miteinander Deutsch und ab einem gewissen Promillewert Russisch gesprochen, zuletzt sprachen wir nur noch Niederländisch. Das ist offiziell Brüssels zweite Amtssprache, mehr Ignoranz und Verachtung hätten wir im Nachtleben aber nicht ernten können. Zwei ausländische Onkels, die zwischen Lachanfällen darüber witzeln, was für leckere Sachen man sich mit polnischen „Aardappels“kochen kann – so fand Staszek erst recht keine Frau.
Ab sofort ist Staszek wieder Pole unter Polen. Er ist im Grunde unpolitisch, in Polens geistigen Bürgerkrieg reiht aber auch er sich ein. Wer wird künftig mit italienischen Arien gegen die Discomusik afrikanischer Bars ansingen? Ohne Staszeks unheilbares Unglück wird mir Brüssel zur leeren Stadt.
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