Nur noch eine Schachfigur für die Parteistrategen?
Eine Neugestaltung des Bundespräsidentenamtes ist überfällig. Warum keine Rotation unter den Landeshauptleuten?
sterreich nahm 1916 Abschied vom Langzeit-Kaiser Franz Josef. Mit dessen Tod fand sich auch die Ära der Herrschaft der Habsburg-Familie in den letzten Zügen, und es kam zu den schmerzlichen Ablösungsprozessen. Diese reichen bis in die Gegenwart, ist es doch heute noch ein Thema, ob ein Mitbürger namens Habsburg überhaupt für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren darf.
Als Hans Kelsen 1920 federführend an der Gestaltung einer Verfassung für die junge Republik wirkte, hat zweifelsfrei auch das Bild des Kaisers Pate gestanden und ist implizit in die Regelung des höchsten Staatsorgans eingeflossen, als es galt, eben dieses Amt rechtlich auszugestalten.
Das Vertrauen des Kaisers ist über die neue Bundesverfassung der Republik in ein solches des Bundespräsidenten transformiert worden. Die Verfassung weist ge- rade beim Bundespräsidenten noch klar monarchische Züge auf. Der Bundespräsident ernennt die Regierung, es fehlen jedoch Vorschriften, wie er dabei vorzugehen hat. Es ist der Bundespräsident, von dem in Anlehnung an den Kaiser alles ausgeht, es überbieten sich selbst fortschrittlich und antimonarchistisch gebende SPÖ- und Grün-Politiker, um imperial und würdig für das Amt zu erscheinen.
Ein Quasi-Kaiser
Vergleicht man den diesbezüglichen Blick auf Berlin und Wien, erscheint Wien in einem fast kitschig korrekt aufgeputzten Image.
Der Bundespräsident war in den letzten 100 Jahren also auch so etwas wie eine gesamtgesellschaftliche Identifikationsfigur – ein Quasi-Kaiser; den vielen Büsten und Denkmälern besonders in der Kaiser- und Residenzstadt Wien Konkretes und damit auch immer wieder neues Leben einhauchend.
Die gesamte politische Kultur Österreichs stand während des 20. Jahrhunderts in dieser obrigkeitsstaatlichen Prägung mit einem Präsidenten und „seiner“Regierung an der Spitze. Da blieb auch für den formalen Gesetzgeber, dem Nationalrat, in vielen Bereichen nur die Rolle des „Gesetznehmers“, der die Gesetze der Regierung nehmen und abnicken durfte.
Österreich stellt sich als ein extrem „gouvernementales“PolitikSystem dar, wo die Regierung zu viel und die Legislative zu wenig wiegt. In dem Maße wie die parteipolitische Diversität zunimmt – ein Zeichen gelebter Demokratie – wären regulative Neuaufstellungen zu entwickeln und neue politische Identitäten auszumachen. Dort, wo politische Innovation notwendig wäre, hat das politische System Österreichs allerdings bisher nur lähmende Statik vermittelt.
Lange Zeit waren Bundespräsidenten überhöhte Figuren in hohem Lebensalter, von der Realpolitik abgekoppelt. In der Zweiten Republik sind von sieben Amtsträgern fünf im Amt verstorben.