Allein aufs WC gelassen: Staat haftet nicht für Suizidversuch
Schadenersatz. Mann hatte geklagt, weil er in einem Klinikum trotz möglicher Selbstgefährdung ungestört den Sanitärraum aufsuchen durfte.
Wien. Rund 245.000 Euro an Schadenersatz, eine jährliche Rente von 5000 Euro und die Feststellung, dass die Republik für alle möglichen weiteren Folgen haftet: Das forderte ein Mann, der sich bei einem Suizidversuch schwere Gesundheitsschäden zugefügt hatte, vom Bund. Denn man hätte ihn in der Klinik in seinem Zustand nicht unbeobachtet in einen Sanitärraum gehen lassen dürfen. Der Staat habe im Wege der Amtshaftung für das Missverhalten der Pfleger einzustehen.
Der Mann war infolge einer akuten Psychose und mit Suizidgefahr ins Landesklinikum Mostviertel/Amstetten-Mauer aufgenommen worden. Man brachte ihn in ein Krisenzimmer. An dieses war ein Sanitärraum angeschlossen. Der Patient ging in den Raum, wo er unbeobachtet war, und versuchte, sich dort mit einem Brauseschlauch zu strangulieren. Dadurch erlitt er einen schweren hypoxischen Hirnschaden.
Sowohl das Landesgericht St. Pölten als auch das Oberlandesgericht Wien wiesen die Klage aber ab. Denn man könne im Verhal- ten des Pflegepersonals keinen Fehler erkennen. Es entspreche den Regeln für eine fachgerechte Überwachung, wenn man einen unter professioneller Aufsicht stehenden Suizidgefährdeten für zehn Minuten ohne Kontrolle auf das WC gehen lässt.
Der Patient sei nach den Kenntnissen des Klinikpersonals unter der Einwirkung eines antipsychotisch wirkenden, ihn stark sedierenden (also beruhigenden und verlangsamenden) Medikaments gestanden. Es sei unter diesen Umständen für das Fachpersonal nicht vorhersehbar gewesen, dass der Patient innerhalb von nur zehn Minuten den Brauseschlauch abmontiert und damit einen Suizidversuch begeht.
Zuletzt wies nun auch der Oberste Gerichtshof (1 Ob 128/15b) die Revision des Verletzten zurück. Eine 1:1-Überwachung würde, wie die Unterinstanz festgestellt habe, nicht den Standards entsprechen. Zudem lasse der Mann außer Acht, dass „selbst bei Annahme einer solchen lückenlosen Überwachung jedenfalls ein unbeaufsichtigter Toilettenbesuch hätte ermöglicht werden müssen“.