Rot-Grün: „Eine Enttäuschung“
Interview. Wenig konkrete Maßnahmen, keine echten Investitionen: Wiens Wirtschaftskammerchef, Walter Ruck, kritisiert die Wirtschaftspolitik der neuen Stadtregierung.
Die Presse: Wenn Sie das Koalitionsabkommen der rot-grünen Wiener Regierung nach Wirtschaftskriterien beurteilen, welche Note würden Sie geben? Walter Ruck: Eine einzelne Note würde hier zu kurz greifen. Dafür sind die Schwachstellen zu vielschichtig. Also: Ich sehe ein, dass man in 14 Tagen Verhandlungszeit keine Dissertation schreiben kann. Aber ich habe selten so etwas Inhaltsleeres gelesen. Eine Sammlung von Überschriften ohne konkrete Vorschläge, völlig falsche Ansätze und Prioritäten. Gerade im Bereich der Wirtschaftspolitik ist das Papier sehr dünn und eine Enttäuschung.
Warum dünn, was fehlt? Es werden zwar einige Ziele angesprochen, aber ohne eine Messlatte zu definieren oder Maßnahmen zur Zielerreichung vorzuschlagen. Das einzig Konkrete, das ich gefunden habe, ist die geplante Errichtung von 10.000 Wohnungen. Das war’s. Das Programm steht wirtschaftspolitisch mit beiden Beinen ganz fest in den Wolken. Paradox ist, dass es die greifbarsten Punkte gerade beim Thema Mobilität und Radfahren gibt. Da steht ganz genau drinnen, was die Stadt alles vorhat. Damit wird man die Rekordverschuldung, die Rekordarbeitslosigkeit und die sinkenden Investitionen der Stadt aber sicher nicht in den Griff bekommen
Was braucht es – kurz gesagt? Es braucht jetzt in einem ersten Schritt rasche Entscheidungen und Sofortmaßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Dazu zählen die Einführung von Tourismuszonen ebenso wie die Ausdehnung der Schanigartensaison oder die Einführung eines Bezirksfinanzausgleichs und einer Investitionszuwachsprämie, wie es sie in Salzburg schon sehr erfolgreich gibt. Der Standort Wien muss vom Pannenstreifen wieder auf die Überholspur kommen.
Das Programm von Rot-Grün tendiert ideologisch deutlich nach links. Wie sehen Sie das als VPWirtschaftsvertreter? Was man hier an ideologischem Beiwerk liest, ist nicht das, was wir uns als Wirtschaftsvertreter wünschen. Da gibt es immer wieder Hinweise auf Gemeinwohl-Ökono- mie, Umverteilung, der Begriff Gewinnstreben wird per se als schlecht angesehen. Und da gibt es die Forderung nach drastischer Erhöhung der Grundsteuer oder nach einer Leerstandsabgabe. Das ist ein dirigistischer, ins Eigentum eingreifender Zugang, den wir strikt ablehnen. Gefährlich ist auch die Formulierung: „Die Stadt Wien spricht sich für Eigenleistungen aus.“Was heißt das? Ist das eine Re-Kommunalisierung? Wieder eine bewusste Verzerrung des Marktes zugunsten der stadteigenen Betriebe?
Im Regierungsprogramm steht auch, dass die Vergaberegeln zugunsten einer lokalen und sozialen Wirtschaft geändert werden. So sollen etwa Kleinunternehmen Bietergemeinschaften bilden können. Das ist doch für die Wirtschaft interessant. Also, mir ist nicht bekannt, dass ich mich derzeit nicht als Arbeitsgemeinschaft von kleineren Unternehmen bewerben kann. Ich komme aus dem Baubereich, da ist das längst gang und gäbe. Ich finde es aber gut, wenn man „lokal“präferiert, das ist gut für die Wiener Wirtschaft. Aber was die Bevorzugung zugunsten sogenannter ausgrenzungsgefährdeter Gruppen betrifft, da tue ich mir schwer. Vergabe- recht ist nicht dazu da, Sozialpolitik zu betreiben.
Es soll Reformen in der Stadtverwaltung geben, um Mittel für Investitionen freizubekommen. Die Stadt vermischt hier bewusst echte Investitionen, die die Wirtschaft stärken, und laufende Ausgaben. Wenn man sich die offiziellen Zahlen der Stadt ansieht, dann sieht man, dass die Investitionen stetig zurückgehen. Die Erhöhung von Ausgaben in Sozialleistungen wird uns stattdessen als Investition verkauft. Was wirtschaftspolitisch ein völliger Unsinn ist. Da werden von der Stadtregierung abstruse Zahlen hingeworfen und als Investitionen bezeichnet, obwohl sie nie in die Wirtschaft fließen oder positive Akzente setzen. Wien hat österreichweit die höchste Arbeitslosigkeitsrate. Sehen Sie wirksame Konzepte zur Bekämpfung? Das einzige Allheilmittel, das der Stadt einfällt, ist immer noch, mehr Geld hineinzupumpen. Aber das ist der falsche Weg. Schaffen wir doch Anreizsysteme, die die Wirtschaft und damit den Arbeitsmarkt wieder in Fahrt bringen. Die Wirtschaftskammer hat da bereits eine Reihe konkreter Projekte vorgestellt. Projekte, die sich selbst finanzieren oder keinen Finanzierungsbedarf haben, wie etwa die Tourismuszonen oder die Ausdehnung der Schanigartensaison. Aber bei solchen Themen wird lieber geprüft und evaluiert anstatt endlich Entscheidungen zu treffen.
Das heißt, die Impulse, die die Stadt setzen will, sind zu wenig? Impulse setzen kann ja nicht bedeuten, vorrangig über neue und höhere Gebühren umzuverteilen. Das ist ein wirtschaftspolitisch sehr einfältiger Zugang. Fakt ist: Die Stadt schafft keine Arbeitsplätze, die schaffen die Unternehmer. Die Unternehmen schaffen dann Arbeitsplätze, wenn ihnen die Möglichkeiten gegeben werden. Ich habe dazu im Rot-Grün-Abkommen nichts Konkretes gelesen.